Direkt zum Inhalt
Britischer LGBTI*-Sonderbeauftragte in Deutschland // © twitter.com/nickherbertcbe
Rubrik

Britischer LGBTI*-Sonderbeauftragte LGBTI*-Community sollte mehr sachorientiert arbeiten

ms - 22.05.2022 - 15:30 Uhr

Der britische Sonderbeauftragte für LGBTI*-Themen, Nick Herbert, hat sich nun in der britischen Botschaft in Berlin mit deutschen Politikerinnen getroffen, um über weitere Projekte und Ideen zur Stärkung der LGBTI*-Community zu sprechen. So traf sich Herbert mit Ulle Schauws, der Grünen-Sprecherin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend und frühere, queerpolitische Sprecherin der Partei, sowie mit Tessa Ganserer, einer von zwei trans-Frauen im aktuellen Deutschen Bundestag und LGBTI*-Aktivistin.

Ein Kernaspekt ihres Gesprächs war dabei die gescheiterte “Safe To Be Me“-Konferenz in London.

Die Zusammenkunft von LGBTI*-Organisationen aus der ganzen Welt sollte die allererste globale Konferenz queerer Gruppen werden. Im Zuge der jüngsten Entwicklungen und der Ankündigung von Premierminister Boris Johnson, trans-Menschen nicht in einem neuen Gesetzesvorhaben mit einzubeziehen, das Konversionstherapien verbietet, zogen über einhundert queere Organisation ihre Beteiligung an der Konferenz zurück. Das Scheitern dürfte dabei auch ganz persönlich eine herbe Niederlage für Herbert gewesen sein, war die geplante Konferenz im Juni doch eine Herzensangelegenheit von ihm. Er hatte sich damals sehr bestürzt über seine eigene Regierung gezeigt.

Dabei zeigte Herbert grundsätzlich auch Verständnis für die Bedenken, die Teile der Bevölkerung mit Blick auf die trans-Community haben und meinte: „Ich glaube, dass die Bedenken über die Auswirkungen der Einbeziehung von Trans-Personen zerstreut werden können, aber wir müssen die Argumente für eine Änderung vorbringen, die Beweise vorlegen und die Parlamentarier der Mitte davon überzeugen, dass ein Verbot, das Trans-Personen einschließt, ein sicherer und vertretbarer Weg ist. Aus der Meinungsforschung wissen wir, dass die Öffentlichkeit mit transsexuellen Menschen sympathisiert und ihnen gegenüber freundlich gesinnt ist, dass sie jedoch Bedenken in Bezug auf die Sicherheit von Frauen in geschlechtsneutralen Räumen und vor allem in Bezug auf die Fairness von transsexuellen Frauen im Spitzensport für Frauen hat.“

 

In diesem Zusammenhang kritisierte er auch die LGBTI*-Community, sowohl in Großbritannien, wie auch anderenorts: „Es bedarf einer ruhigen Erläuterung der Fakten und einer Diskussion über die richtigen Grenzen von Kompromissen. Wenn der Premierminister seine Besorgnis über Themen wie Fairness im Sport zum Ausdruck bringt, ist er nicht ´transphob´, und die wachsende Besorgnis im gesamten politischen Spektrum kann nicht einfach beiseite gewischt werden. Als die LGBT-Lobby noch siegreich war, hat sie überzeugend für Veränderungen plädiert, indem sie mehrere Regierungen einbezog und Parlamentarier informierte. Jetzt organisiert sie Boykotte und schrille Proteste. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in einen politischen Sumpf abgleiten, der von Extremen beherrscht wird und so den vernünftigen Mittelweg erstickt. Die Debatte in den USA ist giftig, mit abscheulichen und verfolgenden Anti-Trans-Gesetzen. So sind wir nicht. Wir müssen einen Weg finden, dieser Debatte die Schärfe zu nehmen.“

Die nächsten Schritte dürften schwierig sein, das zeigte auch das Gespräch in der britischen Botschaft. Trotzdem, bekräftigte Herbert, müsse es einen Weg geben, die Rechte der LGBTI*-Community zu stärken.

Mit Blick auf die Situation Großbritanniens plädiert Herbert aktuell für eine königliche Kommission, geleitet von hochrangigen Richtern, die unvoreingenommen die trans-Thematik überprüfen solle, um so transsexuelle Menschen wieder stärker zu schützen, damit diese nicht immer wieder „ins politische Kreuzfeuer“ geraten würden: „Niemand wird aus einem Kulturkrieg in diesen Fragen als Sieger hervorgehen, und diejenigen, die am meisten darunter leiden werden, sind transsexuelle Menschen, die sich bereits stigmatisiert fühlen, Menschen, die anders sind, aber genauso wie wir, Menschen, die mehr Freundlichkeit verdienen, als die heutige Politik zulässt.“  

Auch Interessant

Scham vor der PrEP

Slutshaming in der Gay-Community

PrEP-Nutzer sind sexgeile Schlampen! Wirklich? Woher kommt dieses Denken? In Großbritannien regt sich jetzt Widerstand gegen das schwule Slutshaming.
Nächste Todeszone in Afrika

Burkina Faso plant Hass-Gesetz

Das nächste afrikanische Land will Homosexualität unter Strafe stellen: Burkina Faso prüft gerade neue Verbote.
Erhöhte Gefahrenlage vor ESC

Reisewarnung zum ESC in Schweden

Im schwedischen Malmö herrscht erhöhte Gefahrenlage vor dem ESC. Der Sicherheitsrat Israels warnt vor einem Anschlag, die Polizei ist stark präsent.
Polens neue Wege

Umdenken in der Gesellschaft

Polens neue Regierung kämpft für mehr Rechte für Homosexuelle. Jetzt zeigt sich, die Unterstützung in der Bevölkerung dafür wächst immer mehr an.
Zu viel LGBTI* im TV?

LGBTI*-Charaktere im US-Fernsehen

Binnen eines Jahres gab es fast 20 Prozent weniger LGBTI*-Charaktere im US-Fernsehen. Ist der Markt übersättigt oder gibt es andere Gründe?
Tödliche Penisvergrößerung

Bundesgerichtshof bekräftigt Urteil

Der Wunsch nach einem „monströsen Gehänge“ endete für einen Schwulen tödlich. Das Urteil gegen den Pfuscher der Penisvergrößerung ist nun rechtskräftig.
Einheitliche Haftbedingungen

EU-Komitee fordert bessere Regelungen

Seit Jahren lodert die Streitdebatte, wie mit Trans-Häftlingen umzugehen sei. Nun hat der Europarat seine Empfehlungen veröffentlicht.
Kleiner Schritt nach vorne

Tschechien ändert Partnerschaftsgesetz

Die gleichgeschlechtliche Ehe bleibt Homosexuellen in Tschechien weiterhin verwehrt, die Regierung verabschiedete nur geringfügige Verbesserungen.