Machtwechsel in London? Kann sich Liz Truss als Kandidatin halten? Was bedeutet das für die LGBTI*-Community?
Die britische LGBTI*-Community schwankt in diesen Tagen immer mehr zwischen Hoffen und Bangen, andere LGBTI*-Urgesteine wie Peter Tatchell, Gay-Aktivist der ersten Stunde, erklärte inzwischen bereits, dass die Wahl des neuen Premierministers Anfang September für die gesamte LGBTI*-Community so oder so ein Tiefschlag sein wird, egal wer der beiden Kandidaten am Ende bei der Befragung der Mitglieder der Konservativen Partei das Rennen macht.
Bisher galt die aktuelle Außenministerin und Gleichstellungsbeauftragte Liz Truss als aussichtsreichste Kandidatin, doch in dieser Woche veröffentlichte, eigentlich geheime Tonaufnahmen werfen kein gutes Licht auf die 47-jährige Politikerin. Der Guardian publizierte ein Gespräch, in dem Truss erklärte, dass es in Großbritannien ein grundlegendes Problem mit der Arbeitskultur gäbe, es fehle den Briten schlicht an der richtigen “Mentalität und Einstellung“ sowie an ausreichend “Fertigkeit und Eifer“. Abschießend schwärmt Truss, dass dies in einem Land wie China ganz anders sei. Ein wenig erinnern Truss´ Äußerungen an die berühmte eiserne Lady, Premierministerin Margaret Thatcher, die während ihrer gesamten Amtszeit das Leben von Homosexuellen massiv erschwerte. Die Briten insgesamt hegten und hegen bis heute eine Hass-Liebe zu der, inzwischen verstorbenen Politikerin. Wird es Truss ebenso ergehen? Ihr Beraterstab erklärte inzwischen, die Aufnahme des Guardians sei ein halbes Jahrzehnt alt und es fehle jedweder Kontext. Dabei stehe allerdings auch heute außer Frage, dass Großbritannien seine Produktivität verbessern müsse.
Die LGBTI*-Community blickt mit Spannung auf die weiteren Entwicklungen, auch wenn selbst innerhalb der Szene die Frage heftig umstritten ist, welcher Kandidat die bessere beziehungsweise weniger schlimmere Wahl sein könnte. Sowohl Truss wie auch ihr Gegenkandidat, der ehemalige britische Finanzminister Rishi Sunak, bekräftigten ihren Einsatz für Schwule, Lesben und Bisexuelle, sprechen sich aber zeitgleich immer vehementer gegen den “woken Blödsinn“ aus. Beide wollen Gesetze überarbeiten lassen, sodass der Begriff "Geschlecht“ als biologisches Geschlecht festgehalten wird. Beide wollen sich für Frauenrechte stark machen und Frauen vor einer “Auslöschung durch die trans-Ideologie“ bewahren. In puncto Konversionstherapieverbot ist nach den letzten Äußerungen der beiden Kandidaten völlig offen, ob dieses überhaupt noch kommt und falls, in welcher Form. Der noch amtierende Premierminister Boris Johnson wollte ein Konversionstherapieverbot für Schwule, Lesben und Bisexuelle, aber ohne trans-Personen verankern, was in Teilen der britischen LGBTI*-Community auf starken Widerstand gestoßen war.