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Schauspielerin Marie-Luise Marjan // © vvg

Im Interview Schauspielerin Marie-Luise Marjan

vvg - 01.12.2021 - 09:00 Uhr

Marie-Luise Marjan ist Schauspielerin und vor allem durch ihre Fernsehrolle der Mutter Beimer in der Lindenstraße deutschlandweit bekannt

Sie haben in Hamburg bei Eduard Marks studiert, dem Mann mit der märchenhaften Stimme...
Professor Eduard Marks war mein Schauspiellehrer. Er war Schauspieler im Gründgens-Ensemble, sehr geduldig und kam wie ich aus Westfalen. An der Hamburger Musikhochschule, Klasse Schauspiel lernte ich alles, vom Bühnenfechten bis zum Rollenstudium, das sogenannte Ausloten einer Figur. Ich lernte Hinfallen, was mir in meinem Alter von Nutzen ist: Abrollen und Kleinmachen, damit nix kaputtgeht. (lacht)

Bleiben wir bei der Stimme: Sie sind in „Shrek“ die deutsche Stimme der Königin Lilian.
Die Figur war animiert, darum war es anders, als wenn ich in einer Rolle vor der Kamera oder auf der Bühne stehe. Um ihren Charakter zu formen, konnte ich aber viel von meiner Persönlichkeit in sie einfließen lassen.

Sie standen in Basel, Bonn, Bochum, Berlin, Karlsruhe und Hamburg auf großen Bühnen, war das ein Kindheitstraum?
Schon am Gymnasium – mein Musiklehrer war ein Freund von Siegfried Wagner, dem dritten Kind von Richard Wagner – haben wir den „Ring des Nibelungen“ durchgearbeitet und „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck aufgeführt. Schon mit 12 Jahren habe ich die Hexe gespielt und gesungen und mein Musiklehrer hätte mich gern als Sängerin gesehen. Aber das konnten sich meine Adoptiveltern nicht leisten: Mama war Hutmacherin und Papa arbeitete im Elektrizitätswerk. Ein Schauspielstudium war realistischer. Ich sprach vor, kam zur Volkwangschule in Essen. Durch meine bereits gesammelten Erfahrungen wusste man aber nicht, in welche Klasse man mich stecken sollte. Durch Bekannte aus meinem Heimatort Hattingen, der Sohn (Ernst August Schepmann) studierte Schauspiel, bekam ich den Tipp, mich in Hamburg zu bewerben.

Heute kennt Sie jeder: Helga Beimer war 35 Jahre lang die „Mutter aus der Lindenstraße". War die Rolle Fluch oder Segen?
Es wurden über 500 Schauspielerinnen videografiert. In der bekannten Theater-Pension "Nonnensteg" in HH fragte Hans Geissendörfer die Wirtin, wen sie sich in einer mütterlichen Rolle mit positiver Ausstrahlung vorstellen könnte. Sie reagierte darauf: „Da gibt es in Deutschland nur Marie-Luise Marjan!“. Zum Glück habe ich die Rolle bekommen und wurde zur Mutter Beimer. Es war meine 25. Mutterrolle. Ich bekam nie die Rolle der Liebhaberin, aber eine Mutter kann auch Liebhaberin sein. (lächelt)

Eine Journalistin lobte einmal: „Wenn man als Schauspielerin mit dem Rollennamen der Figur angesprochen wird, hat man es geschafft.“.

Welchen Rat geben Sie jungen Leuten, die es auch schaffen wollen?
Zu meiner Jugendzeit musste man, wenn man Schauspieler und berühmt werden wollte, aus einem besonderen Holz geschnitzt sein. Heutzutage kennen die Jugendlichen weder Shakespeare noch Goethe. Sie glauben, wenn sie schön, attraktiv und sexy sind und es auf ein Titelblatt schaffen, wären sie berühmt – dabei werden sie nur medial benutzt. Sie müssen lernen, wer sie sind und was ihnen Schauspielern bedeutet. Nur Schönsein reicht nicht, dazu gehört eine harte Ausbildung. Wenn man es aber wirklich will, kann man es schaffen.

War das Aus der Lindenstraße nötig?
Es hätte weitergehen können, das Aus war eine politische Entscheidung gegen uns. Die ARD setzt sich aus neun Sendern zusammen und wir wurden nur mit einer Stimme Mehrheit abgesetzt. Die Lindenstraße hat sich immer aktuellem Zeitgeschehen gestellt, auch dem unbequemen. Wir waren immer modern und wurden im Herzen der Zuschauer unsterblich.

Mütterlich ist auch Ihr Engagement: Sie sind seit 1990 bei UNICEF und …
Meine erste Aktion vor 33 Jahren bei UNICEF war mit dem Kölner OB Norbert Burger. Heute ich bin Patin, was man früher Botschafterin nannte.

… beim Kinderhilfswerk PLAN International fördern Sie sechs Patenkinder in Indien, Sri Lanka, Vietnam, Paraguay, Haiti und Mosambik.
Bei PLAN übernimmt man Patenschaften für ein Kind, welches für eine Dorfgemeinschaft steht. Wenn im Dorf eine Infrastruktur mit Krankenhaus, Schule, Gemeindehaus und Arbeitsmöglichkeiten entstanden sind, endet die Patenschaft und es kann ein anderes Kind in einem anderen Ort unterstützt werden. Bevor ich Patin wurde, durfte ich mich in Indien vor Ort kundig machen.

Was bedeuten Ihnen Preise wie das „Bambi“, der „Telestar“ sowie die „Bundesverdienstkreuze“ und der „Verdienstorden des Landes NRW“?
Anerkennung. Als alleinstehende Frau bedeutet es einen gewissen Schutz, weil man dafür Respekt bekommt. Eine Auszeichnung verpflichtet aber auch. Daher bin ich zurückhaltend und trage es kaum öffentlich. Erst nachdem mich Bundespräsident Köhler fragte, warum ich das Bundesverdienstkreuz nicht trage – ich käme doch mit Leuten ins Gespräch und könne über meine Arbeit reden – trage ich es ab und zu.

Die nächsten Fragen sind ehemalige Film-Titel: „Palermo oder Wolfsburg?", Köln oder ? Käme für Sie ein Ortswechsel in Frage?
Am wohlsten fühle ich mich, wo eine mittelmäßige Temperatur herrscht: nicht zu warm, nicht zu kalt. Da ist die mittelrheinische Schiene schon das Richtige. Wahrscheinlich kommt ein Wohnungswechsel auf mich zu, aber in Kölner Rheinnähe möchte ich schon bleiben.

„Dem Himmel sei Dank“, würden Sie im Nachhinein in Ihrem Leben etwas anders machen?
Als der Film „J’aime la vie“ seine Premiere in Cannes hatte, riet mir der Produzent: „Setz dich auf die Hotelterrasse, da kommen alle berühmten Regisseure vorbei und sehen dich.“ Aber wenn ich schon mal an der Cote d’Azur bin, dachte ich, gehe ich doch lieber schwimmen. Vielleicht war das ein Fehler und ich habe eine „große Karriere“ verpasst, aber dann wäre ich auch nicht Mutter Beimer in der Lindenstraße geworden.

 

Schauspielerin Marie-Luise Marjan // © vvg

„J’aime la vie“ ist „Tag der Idioten“. Was regt Sie aktuell auf?
Da kann ich nur seufzen über die ganzen Mikroben der Dummheit. Ich versuche ein gutes Beispiel zu sein, wo sich die Unvernünftigen noch etwas abschauen könnten. Es scheint mir aber vergebene Liebesmüh', sie umerziehen zu wollen. Es geht um die Sauberkeit in der Stadt, wo jeder seinen Betrag leisten kann und nicht noch Mülltonnen umschmeißt..., und um Respekt vor anderen.

„Kein Rezept für die Liebe“ – Was bedeutet Ihnen Glück?
Für mich bedeutet Glück, bei mir zu sein. In einer schönen Umgebung oder im Garten unterm Oleanderbusch die Sonne genießen. Da ich seit meinem 16. Lebensjahr selbstständig bin, kann ich gut alleine sein. Ich verlasse mich gerne auf mich selber und mache mich ungern abhängig von Menschen. Natürlich habe ich auch Freunde, wenige, aber dafür echte.

„Weiße Rosen“ – Nach Ihnen wurde eine Rose benannt …
Die Rose war die erste dieser Ehrungen, sie ist sehr beliebt und inzwischen weltweit verbreitet. Der Züchter hat damit meine Patenschaften bei PLAN finanziell unterstützt. Deshalb hat sie einen besonderen Stellenwert. Danach kamen noch eine violette Orchidee und eine gelbrote Dahlie hinzu, die nach mir benannt wurden.

Ein „Tatort“ mit Ihnen hieß „Treffpunkt Friedhof“, was möchten Sie vor dem letzten Treffpunkt noch erleben?
Zu meinem 90. werde ich noch mit einem neuen Programm auf der Bühne stehen. Schauspieler ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Mir wird immer etwas einfallen …, vielleicht sogar noch eine Musik-CD.

„Was mir am Herzen liegt“ ist CD-Titel, „Was mein Herz bewegt“ ein Buch mit ihren Kolumnen: was liegt ihnen momentan am Herzen?
Dass die Menschen mit sich und der Welt im Gleichgewicht sind. Das wird man zwar nie schaffen, aber man kann daran arbeiten.

Wie gehen Sie mit Hass und Gewaltbereitschaft um?
Man hört und liest davon, aber ich selbst habe dies noch nicht erfahren. Für mein mediales Engagement für die Corona-Impfung habe ich nur positive Reaktionen bekommen. Heute findet Hass vor allem im Virtuellen statt, das ist das Gefährliche. Mit ausgesprochenem Hass kann man umgehen, nicht aber mit dem unpersönlichen in den Medien.

„Denk jetzt nicht, du kannst schon alles“ war Ihre erste Biografie: was möchten Sie noch können?
Können möchte ich noch ganz viel. Man lernt nie aus!

Ein zweites Buch folgte: „Ganz unerwartet anders: Ich suchte meinen Vater und fand eine Großfamilie“.
Dass kam durch ein Sendeformat der BBC, welches in Deutschland „kopiert“ wurde. Dazu gab es neben mir noch eine Folge mit Peter Maffay, Armin Rohde und Christine Neubauer. Man wusste, dass ich ein Adoptivkind war, meine leibliche Mutter war bekannt, aber die väterliche Seite war nebulös und wurde hierbei aufgespürt. So entstand meine zweite Biografie.

Laut der Filmdokumentation war „Das Geheimnis meiner Familie“ ein bis dato unbekannter Halbbruder. Wie ist es, plötzlich Familie zu bekommen?
Das ist schon eine außergewöhnliche Situation. Ich war sehr froh, dass sie alle so lieb und ebenso überrascht waren. Das Beste war, dass sie mich nicht als Schauspielerin gesehen haben, sondern als Mensch Marie-Luise. Ich habe initiiert, dass wir einmal im Jahr ein Familientreffen machen.

Welchen Kontakt haben Sie zur LSBTI*-Family?
Beruflich und in meinem Freundeskreis habe ich zu vielen Menschen Kontakt, die so ausgerichtet sind und ich verstehe mich mit ihnen hervorragend. Schwule Männer sind meist sensibel, humorvoll, kommunikativ, intelligent, gebildet und ästhetisch. Mir ist der Mensch mit seiner Persönlichkeit wichtig, nicht wen er liebt. Ich habe mich früher für die AIDS-Hilfe engagiert, mich später aber stärker auf UNICEF und PLAN konzentriert.

Wo können wir Sie demnächst sehen?
Wenn ich nicht mehr dazu komme, Theater zu spielen, möchte ich dennoch im Training bleiben, präsent sein und vor Publikum stehen. Derzeit bin ich auf Lesetour mit Kurz-Krimis von Ralf Kramp aus der Eifel. Dann habe ich ein Freundschaftsprogramm „Gedichte und Geschichten über die Liebe“, ein isländisches Programm und ein Weihnachtsprogramm, mit dem ich am 5. Dezember auf einer Matinee in der Kölner Volksbühne auftrete. Weitere Termine auf www.agentur-reisiger.de.

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