Direkt zum Inhalt
Das Ende der Blutspende-Diskriminierung?
Rubrik

Das Ende der Blutspende-Diskriminierung? Wird Australien zum Vorreiter auch für Deutschland?

ms - 26.07.2022 - 14:00 Uhr

Ähnlich wie in Deutschland gibt es auch in Australien nach wie vor Richtlinien, die das Blutspenden für schwule und bisexuelle Männer massiv einschränken. Die Debatte darum, ob solche Regelungen tatsächlich diskriminierend sind oder nicht, werden nach wie vor auch innerhalb der Gay-Community hitzig geführt. Wieder andere messen der gesamten Diskussion keine Wichtigkeit bei, während es gerade schwulen Aktivisten um eine grundsätzliche Entscheidung geht: Darf der Staat ganze Menschengruppen pauschal unter Verdacht stellen, anstatt auf die individuellen Gefahrenaspekte bei Menschen mit unterschiedlichen Sexualpartnern einzugehen – und das unabhängig von deren Sexualität.

Immer mehr Länder haben in den letzten Monaten ihre einstmals strikten Verbote oder Richtlinien wie ein mehrmonatiges Sex-Verbot für potenzielle schwule Blutspender – einstmals zur Eindämmung einer HIV-Übertragung gedacht – überarbeitet oder ganz gestrichen. In Deutschland gibt es indes noch immer eine Regelung, die das Recht einer Blutspende nur dann für schwule und bisexuelle Männer vorsieht, wenn diese in den letzten vier Monaten monogam gelebt haben. Verbände wie der Lesben und Schwulenverband Deutschland oder auch die FDP fordern seit längerem eine Streichung der aktuellen Richtlinien.

Nun könnte es Deutschland bald ähnlich ergehen wie aktuell Australien – in beiden Ländern werden die Blutreserven knapp und fordern sozusagen zwingend ein schnelles Umdenken. In einem ersten Schritt hat die australische Regierung deswegen das sogenannte "Rinderwahn"-Verbot aufgehoben, das Menschen, die zwischen 1980 und 1996 im Vereinigten Königreich waren, bisher verbot, Blut zu spenden. Hintergrund war der Versuch, die Ausbreitung des Rinderwahns unter Menschen zu stoppen. Inzwischen ist das Risiko einer Übertragung so weit abgesunken, dass das Verbot obsolet geworden ist – damit dürfen rund 750.000 Australier künftig auch wieder eine Blutspende abgeben.

Im Zuge dieser Neuordnung fordern nun mehrere LGBTI*-Verbände, auch die Richtlinien für spenderwillige Homosexuelle zu überdenken. Die bisherige Argumentation mit Blick auf die Gleichberechtigung von Schwulen hat sich dabei dahingehend geändert, dass die schlichte Blutknappheit jetzt ins Zentrum der Debatte gerückt ist. Thomas Buxereau, der Sprecher der LGBTI*-Kampagne “Let Us Give“ gegenüber dem Star Observer: "Laut Lifeblood ist der Blutvorrat in Australien gefährlich niedrig - unser Ziel ist einfach, den Bedürftigen durch Blutspenden zu helfen. Wenn Australien eine neue Politik einführt, die vorsieht, dass alle Vollblutspender unabhängig vom Geschlecht ihres Sexualpartners auf ihr individuelles Risiko hin untersucht werden, stehen zusätzliche 25.000 Liter Vollblut zur Verfügung, um das Leben von bedürftigen Australiern zu retten!"

Australien hat ganz ähnlich wie Deutschland erst 2021 seine sogenannten “Zölibats-Fristen“ für Homosexuelle von einem Jahr auf drei Monate verkürzt – nun scheint abermals Bewegung in die Sache zu kommen. Dr. David Irving, der Forschungsdirektor bei Lifeblood, erwägt inzwischen in einem offiziellen Statement, die Frist weiter zu verkürzen oder sogar ganz aufzuheben: "Wir werden die verschiedenen Aufschübe weiter prüfen. Aber ich denke, das Wichtigste, was wir tun sollten, ist, dass wir eine sichere Versorgung der Patienten mit Blut gewährleisten." Schafft so am Ende die Blutarmut mehr Gerechtigkeit für Homosexuelle? Australien könnte zur Blaupause für Deutschland werden – das Deutsche Rote Kreuz (DRK) warnte erst Mitte Juni davor, dass bei den Blutspenden in der Bundesrepublik eine “kritische Versorgungslage“ erreicht sei. In Deutschland sank die Zahl der Menschen, die Blut spenden, auf 3,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Rund 35 Prozent der Deutschen braucht indes mindestens einmal in seinem Leben eine Blutspende, so das DRK. Wie wäre es dann mit dem Blut von mehr als sechs Millionen Homosexuellen in Deutschland? Klingt nach einer spannenden Idee, oder? 

Auch Interessant

Erhöhte Gefahrenlage vor ESC

Reisewarnung zum ESC in Schweden

Im schwedischen Malmö herrscht erhöhte Gefahrenlage vor dem ESC. Der Sicherheitsrat Israels warnt vor einem Anschlag, die Polizei ist stark präsent.
Polens neue Wege

Umdenken in der Gesellschaft

Polens neue Regierung kämpft für mehr Rechte für Homosexuelle. Jetzt zeigt sich, die Unterstützung in der Bevölkerung dafür wächst immer mehr an.
Zu viel LGBTI* im TV?

LGBTI*-Charaktere im US-Fernsehen

Binnen eines Jahres gab es fast 20 Prozent weniger LGBTI*-Charaktere im US-Fernsehen. Ist der Markt übersättigt oder gibt es andere Gründe?
Tödliche Penisvergrößerung

Bundesgerichtshof bekräftigt Urteil

Der Wunsch nach einem „monströsen Gehänge“ endete für einen Schwulen tödlich. Das Urteil gegen den Pfuscher der Penisvergrößerung ist nun rechtskräftig.
Einheitliche Haftbedingungen

EU-Komitee fordert bessere Regelungen

Seit Jahren lodert die Streitdebatte, wie mit Trans-Häftlingen umzugehen sei. Nun hat der Europarat seine Empfehlungen veröffentlicht.
Kleiner Schritt nach vorne

Tschechien ändert Partnerschaftsgesetz

Die gleichgeschlechtliche Ehe bleibt Homosexuellen in Tschechien weiterhin verwehrt, die Regierung verabschiedete nur geringfügige Verbesserungen.
Messerattacke in Bremen

Angriff auf YouTuberin Jolina Mennen

Die bekannte Trans-Influencerin Jolina Mennen wurde nach einem Disput gestern in einem Club in Bremen mit einem Messer attackiert und verletzt.