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LGBTI*-Menschen fliehen aus dem Land

Flucht aus Polen Lage im Süden und Osten von Polen verschlimmert sich radikal

ms - 17.08.2022 - 11:30 Uhr

Die Situation für Homosexuelle in Polen hat sich in den letzten Monaten weiter dramatisch verschlechtert – maßgeblicher Anteil trägt die immer schärfer werdende Rhetorik der polnischen Regierung gegenüber LGBTI*-Menschen insgesamt und gegen Schwule insbesondere. Das hat vor allem im stark konservativ und religiös geprägten Süden und Osten des Landes jetzt immer größere Auswirkungen, die Lage sei nach Aussage von Journalisten vor Ort so repressiv und gefährlich geworden, dass immer mehr LGBTI*-Menschen aus Polen fliehen.

Die Tagesschau hat mehrere der jüngsten Fälle dokumentiert und verzweifelte Homosexuelle interviewt, beispielsweise den 37-jährigen IT-Spezialisten Marcin Mernek aus Warschau, der jetzt mit seinem Freund nach Leipzig gezogen ist. Mernek erzählt, wie er viele Jahre auch als schwuler Mann friedlich in Warschau gelebt habe, bis sich mit der Machtergreifung der PiS-Partei die gesellschaftliche Situation immer mehr verschlechtert habe. "Der Präsident des Landes fand, es lohne sich, öffentlich zu sagen, wir seien keine Menschen, sondern eine Ideologie. Er überschaut nicht, wie vielen Menschen er damit Leid antut." Präsident Andrzej Duda fiel spätestens im Kampf um seine schlussendlich erfolgreiche Wiederwahl 2020 als stark homophob auf – auf zahlreichen Marktplätzen und bei Veranstaltungen hetzte er mit scharfer Rhetorik gegen Homosexuelle. Auch die gesamte LGBTI*-Bewegung sei laut Duda nicht viel mehr als ein “gefährliches Gedankengut“, welches Familien zerstöre und Kinder missbrauchen wolle. Duda folgte dabei strikt auch der Parteiführung, auch Parteichef Jaroslaw Kaczynski befeuerte immer wieder die Stimmung gegen homosexuelle Menschen. Konkret darauf angesprochen, erklärten Vertreter der PiS-Partei allerdings immer wieder, dass niemand etwas gegen Schwule oder Lesben habe, nur gegen die "LGBTI*-Ideologie".

Das Problem bleibt bestehen: Für immer mehr homosexuelle und queere Menschen sind Teile von Polen immer weniger bewohnbar, auch wenn das oberste polnische Gericht zuletzt urteilte, dass die berühmt-berüchtigten “LGBTI*-freien Zonen“, die mehrere Gemeinden und Regionen ausgerufen hatten, illegal sind. Zudem kommt diese Anti-LGBTI*-Politik dem Land inzwischen teuer zu stehen – die EU Kommission in Brüssel hat viele Fördermittel für solche homophoben Gemeinden gesperrt und zudem ein allgemeines Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das alles bleiben aber politische Bestrebungen, die von außen Druck auf die polnische Regierung aufbauen sollen, während der Hass und die Anfeindungen in den konservativen Regionen des Landes gegenüber LGBTI*-Menschen weiter befeuert werden und wachsen. Die Sündenböcke für ausbleibende EU-Gelder oder weitere juristische Repressalien sind auch schon ausgemacht: LGBTI*-Menschen. Für immer mehr Homosexuelle in Polen bleibt da aktuell nur die Flucht übrig, wollen sie ihr Leben ohne tägliche Angriffe und in Freiheit leben.   

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