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Britische HIV-Opfer bekommen Entschädigung
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Ein Ende des Blutskandals? 2023 könnten trotzdem weitere Forderungen auf die Regierung zukommen

ms - 18.08.2022 - 11:00 Uhr

Die britische Regierung hat jetzt beschlossen, im Zuge des größten Blutsspende-Skandals des Vereinigten Königreichs die Opfer mit einer Zahlung von umgerechnet rund 119.000 Euro pro Person zu entschädigen. Bereits bis Ende Oktober sollen die Zahlungen an die Überlebenden und die Hinterbliebenen ausgezahlt werden, wie die britische Regierung jetzt mitteilte. Damit soll auch ein dunkles Kapitel in der Geschichte Großbritanniens zeitnah abgeschlossen werden.

Zwischen den 1970er und 1990er Jahren hatten sich rund 2.400 Menschen im Vereinigten Königreich durch verunreinigte Bluttransfusionen mit HIV und Hepatitis C angesteckt. Die Blutkonserven waren dabei direkt vom staatlichen Gesundheitsdient National Health Service (NHS) ausgegeben worden. Der NHS hatte damals aufgrund eines Mangels in Großbritannien einen Großteil dieser Blutreserven aus den Vereinigten Staaten von Amerika erhalten. Der Skandal hatte mit dazu beigetragen, dass Homosexuelle sowie bisexuelle Menschen viele Jahre lang gänzlich von einer Blutspende ausgeschlossen wurden. "Die moralische Verpflichtung zur Entschädigung steht außer Zweifel", so Brian Langstaff, der Vorsitzende der zuständigen Untersuchungskommission. Bereits im vergangenen Monat hatte er gefordert, die Entschädigungen sofort auszuzahlen und nicht weiter zu warten. Der noch amtierende Premierminister Boris Johnson erklärte in dieser Woche, dass die Opfer und ihre Hinterbliebenen die Zahlungen schnellstmöglich erhalten würden und räumte dabei allerdings auch ein, dass "nichts den Schmerz und das Leid der Betroffenen wiedergutmachen kann".

Großbritannien hofft, spätestens im nächsten Jahr endgültig den Fall abschließen zu können, ein Untersuchungsausschuss arbeitet seit 2017 an der lückenlosen Aufklärung des Skandals und will 2023 die Ergebnisse bekannt geben. Es ist dabei durchaus möglich, dass es zu weiteren Zahlungen kommen wird, denn nach wie vor stößt auf Kritik, dass Familienangehörige der Opfer nicht entschädigt werden. Offen sind auch noch weitere Haftungsfragen, zudem bestätigte ein britisches Gericht den Opfern, dass sie Anrecht auf Schadensersatz haben – es könnte also doch noch zu weiteren Forderungen kommen, die notfalls auch gerichtlich geklärt werden müssten. So bleibt der Blick auf einen Abschluss der Angelegenheit von Seiten der britischen Regierung vielleicht nur ein frommer Wunsch. Bereits frühere Untersuchungen hatten zudem offengelegt, dass die britische Regierung viel früher hätte handeln müssen. Das Versäumnis, im Bereich Blutkonserven von Importen aus dem Ausland abhängig zu sein, dürfte sich nicht mehr wiederholen.

Nach und nach sind in Großbritannien frühere Einschränkungen und Verbote für homo- und bisexuelle Männer, entstanden im Zuge des Blutspende-Skandals und der HIV-Epidemie, wieder gelockert worden. Seit Mitte 2021 dürfen Schwule auch dann wieder Blut spenden, wenn sie in den vergangenen drei Monaten ein aktives Sexualleben geführt haben – vorausgesetzt, es handelte sich dabei nur um einen Partner. LGBTI*-Organisationen sehen darin – ähnlich wie in Deutschland – noch immer eine Diskriminierung sowie eine pauschale Vorverurteilung von homosexuellen Männern und fordern eine Neuregelung, wie in anderen Ländern, die nur noch das Sexualleben bei der Frage um eine Blutspende abfragt, unabhängig von der sexuellen Orientierung eines Spenders.

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