Vereinte Nationen und Self-ID Frauen- und LGB-Verbände kritisieren UN-Umgang mit Schwulen und Lesben
Die Debatte der letzten Tage rund um die geplanten neuen Selbstbestimmungsgesetze wie zuletzt in Schottland erreicht jetzt die Vereinten Nationen in Genf (UN) – über 45 Frauen- und LGB-Verbände sowie LGB-Aktivisten haben jetzt offiziell eine formelle Beschwerde bei der UN eingelegt. Im Zentrum der Kritik steht Victor Madrigal-Borloz, der unabhängige UN-Experte für sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. Nach Ansicht der Beschwerdesteller dränge Madrigal-Borloz die Länder der Vereinten Nationen einseitig zur Einführung einer Self-ID, ohne dabei auf Risiken oder Gefahren solcher Gesetzesvorhaben eingehen zu würden.
Debatte von Schottland bis zur UN
Die formelle Beschwerde kommt nur Tage, nachdem England das Selbstbestimmungsgesetz in Schottland gestoppt hat – seitdem wird das Zerwürfnis innerhalb des Vereinigten Königreichs immer größer. Die Debatte darüber erreichte inzwischen auch Deutschland; hier möchte die Ampel-Koalition in diesem Jahr ein ähnliches Selbstbestimmungsgesetz einführen, welches es Menschen ab 14 Jahren künftig ermöglichen soll, ihren Personenstand offiziell ändern zu können. Zeitungen wie die Welt forderten zuletzt eine offene Debatte über dieses Thema in Deutschland.
Internationale LGB-Verbände unterstützen Vorhaben
Eingebracht worden ist die offizielle Beschwerde bei der UN von der LGB Alliance Großbritannien, ein Verein, der sich explizit für die Rechte von Schwulen, Lesben und Bisexuellen einsetzt. Kritiker werfen der Organisation vor, aufgrund ihrer Forderungen bezüglich der Einhaltung von Schutzräumen für Frauen transphob zu sein. Zu den Unterzeichnern der Beschwerde gehören neben mehreren LGB-Organisationen aus Australien, Neuseeland, Deutschland oder Kanada auch diverse Frauenschutz-Vereine und ihre Vertreter, beispielsweise das European Network of Migrant Women, die Italian Coordination of the European Women’s Lobby oder auch die Women’s Declaration International. Weitere Frauenvereine und ihre Vertreterinnen kommen aus Thailand, Indien, Spanien oder auch Großbritannien.
Auch die Vorstände mehrerer lesbischer oder schwuler Vereine wie der Lesbian Rights Alliance oder dem Gay Men’s Network haben sich der Beschwerde angeschlossen so wie auch einzelne prominente Stimmen aus der LGBTI*-Community wie beispielsweise Ángeles Álvarez, die erste offen lesbische Parlamentarierin in Spanien, die indische Filmemacherin Vaishnavi Sundar oder auch der niederländische Gay-Aktivist R. J. Preece.
Keine Pläne zum Kampf gegen Diskriminierung?
Neben der einseitigen Sichtweise auf das Thema Self-ID werfen die Organisationen und Unterzeichner dem UN-Experten Madrigal-Borloz zudem vor, dass er die Rechte von Schwulen und Lesben nicht ausreichend vertreten würde: „Er hat keinen Plan vorgeschlagen, um der weltweiten Diskriminierung und Gewalt, die sich gegen Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung richtet, entgegenzuwirken. Er besteht wiederholt darauf, dass die geschlechtliche Selbstidentifizierung keine Gefahr für die Rechte von LGB-Personen und Frauen darstellt, obwohl das Gegenteil umfassend belegt ist. Er weist nicht nur die ihm vorgelegten Fakten zurück, sondern stellt auch das Recht falsch dar und behauptet so fälschlicherweise, internationale Menschenrechtsgesetze würden die Einführung der geschlechtlichen Selbstidentifizierung vorschreiben“, so ein Ausschnitt der Stellungnahme.
Keine Kooperation mit LGB-Verbänden?
Ein weiterer Vorwurf gegenüber Madrigal-Borloz ist, dass er sich weigere, mit schwul-lesbischen Organisationen weltweit zusammenzuarbeiten, wenn diese Kritik an Vorhaben wie einer Self-ID formulieren und nicht dem “Glaubenssystem“ (‚Transfrauen sind Frauen, Transmänner sind Männer, nicht-binäre Identitäten sind valide.‘) anhängen würden, so die Verbände weiter. Das Schreiben richtet sich direkt an den Präsidenten des UN-Menschenrechtsrates Václav Bálek und in Kopie unter anderem auch an UN-Generalsekretär Antonio Guterres: „Bitte lassen Sie uns wissen, ob die Vereinten Nationen inzwischen der Ansicht sind, dass lesbische, schwule und bisexuelle Menschen, die sich nicht zu diesem Glaubenssystem bekennen, keinen Schutzanspruch vor den Vereinten Nationen mehr haben. Es wäre gut, zu wissen, ob wir immer noch zur globalen Familie der Vereinten Nationen gehören oder nicht.“ Eine Antwort seitens der Vereinten Nationen steht noch aus.