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Länderkammer verweigert verfassungsrechtlichen Antidiskriminierungsschutz

Grundgesetz für ALLE Länderkammer verweigert verfassungsrechtlichen Antidiskriminierungsschutz

km - 01.06.2021 - 16:30 Uhr

Länderkammer verweigert verfassungsrechtlichen Antidiskriminierungsschutz für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen.

Die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in der Sitzung des Bundesrats einen Gesetzesentwurf zur Ergänzung von Artikel 3 im Grundgesetz eingebracht. Danach sollte zukünftig auch niemand mehr aufgrund „seiner sexuellen und geschlechtlichen Identität“ diskriminiert werden. Die Länderkammer hat es abgelehnt, den Gesetzesentwurf in den Bundestag einzubringen.

Dazu erklärt Axel Hochrein, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD): „Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist enttäuscht, dass die Länderkammer es heute versäumt hat, ein deutliches Signal für die Ergänzung von Artikel 3 im Grundgesetz und einen verfassungsrechtlichen Antidiskriminierungsschutz für LGBTI* zu senden. Nun liegt es an der Regierungskoalition, ein inklusives Grundrechteverständnis auch im Verfassungstext zu verankern. In der Bundestagsdebatte vom 21. Mai haben Abgeordnete von SPD und Union versprochen, sich in ihren Fraktionen für eine Ergänzung einzusetzen. Und verwiesen auf die letzten beiden Sitzungswochen vor der Bundestagswahl. Diese Hoffnungen sollten nicht enttäuscht werden!“
 
Mit dem Grundrechtekatalog hat sich unsere Demokratie souverän selbst rechtsstaatliche Grenzen gesetzt. Die Grundrechte limitieren auch demokratisch ermächtigte Mehrheiten. Sie schützen die Freiheit und das Recht auf Verschiedenheit in Gleichheit. Allerdings blieb 1949 der Katalog der speziellen Diskriminierungsverbote in Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes unvollständig.
 
Sexuelle und geschlechtliche Identität sind dort nicht erwähnt. Das wirkt sich bis heute negativ auf die Lebenssituation von LGBTI* aus. Wer dort nicht genannt wird, läuft Gefahr, in der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit ignoriert zu werden. So musste das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Jahren immer wieder gegenüber diskriminierendem staatlichem Handeln korrigierend eingreifen, um den Grundrechten von LGBTI* auf Gleichbehandlung und freie Entfaltung der Persönlichkeit Geltung zu verschaffen.

Kürzlich lehnte die Große Koalition bereits einen Gesetzesentwurf zur Reform des Transsexuellengesetzes (TSG) ab und versagte so transgeschlechtlichen Menschen jede Unterstützung bei der geschlechtlichen Selbstbestimmung. Auf dem bunten Auge der Vielfalt scheint die Regierung blind, wenn es um echte Veränderungen geht.
 
Anlässlich des Tages des Grundgesetzes übergaben Vertreter*innen der Initiative „Grundgesetz für alle“ am 21. Mai 2021 in Berlin den Fraktionsspitzen von Union, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mehr als 80.000 Unterschriften für eine explizite Ergänzung von Artikel 3 GG für einen verlässlichen Schutz der sexuellen und geschlechtlichen Identität durch das Grundgesetz.

Zu einer Debatte zu diesem Thema kam es leider nicht, denn es wurde kurzerhand von der Tagesordnung gestrichen. Ein ähnliches politisches Taktieren rund um LGBTI*-Rechte haben wurde schon vor einigen Jahren bei der "Ehe für Alle" angewendet. Und auch vor Kurzem bei der „Reform des Abstammungsrechts (SCHWULISSIMO berichtete).

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