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Alle Bücher über LGBTI*-Themen vernichtet // © victorass88
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Alle Bücher über LGBTI* vernichtet Texas will queere Lebensweisen für Schüler unsichtbar machen

ms - 24.03.2022 - 13:00 Uhr

Es muss an diesen Temperaturen im Sommer liegen, dieser unbändigen Hitze und den sengenden Sonnenstrahlen, die Texanern anscheinend gerne einmal das Hirn verbrennt. Dabei zeigt sich seltsamerweise, dass vor allem konservative und republikanische Menschen in besonderem Maße darunter leiden. Vielleicht wäre das einmal aus anthropologischer Sicht eine Untersuchung wert? Haben Republikaner eine dünnere Knochendichte am Kopf? Oder warum platzt ihnen so oft der selbige, sobald sie auf queeres Leben treffen?

NBC News hat jetzt in Zusammenarbeit mit der Nachrichtenagentur ProPublica und der Texas Tribune einen besonders drastischen Fall von Queerfeindlichkeit aufgedeckt – belegt durch geheime Tonaufnahmen. Auf diesen Aufnahmen von Januar 2022 ist zu hören, wie sich der Superintendant eines weitläufigen Schulbezirks in Nordtexas (Granbury Independent School District) gegenüber einer Gruppe von Bibliothekaren äußert. Zunächst betont jener Superintendant namens Jeremy Glenn, dass sein Bundestaat und speziell Nordtexas eine stark konservativ geprägte Region sei, bevölkert zu 80 Prozent von treuen Trump-Anhängern. Wer kein Freund des Ex-Präsidenten sei, der „möge das hier besser verstecken!“

Angeheizt durch die landesweit geführten Diskussionen der letzten Monate, zu welchen Unterrichtsstoffen und Themen Schülern in Texas künftig überhaupt noch Zugriff gewährt werden solle, entschied Glenn, dass alle Bücher mit LGBTI*-Themen aus den Bibliotheken verschwinden sollen. Ganz gleich, ob darin beispielsweise über eine queere Lovestory geschrieben oder schlicht sachlich über LGBTI* oder das Coming Out aufgeklärt wird.

Hinter den verschlossenen Türen in Granbury südwestlich von Dallas sagte er zu den Bibliothekaren: "Es gibt zwei Geschlechter. Es gibt ein männliches und ein weibliches. Und ich gebe zu, dass es Männer gibt, die sich für Frauen halten. Und es gibt Frauen, die denken, sie seien Männer. Und wie gesagt, ich habe kein Problem damit, was die Leute glauben wollen, aber in unseren Bibliotheken ist kein Platz dafür!" Explizit wies er die Schulmitarbeiter dann an, alle Bücher mit einem LGBTI*-Thema zu entfernen, wobei ihm die trans-Community ein besonderer Dorn im Auge zu sein schien:

"Ich werde mit Ihnen noch einen Schritt weiter gehen. Worauf wir genau hinauswollen, ist, nennen wir es beim Namen, und ich bringe vieles davon auf den Punkt:  Es geht um Transgender, LGBTI* und das Geschlecht - Sexualität - in Büchern. Ich möchte nicht, dass ein Kind ein Buch über Homosexualität oder sonstige Sexualität in die Hand nimmt und in unseren Bibliotheken liest, wie man sich sexuell vergnügt!“

In den folgenden zwei Wochen begann der Schulbezirk dann mit einer der größten Buchvernichtungen des Landes und zog rund 130 unterschiedliche Titel aus den Bibliotheksregalen – fast alle befassten sich mit queerem Leben. Zudem verschwanden auch Bücher zum Thema Rassismus, Sexualerziehung, Abtreibung und Frauenrechten. Im weiteren Verlauf räumte die Schulbehörde zudem allen Verwaltungsmitarbeitern weitreichende Befugnisse ein, auch künftig alle Titel zu entfernen, die sie für unangemessen halten - ohne formale Überprüfung und ohne dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird. Auf Rückfrage von NBC News erklärten mehrere Rechtsexperten, dass der gesamte Vorgang verfassungsrechtlich „stark bedenklich“ sei.

Auch mehrere Menschenrechts- und LGBTI*-Organisationen kritisierten das Verfahren und erklärten, dass es sich hier ganz klar um Diskriminierung von LGBTI*-Menschen handeln würde. Der Superintendant selbst ist sich dabei auch weiterhin keiner Schuld bewusst, er erklärte auf Rückfrage, dass all diese Bücher keinen „akademischen Zweck“ hätten, nicht altersgerecht wären und nur ein politisches Narrativ fördern würden. Dabei wiederholte Glenn abermals seine Ansichten gegenüber der LGBTI*-Community, wie er es bereits 2014 in einem Buch offengelegt hatte. In einem Abschnitt schrieb er, dass diejenigen, die auf eine breitere Akzeptanz "alternativer Lebensstile" und anderer kultureller Veränderungen drängen, dies durch die Indoktrination von Kindern in den Schulen tun, wie es "Hitler getan hat, als er Deutschland übernahm.“

Er ermahnte im weiteren Verlauf Schulleiter, sie sollten sich nicht unter Druck setzen lassen, um "die Forderungen von Erwachsenen mit alternativem Lebensstil anzuerkennen. Als Schulleiter müssen Sie stark und mutig sein, um dem Ansturm des Feindes standzuhalten. Ihr Land und die Zukunft Ihrer Kinder stehen auf dem Spiel.“

Abschließend lässt sich festhalten, dass der texanische Superintendant eindeutig zu viel texanische Sonne abbekommen hat. Tragisch indes bleiben zwei Dinge: zum einen die Tatsache, dass er auch weiterhin die Aufsicht über rund 7.400 Schüler in seinem Bezirk hat und zum anderen, dass die gesamte Aktion für ihn folgenlos bleiben wird. In Amerika sind Buchvernichtungen kein Alarmsignal für die restliche Bevölkerung, sie sind inzwischen wohl normaler Alltag an den Schulen geworden. Wer etwas dagegen hat, möge sich an Glenns mahnende Worte zu Beginn erinnern: „Verstecken sie das besser!“

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