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Das deutsche Schweigen
Rubrik

Das deutsche Schweigen Peinliche Stille seitens der Ampel-Koalition

ms - 04.04.2023 - 12:30 Uhr

Wo bleibt Deutschland? Mit dieser einfachen Frage richtet sich jetzt auch der Lesben- und Schwulenverband erneut an die Bundesrepublik. Die Ampel-Koalition ließ bereits die ursprüngliche sechswöchige Frist verstreichen, um sich der Klage der EU-Kommission gegen das homophobe Hassgesetz anzuschließen, das 2021 in Ungarn eingeführt worden war – es verbietet Schulen und Medien, Homosexualität oder auch queere Themen zu thematisieren, wenn Minderjährige dies mitbekommen könnten. Ein de facto direktes Sprechverbot über Schwule und Lesben.

Klares Bekenntnis für LGBTI*-Rechte?

Deutschland hatte mit rund zwanzig anderen EU-Staaten bereits 2021 das Gesetz scharf kritisiert – allerdings ohne Konsequenzen zu ziehen. Nach Druck mehrerer internationaler LGBTI*-Verbände reichte die EU-Kommission nun offiziell Klage gegen Ungarn ein. Erstmals in der Geschichte schloss sich einem solchen Verfahren nun auch das EU-Parlament an, um ein klares Statement gegen LGBTI*-Hass zu setzen. Zuletzt erklärte Schweden in dieser Woche und heute Mittag Finnland, das Verfahren zu unterstützen, insgesamt elf EU-Mitgliedsstaaten sind aktuell dabei. Nur Deutschland schweigt noch immer eisern – warum nur?

Das Zaudern muss aufhören!

Am kommenden Donnerstag läuft die Möglichkeit final ab, sich an der EU-Klage unterstützend zu beteiligen. Henny Engels vom Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes dazu: „Das Zaudern der Bundesregierung zum Klageverfahren gegen das ungarische Anti-LSBTIQ*-Gesetz muss aufhören. Die Bundesregierung sollte sich dem Koalitionsvertrag entsprechend auch in Europa klar und deutlich zu den Grundrechten von LSBTIQ* bekennen. Hier ist der Bundeskanzler gefordert. Wenn in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein Gesetz verabschiedet wird, das die öffentliche Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt de facto verbannt, darf Deutschland nicht schweigen. Die Ampelfraktionen haben vereinbart, dass sich Deutschland für eine EU einsetzen wird, die ihre Werte und ihre Rechtsstaatlichkeit nach innen wie außen schützt und entschlossen für sie eintritt. Diese Entschlossenheit braucht es jetzt!“

Grundlegende Menschenrechte werden verletzt

Bereits vor einem Monat hatte der LSVD sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eindringlich gebeten, dem Klageverfahren gegen Ungarn beizutreten. „Bisher haben wir keine Antwort oder Reaktion erhalten. Der von der Bundesregierung angekündigte queer-politische Aufbruch muss sich auch in der Europapolitik widerspiegeln. Die Mitgliedsstaaten der EU, vor allem Deutschland, sollten Viktor Orbán jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof deutliche Grenzen aufzeigen. Nach Auffassung der EU-Kommission verstößt das ungarische Gesetz gegen die europäische Grundrechtecharta, insbesondere die Menschenwürde, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf Nichtdiskriminierung. Die Verstöße wiegen dabei so schwer, dass das Gesetz aus Sicht der Kommission die grundlegenden Werte der Europäischen Union verletzt.“

Urteil ist europaweit wichtig

Der LSVD habe dabei große Hoffnung darin, dass der Europäische Gerichtshof sich für die Rechte von Homosexuellen und queeren Menschen einsetzen wird. Engels weiter: „Dieses Urteil ist nicht nur wichtig, um das ungarische Gesetz aufzuheben, sondern auch, um zu verhindern, dass ähnliche Gesetze in anderen EU-Mitgliedstaaten wie Polen oder Rumänien erlassen werden. Dieses Gerichtsverfahren ist eine einmalige Gelegenheit für uns alle, gemeinsam eine klare Botschaft zu vermitteln: Wir stehen für unsere EU-Werte der Inklusion, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.“ Das Schweigen und Zögern der Bundesrepublik kann gerade mit Blick auf die immer wieder erklärte LGBTI*-Politik der Ampel-Koalition kaum mehr anders denn als peinlich gewertet werden.  

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