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Klammheimlich hat Georgia auch ein „Don´t Say Gay“-Gesetz eingebracht // © aimintang
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Nächster US-Bundestaat Das Gesetz – ein schlimmes Pamphlet aus Queerfeindlichkeit und Rassenhass

ms - 11.03.2022 - 13:31 Uhr

Die Befürchtungen der LGBTI*-Community in den USA könnten sich tatsächlich bewahrheiten – 2022 könnte sich zum schlimmsten Jahr seit langem für queere Menschen entwickeln. Klammheimlich im Schatten der großen Debatten rund um die queerfeindlichen Gesetze in Florida und Texas dieser Tage, hat der Bundesstaat Georgia jetzt ein Gesetz in die Staatsversammlung eingebracht, das eine beinahe textgleiche Kopie des fatalen „Don´t Say Gay“-Gesetzes aus Florida ist.

Allerdings, soviel muss man den Republikanern des schönen Bundesstaates im Südosten der USA zugestehen – ihr Gesetzentwurf ist sogar noch ein bisschen perfider und hasserfüllter. Der Gesetzentwurf (SB 613), eingebracht von der Senatorin Carden Summers, ist nicht nur ein direkter Angriff auf die LGBTI*-Community, sondern auch eine Kampfansage für die schwarze Bevölkerung der Region.

In einer einzigen Gesetzesvorlage werden so Einschränkungen für eine Vielzahl von Themen festgelegt, die derzeit republikanische Gesetzgeber in den Parlamenten des ganzen Landes ins Visier genommen haben. Das ist schon eine Leistung. Chapeau! So wird behauptet, dass Pädagogen "in unangemessener Weise die Geschlechtsidentität mit Kindern diskutiert haben, die noch nicht das Alter der Diskretion erreicht haben. Eine solche Fokussierung auf Rassen- und Geschlechtsidentität und die daraus resultierende Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit und nationaler Herkunft ist für das Gefüge der amerikanischen Gesellschaft zerstörerisch.“

Im weiteren Text wurde sogar direkt ein Wortlaut aus dem ersten Entwurf des "Don't Say Gay"-Gesetzes aus Florida geklaut:

"Keine private oder nicht-öffentliche Schule oder kein Programm, auf das dieses Kapitel Anwendung findet, darf die Diskussion über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität im Unterricht in den ersten Klassenstufen oder in einer Weise fördern, die nicht dem Alter und der Entwicklungsstufe des Schülers angemessen ist."

 

Das Pikante dabei: Selbst dem homophoben Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, ging diese Version zu weit, denn – blickt man genau hin – würde dies bedeuten, dass schon eine „Diskussion“ über LGBTI*-Themen auch explizit abseits des Unterrichts eine Straftrat wäre. Zudem ist auch der schwammige Begriff der „ersten Klassenstufen“ eine sehr frei interpretierbare Beschreibung. Bemerkenswert ist weiter, dass die Gesetzgebung in Georgia darauf abzielt, den Lehrplan auch in privaten Einrichtungen zu regulieren – das war bisher oftmals noch die heile Kuh, die kein Politiker anrühren wollte. Der aktuelle Gesetzesentwurf mit dem geradezu bösartig doppeldeutigen Titel „Common Humanity in Private Education Act (Gemeinsame Menschlichkeit im privaten Bildungswesen)“ würde im Falle seiner Verabschiedung auch für alle privaten Schulen gelten, die staatliche Mittel erhalten.

Es kommt dabei noch besser – der Gesetzentwurf stellt sich auch ganz explizit gegen die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus, der immer noch in den USA stark präsent ist. In Amerika nennt man dies die sogenannte „kritische Rassentheorie“, die auf die, durch Rassismus verursachten Nachteile im Bildungswesen aufmerksam machen und jenen gezielt auch entgegentreten will. Es geht darum, die Sünden der Vergangenheit und der Gegenwart zu sehen und anzuerkennen – Konservative halten gerade dies für rassistisch und haben die Angst, eine kritische Auseinandersetzung mit dem landesspezifischen Rassismus würde Schüler dazu bringen, die Vereinigten Staaten zu hassen.

Das dürfe natürlich nicht sein und so lässt Senatorin Carden Summers im Gesetzentwurf ferner festhalten: "Immer mehr private und nicht-öffentliche Schulen in Georgia haben Lehrpläne und Programme eingeführt, die auf der kritischen Theorie basieren. In der Praxis haben diese Entwicklungen dazu geführt, dass Privatschulen Schüler, Personal und Eltern nach ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, Rasse und nationaler Herkunft trennen; dass sie Schüler dazu zwingen, Sprache und Einstellungen anzunehmen, die Rassentrennung und Diskriminierung fördern; und dass sie das Konzept fördern, dass es eine Hierarchie von Unterdrückern und Unterdrückten gibt und dass die Rasse, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, die Hautfarbe oder die nationale Herkunft eines Menschen unwiderruflich seinen Platz in dieser Hierarchie bestimmt."

Kurzum gesagt, nicht viele Amerikaner sind rassistisch, sondern erst die Auseinandersetzung mit Rassismus und dem Hass auf LGBTI* würde Menschen rassistisch und homophob machen. Die Opfer-Täter-Umkehr ist ein beliebtes Spiel unter Republikanern, dabei mutet es allerdings etwas arg seltsam an, dass ausgerechnet nun auch Georgia sich hier so klar gegen dunkelhäutige Menschen positioniert – der Bundesstaat wirbt an anderer Stelle sehr gerne mit dem Martin Luther King Jr. National Historical Park, ein großes Areal inmitten der Hauptstadt Atlanta mit tief historischer Bedeutung, in dem sich zahlreiche Einrichtungen dem Leben und Wirken von Bürgerrechtler Martin Luther King widmen. Auch die Grabstätte des afroamerikanischen Amerikaners findet sich dort.

Ähnlich wie in Texas und Florida mag auch dieses Gesetz das Ziel haben, die konservative Wählerschaft zu motivieren – Ende Mai finden in Georgia die Vorwahlen statt, im November die landesweiten Parlamentswahlen. Das alles ändert aber nichts daran, dass die Gefahr trotzdem sehr groß ist, dass der Gesetzentwurf tatsächlich auch umgesetzt werden wird. Im Kern würde dies bedeuten, dass künftig weder Lehrer noch Schüler über LGBTI* oder Rassismus reden dürfen.

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