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Klage gegen „Don´t Say Gay“ eingereicht // © ajr_images
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Klage gegen „Don´t Say Gay“ eingereicht Verlieren LGBTI*-Aktivisten letzte Chance auf Gerechtigkeit?

ms - 04.04.2022 - 14:30 Uhr

Es wirkt ein wenig wie eine letzte Verzweiflungstat – eine Gruppe von LGBTI*-Schülern reichte jetzt zusammen mit den LGBTI*-Organisationen Equality Florida, Family Equality und dem National Center for Lesbian Rights eine 80-seitige Klageschrift beim US-Bezirksgericht ein, mit der sie die Rechtmäßigkeit des sogenannten „Don´t Say Gay“-Gesetzes in Florida anfechten wollen. Gouverneur Ron DeSantis hatte trotz heftiger Proteste den Gesetzestext unterschrieben, sodass es ab Juli verboten ist, an Grundschulen über LGBTI*-Themen zu sprechen.

In der Klageschrift heißt es nun: „Das Gesetz ist ein ungesetzlicher Versuch, LGBTI*-Personen in Floridas öffentlichen Schulen zu stigmatisieren, zum Schweigen zu bringen und auszulöschen." Dieses Gesetz verstoße gegen den Ersten Verfassungszusatz, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie den Vierzehnten Verfassungszusatz, der gleichen Schutz vor dem Gesetz garantiert, und schlussendlich auch gegen den gesetzlich verankerten Schutz für LGBTI*-Schüler. "Dieser Versuch, junge Köpfe durch staatliche Zensur zu kontrollieren und das Leben von LGBTI*s zu erniedrigen, indem ihre Realität geleugnet wird, ist ein schwerwiegender Machtmissbrauch", so weiter im Klagetext.

Ein zusätzlicher Kritikpunkt ist die sehr schwammige Auslegungsmöglichkeit des Gesetztextes, der sich zwar im Kern an Grundschulen richtet, aber weit darüber hinaus Anwendung finden könnte – je nach individueller Auslegung. So verbietet das neue Gesetz ab der vierten Klasse dann nicht mehr explizit LGBTI*, sondern Themen, die nicht „altersgerecht und entwicklungsgerecht“ sind. Eine genauere Definition, was konkret damit gemeint sein könnte, gibt es nicht. Somit lade das Gesetz gerade dazu ein, LGBTI*-Menschen auch nach der Grundschule weiter zu diskriminieren und gibt konservativen Eltern die Möglichkeit, durch die Androhungen von Klagen weiter gezielt Zensur an den Schulen auszuüben, wenn ihnen ein Unterrichtsstoff nicht gefällt.

Des Weiteren lässt das Gesetz auch viele andere Fragen offen, beispielsweise, ob es einem Kind künftig überhaupt erlaubt sein wird, in der Schule von seinen Eltern zu erzählen, wenn diese homosexuell sind. Eine andere, ungeklärte Angelegenheit lässt auch Lehrer künftig ins offene Messer laufen, wenn beispielsweise in ihrer Klasse ein queerer Schüler aufgrund seiner Sexualität gemobbt wird – darf der Lehrer dann überhaupt noch aufklären und darüber in der Klasse sprechen?

Nachdem einer der größten Arbeitsgeber und Steuerzahler des Bundestaates, Disney World, zu lange geschwiegen und dann nur halbherzig auf den queerfeindlichen Gesetzentwurf reagiert hatte, positionierte sich das Unternehmen nun klar gegen „Don´t Say Gay“. In einem offiziellen Statement erklärte der Konzern, dass er weiter gegen das Gesetz kämpfen wolle und solange auch keine Spenden mehr an die Republikanische Partei überweisen werde. 

Besteht also die Chance, dass final abgesegnete Gesetz doch noch in richterlicher Instanz zu stoppen? Bisher sieht es damit eher schlecht aus, denn ausgerechnet der US-Bezirksrichter Allen Winsor wird den Vorsitz in der Sache vor Gericht führen. Winsor ist für die LGBTI*-Community in den USA kein Unbekannter. Ernannt 2019 noch von Präsident Trump ist Winsor ein homophober Hardliner, der bis zuletzt dafür kämpfte, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Florida verboten bleibt.

Winsor hatte damals erklärt, dass es "eine klare und wesentliche Verbindung zwischen heterosexueller Ehe und verantwortungsvoller Fortpflanzung und Kindererziehung" gebe und dass die heterosexuelle Ehe eher zu "stabilen und dauerhaften Familien" führe als die gleichgeschlechtliche Ehe. Eine Legalisierung der Ehe für Homosexuelle wäre für ihn eine „Störung der bestehenden Ehegesetze in Florida“ und würde „der Öffentlichkeit erheblichen Schaden zufügen.“ Damals wurden seine Argumente vom ehemaligen US-Bezirksrichter Robert Hinkle als "offensichtlicher Vorwand für Diskriminierung" bezeichnet und abgewiesen. Nun sitzt Winsor selbst in dieser Position, sodass die Chancen extrem schlecht stehen, dass der Hardliner auch nur irgendetwas gegen das „Don´t Say Gay“-Gesetz unternehmen wird.

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