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Affenpocken: Harte Kritik an RKI // © IMAGO / Christian Ohde

Affenpocken: Harte Kritik an RKI Angst und Panikmache durch Warnung des RKI?

ms - 20.05.2022 - 15:30 Uhr

Der Tagesspiegel übt jetzt harte Kritik an der Kommunikation des Robert-Koch-Instituts (RKI) im Umgang mit der jüngst aufgetretenen Affenpocken-Virusinfektion, die sich über London aktuell schrittweise in ganz Europa auszubreiten scheint. Nach ersten Fällen in Großbritannien wurden gestern Infizierte in Portugal und Spanien diagnostiziert. Inzwischen sind weitere Fälle aus Kanada, den USA, Italien und Schweden bekannt geworden. Bisher verlaufen alle Erkrankungen milde.

 

Aktuell gibt es noch keine Klarheit darüber, warum in erster Linie homo- und bisexuelle Männer von der Virusinfektion betroffen sind. Der erste Fall aus London könnte demnach ein homosexueller Mann gewesen sein, der kurz zuvor in Nigeria gewesen war, so die ersten Nachforschungen der britischen Gesundheitsbehörde. Wahrscheinlich durch sexuelle Kontakte wurde die Virusinfektion so teilweise weitergetragen – eine konkrete Rückverfolgung der Infektionswege war bis dato nicht möglich.

Aktuelle Epizentren der Fälle sind die beiden Städte Madrid und Lissabon, wo es aktuell rund 50 bisher festgestellte Infektionen gibt.

 

Die Deutsche Aidshilfe warnt in diesem Zusammenhang vor Panikmache: „Natürlich gibt es bei den Affenpocken oberflächliche Ähnlichkeiten zu HIV damals – es ist wieder eine Erkrankung aus Afrika, die auch schwule Männer betrifft. Aber in vielen anderen Punkten passt der Vergleich nicht“, so Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält das Risiko für die Allgemeinbevölkerung derzeit für gering, da die Übertragung bislang nur bei sehr engem Kontakt passiert ist. Zudem ist es in der Vergangenheit bereits mehrfach vereinzelt zu Affenpocken-Infektionen in Europa gekommen. Wicht von der Aidshilfe warnt in diesem Zusammenhang vor einer erneuten Stigmatisierung von MSM (Männern, die Sex mit Männern haben).

 

Genau diese Stigmatisierung wirft nun der Tagesspiegel dem RKI vor – das Berliner Institut hatte gestern MSM empfohlen, beim Auftreten von „ungewöhnlichen Hautveränderungen unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen.“ Der Tagesspiegel hält dazu fest: „Dass das Robert-Koch-Institut (RKI) bei seinen öffentlichen Hinweisen mögliche gesellschaftliche Implikationen durchdenkt, das wäre wohl zu viel erwartet (…) Warum anderen Menschen, etwa heterosexuellen Frauen und Männern oder lesbischen Frauen, die solche Veränderungen an sich beobachten, solch ein Rat nicht gegeben wird, bleibt auch nach mehrmaligem Nachfragen beim RKI unklar. Die Erkenntnisse zu den Übertragungswegen von ´Affenpocken´ jedenfalls geben eine solche ausschließliche Empfehlung an nur eine Gruppe von Menschen nicht her.“

 

Grundsätzlich kann der Virus gleichermaßen auch auf heterosexuelle Menschen übertragen werden – warum es derzeit anscheinend beinahe ausschließlich zu einer Ausbreitung innerhalber von MSM kommt, ist zwar laut der britischen Gesundheitsbehörde auffällig, könnte sich aber vielleicht durch enge sexuelle Kontakte erklären lassen.

Der Tagesspiegel bezichtigt das RKI dabei indirekt, jene Ängste zu schüren, die seit dem Ausbruch der HIV-Pandemie noch immer tief verankert in weiten Teilen gerade der Gay-Community sind: „Dass es bei dieser Art der Warnung der Satz ´Affenpocken in Europa - Warnung an homo- und bisexuelle Männer´ in viele Überschriften schaffen würde, kann nicht wirklich überraschen. Und dass dies bei manchen Lesern verkürzt ankommen könnte als Botschaft: ´Affenpocken kriegen nur schwule und bisexuelle Männer´ auch nicht. Das ist übrigens nicht weit entfernt von der ´Schwulenseuche´, als die Aids Mitte der 1980er in die Schlagzeilen kam.“

 

Das RKI nimmt zu den Vorwürfen nicht Stellung und verweist darauf, dass das Institut generell keine Medienberichte kommentiere.

Das Affenpocken-Virus kann grundsätzlich durch engen Körperkontakt, Sexualverkehr aber auch durch die Luft übertragen werden. Die derzeit auftretende Variante ist dabei eine mildere Ausprägung des Pockenvirus. Eine generelle Impfung gegen die Affenpocken gibt es nicht, die amerikanische Seuchenbehörde CDC geht aber davon aus, dass existierende Pockenimpfungen auch bis zu 85 Prozent vor den Affenpocken schützen könnten.

Erste Symptome sind zumeist Fieber, Schüttelfrost und Muskelschmerzen sowie Kopf- und Halsschmerzen. Dazu Abgeschlagenheit sowie auch Hautauschläge, beginnend oftmals im Genitalbereich. Da es bisher keine nachverfolgbare Infektionskette gibt, wird derzeit spekuliert, ob das Virus bereits stärker in Europa verbreitet und bisher nur noch nicht als solches erkannt worden ist.

 

Update

Inzwischen wurde auch ein Fall in Deutschland (München) und Frankreich nachgewiesen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte dazu: “Es war nur eine Frage der Zeit, bis Affenpocken auch in Deutschland nachgewiesen werden. Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass das Virus nicht so leicht übertragbar ist und dass dieser Ausbruch eingegrenzt werden kann.Wir werden jetzt das Virus genauer analysieren und prüfen, ob es sich um eine ansteckendere Variante handelt.”

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