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Aids ist out – Affenpocken sind in?

Aids ist out Affenpocken sind in?

id - 30.11.2022 - 17:00 Uhr

Bereits mit dem Auftreten von Corona geriet eine andere Infektionskrankheit in Vergessenheit: Aids bzw. der HI-Virus. Die Corona-Pandemie hat die Maßnahmen gegen HIV/Aids zurückgeworfen, zum Beispiel weil Gesundheitssysteme überlastet waren. Auch die medikamentöse Versorgung wurde teilweise eingeschränkt oder unterbrochen. Zudem waren zum Beginn der Pandemie viele Hilfseinrichtungen wie beispielsweise Aidshilfen oder Selbsthilfegruppen plötzlich quasi nicht mehr vorhanden. Für viele Betroffene war dieses ein großes Problem. Nicht zu vergessen: HIV-Infizierte Menschen waren zusätzlich auch noch einer deutlich höheren Gefahr ausgesetzt, sich mit Corona zu infizieren und möglicherweise gar einen schweren Verlauf zu haben.
 
Als ob die Sache mit Corona nicht schon genug war traten plötzlich auch noch die Affenpocken (MPX) auf den Plan. Was viele allerdings nicht erwartet hatten, war, dass hier nicht nur eine weitere hochansteckende Krankheit im Vormarsch war, sondern vor allem, wie insbesondere die Medien und konservative Kreise damit umgingen. Plötzlich war von einer neuen Schwulenseuche zu lesen und hören. Ältere fühlten sich plötzlich wie in einem schlechten Backslash zurück in die achtziger Jahre, denn damals wurde ähnliches Vokabular auch in Bezug auf HIV & Aids verwendet. Dabei waren sich viele Menschen – vor allem in der LGBTI*-Community sicher, dass solche Zeiten hinter uns lägen.

Doch wo stehen wir heute? Weltweit leben etwa 38 Millionen Menschen mit HIV. Nur 75 % von ihnen hat allerdings Zugang zu wirksamen Medikamenten, das heißt, rund einem Viertel ist dieses „Privileg“ verwehrt. Seit Beginn der Epidemie sind 40 Millionen Menschen an den Folgen von Aids gestorben. Am stärksten betroffen ist dabei das südliche Afrika. Deutlich gestiegen sind die Zahlen der Infektionen in den letzten Jahren vor allem in Osteuropa und Zentralasien. Insgesamt sind die Zahlen der Neuinfektionen weltweit zwar hoch, allerdings konnten sie nach und nach kontinuierlich gesenkt werden. Gabe es im Jahr 2000 laut UNAIDS weltweit über 3 Millionen Neuinfektionen, so waren es im Jahr 2020 nur noch gut die Hälfte, nämlich 1,5 Millionen. Und auch die Zahl der Todesfälle durch Aids geht weltweit zurück. Laut UNAIDS starben 2020 rund 680.000 Menschen an den Folgen der Erkrankung – das sind mehr als 1,2 Millionen Menschen weniger als im Jahr 2005, dem Jahr mit den bisher meisten Todesfällen. Dieses gibt Hoffnung.

In Deutschland liegen derzeit noch keine aktuellen Zahlen beispielsweise zu den Neuinfektionen vor, aber man kann sicherlich davon ausgehen, dass sie sich auf einem ähnlichen Niveau befinden wie in den vergangenen Jahren. So meldete das RKI Ende 2020 rund 2.000 Neuinfektionen mit HIV. 97% der Menschen mit HIV-Diagnose in Deutschland sind in Therapie und nehmen HIV-Medikamente ein. Doch man geht nach wie vor von einer gewissen Dunkelziffer aus: Rund 9.500 Menschen in Deutschland wissen wahrscheinlich nichts von ihrer Infektion und erhalten deswegen keine Behandlung. Aus diesem Grunde ist es nach wie vor wichtig, sich vor allem als sexuell aktiver schwuler oder bisexueller Mann regelmäßig testen zu lassen oder die sogenannten Selbsttests durchzuführen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass eine frühe Entdeckung einer HIV-Infektion und eine damit einhergehende früh beginnende Therapie sehr erfolgreich sein kann. Das Stichwort hier ist „Schutz durch Therapie“. Dahinter verbirgt sich, dass man bei einer guten HIV-Therapie trotz des Virus im Körper für andere nicht mehr ansteckend sein kann. Neben dem klassischen Kondom und einer PrEP-Therapie also eine dritte Säule in Sachen Safer Sex.

 Auch die Auswirkungen durch die PrEP sind in Deutschland noch nicht ausreichend erforscht. Hierzulande erfolgte die Zulassung ja erst im September 2019, also nur wenige Monate vor dem Beginn der Corona Pandemie. Wenig überraschend, dass nicht nur in der Forschung plötzlich viele Ressourcen hierfür verwendet wurden. Belastbare Zahlen und Prognosen zu den Auswirkungen auf Neuinfektionen, die durch einen Schutz mit einer PrEP möglich sein könnten, sind wahrscheinlich erst in einigen Jahren zu erwarten.

Aber schauen wir noch einmal kurz zurück auf Corona vs. HIV. In einem Interview mit der Tagesschau anlässlich des Welt-Aids-Tages 2020 äußerte sich Christian Körner vom Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg zum Teil dazu eher hoffnungsvoll. Der Grund dafür? Eine neue Pandemie könnte immer auch Sogwirkungen auf andere wissenschaftliche Forschungen zu anderen Viren lenken. Von den Fortschritten könnten auch andere Felder, wie eben beispielsweise die HIV-Forschung, profitieren. „Für die HIV-Forschung betraf das nicht nur die Entwicklung von antiviralen Medikamenten oder potenziellen Impfstoffen, sondern auch unser Wissen über das Immunsystem selbst“, sagte damals Christian Körner. Hier liegt die Hoffnung bei vielen Wissenschaftlern und auch Aids-Aktivisten in aller Welt. Erkenntnisse, welche jetzt in Bezug auf Corona-Impfstoffe gewonnen wurden und noch werden könnten gegebenenfalls auch für die Forschung zu einem Impfstoff gegen HIV wichtige Aufschlüsse bringen.

Womit wird beim Thema mögliche Impfungen wären. Denn in Bezug auf die Affenpochen gibt es bereits eine wirkungsvolle Impfung. Jedoch ist der Impfstoff aktuell nur sehr begrenzt verfügbar. Deshalb werden bisher vorranging bereits infizierte Personen und besonders gefährdete Menschen geimpft. Hierzu zählen unter anderem auch sexual aktive Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). In Sachen Verfügbarkeit des Impfstoffes rechnet man in naher Zukunft aber mit einer deutlich verbesserten Verfügbarkeit.  Ein weiteres Problem derzeit ist allerdings noch, dass zum einen zu wenige Menschen, für die eine solche Impfung in Frage kommen würde, nicht genau wissen, wo sie diese bekommen könnten. Auch über mögliche Kosten sind viele nicht aufgeklärt. Denn das gute hier ist: Diese Impfung wird durch den Staat bzw. von den Krankenkassen komplett übernommen.  

Wichtig zu wissen wäre allerdings folgendes: Auch Menschen mit HIV können sich impfen lassen, solange ihre Helferzahl mindestens bei 100 liegt. Es wurde jedoch bei Personen mit schwächerem oder geschwächtem Immunsystem (100 bis 750 Helferzellen pro Mikroliter Blutplasma) beobachtet, dass die Impfwirkung geringer ausfallen kann.

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