Homosexualität im Fußball Wo liegt eigentlich das Problem?
Im Juni ist es wieder soweit. Das Runde muss in das Eckige. Deutschland arbeitet am Projekt: Titelverteidigung. Auf die bevorstehende Weltmeisterschaft bereiten sich nicht nur der DFB, unsere Mannschaft und Jogi vor, auch die LGBT-Fans überlegen, wie sicher es im homophoben Russland für sie ist. Doch es liegt nicht nur am Land, Homosexualität ist im Fußball ein allgemeines Tabu. Kaum ein Spieler ist geoutet. Dabei will der ehemalige Fußball-Profi Marcus Urban, von mindestens 25 schwulen Fußballern wissen. Er selbst outete sich schon 1994. „Dabei handelt es sich nur um Spieler, von denen ich es aus verlässlicher Quelle weiß. Es gibt viele Spekulationen, die nehme ich nicht auf meine Liste auf“, sagte er gegenüber der Zeitung „tz“.
2014 folgte das Outing von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger. Allerdings outete er sich erst nach der Beendigung seiner Profi-Karriere. Das hat auch Gründe, weiß der Schweizer Schiedsrichter Pascal Erlachner. Der Unparteiische outete sich 2017. "Es gibt ja Gründe, weshalb sich bisher nur wenige Fußballer geoutet haben und eigentlich alle ausschließlich nach ihrer Karriere." Auch er habe in seiner Zeit als Erst- und Zweitligaspieler stets geglaubt, seine Homosexualität verstecken zu müssen. „Gerade in der Fußballkabine ist es ein großes Problem, wenn man schwul ist. (...) Je älter ich wurde, desto schwieriger war es, mein Geheimnis zu wahren", sagte Erlachner gegenüber „Spiegel Online“. Bei den Schiedsrichtern fühle er sich nun wohler, als damals in der Fußballmannschaft.
Während etliche lesbische Fußballspielerinnen offen zu ihrer Ausrichtung stehen, verzichten schwule Fußballer auf ein Outing. Erlachner selbst hat die Erfahrung gemacht, dass „schwul“ sehr oft als Schimpfwort im Fußball verwendet wird. Sätze wie, „Spiel nicht so schwul“ und „Wirf den Ball nicht wie eine Schwuchtel“ seien normal im Training. Zu einem Fußballer gehören ein Macho-Image, Tattoos, schöne Frauen und schnelle Autos.
Auf der Internetseite „Reddit“ outet sich ein weiterer Fußballspieler, allerdings anonym. Unter dem Spitznamen „eckfahne“ schreibt er: „Ich bin Profifußballer in der 3. Liga, schwul und nicht öffentlich geoutet. Fragt, was ihr fragen wollt." Um seine Identität zu beweisen, will er einen Teil seines Vertrages ins Internet stellen und dabei seine persönlichen Daten unkenntlich machen. „eckfahne“ soll zwischen 20 und 25 Jahre alt sein und 9000 Euro bei seinem Club verdienen. Auf ein mögliches Outing reagiert er deutlich: „Das kann ich nicht.“ Es würde zwar "Aufmerksamkeit geben in den Medien und vielleicht sogar Rückendeckung, aber irgendwann ist das vorbei." Außerdem gibt er zu sogar eine Schein-Freundin zu haben. So spielt seine beste Freundin seine Partnerin und das sogar vor der eigenen Familie. Auch auf die Frage, welchen Nationalspieler er am attraktivsten findet, hat der Profi eine ehrliche Antwort: "Herr M. Neuer und auch Joshua Kimmich hat was. Allerdings hätte er sich die Kurzhaarfrisur nicht antun müssen. Hummels ist auch ganz nett." Auch „eckfahne“ plant ähnlich wie Hitzlsperger, sich erst nach seiner Karriere zu outen.
Doch was soll das eigentlich alles? Warum nur verfolgt der Fußball ein so konservatives und schlichtweg veraltetes Bild? Vor was oder wem haben die Profis solche Angst? Sind es die Fans, die Mannschafts-Kollegen oder der Vereins-Vorstand? Eigentlich sollte doch gerade im Profi-Fußball nur die Leistung zählen. Man kann nur hoffen, dass sich nach Thomas Hitzlsperger, Pascal Erlachner und Marcus Urban noch weitere Profis trauen und so vielleicht Mut machen. Die LGBT-Community würde sich über ein bisschen Fußball-Zuwachs sicher freuen.
Doch nicht nur Homosexualität ist im Fußball ein Tabu, scheinbar sind Minderheiten in der Männer-Domäne allgemein nicht so gern gesehen. Bibiana Steinhaus ist die erste und bisher einzige Schiedsrichterin, die deutsche Profifußball-Spiele im Männerbereich leitet. Viele haben sich über sie lustig gemacht und sie zu Beginn nicht ernst genommen. Doch mittlerweile konnte sie sich in zahlreichen Partien beweisen und zeigen, dass sie mindestens genauso gut ist, wie ihre männlichen Schiedsrichter-Kollegen. Im Iran sorgte Steinhaus zuletzt für Aufsehen. Das Bundesliga-Spiel des FC Bayern München gegen den 1. FC Köln wurde im iranischen TV ausgestrahlt. Blöd nur, dass es Frauen im Iran seit 37 Jahre verboten ist, in einem Fußballstadion ein Herrenspiel zu verfolgen. Und dann steht da Bibiana Steinhaus auf dem Fußballfeld, und das in einer tragenden Rolle. Die Macher des iranischen Staatsfernsehens zensierten Steinhaus kurzerhand.
So können wir wohl nur darauf hoffen, dass mehr junge Frauen sich dafür entscheiden Schiedsrichterinnen zu werden, und mehr Profi-Fußballer den Schritt wagen, sich zu outen. Vielfalt und Akzeptanz macht doch einfach so viel mehr Spaß.