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Ein Mann, ein Wort?
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SCHWULISSIMO sprach mit 7 Lesern Umfrage - Ein Mann, ein Wort?

vvg - 14.05.2023 - 17:00 Uhr

Andrè  

aus Köln

Wenn Menschen etwas Versprechen, ist es nicht immer so, dass sie das auch einhalten. Früher war es wohl noch anders, da hat man sich auf das Versprochene verlassen können; heute ist das leider nicht mehr der Fall. In der schwulen Welt ist es oft so, wenn es um den eigenen Vorteil geht, dass man sein Wort hält. Ist das nicht der Fall, wird ein gegebenes Wort schnell gebrochen.
Zum Beispiel Date: Man hatte sich verabredet und wird kurz vor knapp mit irgendwelchen Argumentationen abgespeist. „Es passt gerade nicht!“ oder „Mir ist leider etwas dazwischengekommen!“ Obwohl man diesen Menschen noch nie gesehen hat, haben sich vorangegangene Abmachungen und die Motivation auf einmal in Luft aufgelöst.

Ich glaube, das liegt an der Schnelllebigkeit in unserer Gesellschaft. Was man früher erst nach Tagen oder Wochen erfahren hat, erfährt man heute innerhalb von Sekunden. Im Minutentakt ändern sich Nachrichten und dadurch oft auch die Meinungen des Menschen. Man sitzt abends mit Freunden in der Bar und alle schauen nur aufs Handy, statt sich zu unterhalten. Dann muss man sich doch nicht treffen, wenn man nicht miteinander kommuniziert.

Nichtsdestoweniger sollte man sich dadurch nicht abstumpfen lassen und weiterhin im Leben positiv bleiben. Wenn sich jemand über ein nichteingehaltenes Versprechen ärgert, muss er sich halt überlegen, ob er mit diesem Menschen weiterhin Kontakt halten möchte, oder diesen lieber abbricht.

Ich persönlich bin auch kein Unschuldsengel und habe sicherlich schon mal mein Wort gebrochen; aber dann stehe ich dazu und kann mich entschuldigen. Ich habe es lieber, man sagt mir offen und ehrlich ins Gesicht, was man über mich denkt, als dass man hinterm Rücken über mich herzieht.

 

Klaus © vvg

Klaus   

aus München

Männer halten doch eigentlich nie, was sie versprechen. (lacht) und damit kann man immer wieder neue Erfahrungen machen. Ich habe sogar ein Beispiel: Ich bin aus dem Rheinland nach München gezogen und derjenige, der mit umziehen wollte, hat kurz vorher einen Rückzieher gemacht und mich alleine ziehen lassen. Zu dem Zeitpunkt war das mein Partner, durch den Umzug ist er das leider nicht mehr. Ich bin des Jobs wegen nach Bayern gezogen und er hatte versprochen, mit mir diesen Ortswechsel zu machen. Ich war natürlich sauer und traurig aber das war vor drei Jahren, die Zeit ist vorbei; es ist Gras darüber gewachsen.

Wenn ich selber mein Wort gebe, halte ich es. Natürlich kann es vorkommen, dass man zu einer verabredeten Zeit nicht pünktlich ankommt: sei es, man steht im Stau oder hat eine Panne - und mit Bus und Bahn ist eine pünktliche Ankunftszeit auch keine Garantie. Aber dafür gibt es Telefon und kann informieren und sich entschuldigen.

Zu Verabredungen im Internet kann ich nichts sagen, dass mache ich nicht. Ich mache das face to face; aber selbst da kann es passieren, dass man eine Absage erhält oder etwas Versprochenes aus irgendeinem Grunde nicht eingehalten wird.

Der Bayer an sich ist etwas verschlossener, da läuft mehr in Cliquen ab. Da findet man Kontakte eher über die Arbeit: Ich habe das Glück, in der Firma eine nette Schwulengruppe zu haben, dadurch habe ich weiteren Kontakt gefunden. Das klappt prima und sie sind alle sehr verlässlich. Trotz alledem vermisse ich meine Heimat; die Rheinländer sind einfach besser drauf und - laut einer Komödiantin - ist das Leben dort ungeschminkter. Und damit hat sie einfach Recht.

 

Markus & Raoul © vvg

Markus & Raoul   

aus Kaiserslautern

Nun, in den Dating-Portalen haben es Männer nicht gerade mit der Ehrlichkeit. Sie verabreden sich für ein Date und entweder erscheinen sie gar nicht oder sie sagen die Verabredung kurzfristig ab. Viele geben sich für jemanden aus, dem sie live gar nicht entsprechen. Um nicht als Fake aufzufliegen, halten sie die Verabredung nicht ein. Vielleicht sind sie auch älter, als sie im Netz angegeben haben. Sie merken gar nicht, dass sie sich im Grunde selbst belügen.

Ein anderes Beispiel: ich habe einmal Hilfe beim Umzug gebraucht und Freunde haben zugesagt, mir dabei zu helfen. Von fünf Mann, die zugesagt haben, sind dann zwei erst gar nicht gekommen. Sie haben sich zwar im Nachhinein entschuldigt, allerdings mit so fadenscheinigen Argumenten, dass ich nicht glaube, dass das der wahre Grund gewesen sein soll.

Wenn ich selbst etwas verspreche, halte ich mein Wort. Ich bin auch lieber zu früh, als zehn Minuten zu spät. Auch Raoul, mein portugiesischer Freund – bei denen man weiß, dass sie sich - wie viele Südländer - gerne mal etwas Zeit lassen, ist da - gegen die Regel - sehr gewissenhaft. Er arbeitet als Koch, und kann es sich gar nicht erlauben, zu spät am Arbeitsplatz zu erscheinen.

Ich persönlich finde es auch nicht gut, wenn Leute ihr gegebenes Wort nicht einhalten. Ich verlasse mich ja darauf und wenn sie das nicht einhalten, komme ich selbst in persönliche Schwierigkeiten. Entweder verliere ich unnötig meine Zeit, etwas fest Eingeplantes fällt dadurch buchstäblich ins Wasser oder ich kann mich auf zugesagte Hilfe nicht verlassen. Ich finde, das hat etwas mit Respekt dem anderen gegenüber zu tun, dem man sein Wort gegeben hat.

 

Martin © vvg

Martin  

aus Dortmund

Das ist ein schwieriges Thema, weil ich gerade dieses Thema in der Gesellschaft als sehr zwiespältig empfinde. Einerseits leben wir in einer immer schnelllebigen Zeit, in welcher schneller und kurzfristiger Absprachen getroffen werden können und müssen, ebenso ist es leichter geworden ist, Absprachen zu widerrufen durch die indirekten unpersönlichen Kontaktmöglichkeiten mit unseren modernen Kommunikationsmitteln. Andererseits erlebe ich aber auch eine größere Hingabe und Verbindlichkeit zu Themen, z.B. wenn es um Klima geht.

Ich selbst würde von mir behaupten, dass ich ein sehr verbindlicher und zuverlässiger Mensch bin. Ich bin extrem pünktlich und sehr, sehr verbindlich. Wenn ich fünf Minuten vor der Zeit da bin, empfinde ich es fast schon als zu spät. :-) Das ist sicherlich meinem bayrischen Elternhaus und der „alten Schule“ geschuldet mit der ich groß geworden bin. Selbst die vier Jahr, die ich in Berlin gelebt habe, haben daran nichts ändern können.

Schwule Kultur, vor allem was Dating-Kultur angeht, halte ich dagegen für sehr unverbindlich. Wenn es allerdings um Rückhalt, Hilfsbereitschaft und Unterstützung durch die Szene geht, habe ich bisher eine sehr große Verlässlichkeit erfahren.

In meinem Beruf als Fotograf, erlebe ich diese Unverbindlichkeiten zu 50%. Da ich meistens mit Laien und nicht mit professionellen Models arbeite, kommt es schon öfters vor, das trotz getroffener Absprachen das Shooting nicht stattfindet. Da könnte ich unzählige Entschuldigungen oder Ausreden anführen.

Zum Thema „Ein Mann - ein Wort“: Ich fände es gut, wenn man von diesen männlich dominierten Sprichwörtern und Lebensweisheiten abkommt, weil da so viel von Geschlechterungleichheit drinsteckt. Hält eine Frau ihr Wort denn nicht in vergleichbarer Weise? Also wäre wohl besser zu fragen: „Ein Mensch- ein Wort“.

 

Patrick © vvg

Patrick  

aus Koblenz

Durch unsere schnelllebige Gesellschaft sind besonders häufig Männer heutzutage immer noch unter Druck, „besonders“ zu sein. Sie glauben immer eine Schippe mehr geben zu müssen, als sie können, um sich zu beweisen. Das verleitet leider auch viele, sich in den Augen der anderen besser, leistungsfähiger oder besonderer darzustellen, als sie es vermeintlich oder wirklich sind. Dabei hat jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, doch etwas Wunderbares an sich.

Wer kennt es nicht: auf einmal triffst du am selben Abend gleich drei Manager von der gleichen großen Sängerin an der Bar.

Bei größeren Projekten, wie zum Beispiel beim CSD, den ich in Koblenz mitorganisiere, fällt es immer wieder auf: Viele männlich gelesene Menschen schreien als erstes: „Hier“, um sich für neue Aufgaben zur Verfügung zu stellen, ohne vielleicht das eigene Zeitbudget genau im Blick zu haben. Gleichzeitig waren und sind nach meiner Erfahrung weiblich gelesene Personen dagegen häufig sehr zurückhaltend, auf sich aufmerksam zu machen. Sie geben meist ihr Wort erst, wenn sie auch sicher sind, es halten zu können.

Jede/r sollte sich auch bei uns in der Community selbst immer kritisch hinterfragen, ob wir diesen Druck auf andere weitergeben. Lügen sind quasi die Schminke der Männer, wobei auch beim Schminken zum Glück die Geschlechterrollen immer mehr verschwimmen :-). Unterm Strich, „Ein Mann – Ein Wort“ – gilt grundsätzlich. Aber es müssen alle auch einmal die Chance bekommen, dieses unter Beweis zu stellen, um zu zeigen, dass es auch gehalten werden kann. Und wir alle sollten daran arbeiten, glaubhaft nur das Wort zu geben und die Aufgaben zu übernehmen, die wir auch erfüllen können.

 

Ralf © vvg

Ralf   

aus Bielefeld   

Mich stört, das Menschen – generell aber auch die Männer – Dinge versprechen und dann nicht mal den Schneid haben, Verabredungen einzuhalten oder rechtzeitig abzusagen. Ganz zu schweigen, sich im Nachhinein dafür zu entschuldigen. Das nervt mich einfach. Ein Beispiel aus der neusten Vergangenheit: Im Prinzip hätte ich gestern Abend ein Date gehabt. Diese Person wusste zwar im Vorfeld noch nicht ganz genau, ob es wirklich klappen würde, versprach aber, im vorher klar Bescheid zu sagen. Nach dem Nichterscheinen bin ich bis jetzt geghostet, was bedeutet, dass auf meine Anfragen gar nicht reagiert wird, ich sozusagen ein Geist bin. Wahrscheinlich wird sich diese Person irgendwann wieder einmal melden und so tun, als wäre nichts geschehen. Ich empfinde es so, dass man sich früher eher auf ein gegebenes Wort verlassen konnte. Heute zählt das nicht mehr.

Ein anderes Beispiel ist die Bettenbörse, die über meinen Sportverein läuft, in dem ich Volleyball spiele. Ist man zum Spiel bei einem Verein in einer anderen Stadt, so bietet man Übernachtungen an. Da ich selbst großzügig wohne, habe ich auch immer Gäste bei mir. Im Gegenzug wollte ich dieses Angebot der Bettenbörse einmal ohne Spiel nutzen und schrieb dazu einen Übernachtungsgast von mir an. Obwohl ich weiß, dass derjenige meine Nachricht gelesen hat, erhielt ich nicht einmal eine Antwort als Absage. Das ärgert mich, weil man doch miteinander reden könnte. Ich habe es so in meiner Erziehung gelernt und ich finde, das gehört sich allein aus Respekt. Ich bin beim nächsten Turnier auf seine Reaktion gespannt, wenn wir uns gegenüberstehen.

Es entwickelt sich gesellschaftlich leider so, dass ein Wort immer weniger zählt und nicht mehr verbindlich ist.

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