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Drags - Wie habt ihr angefangen?

Umfrage Drags - Wie habt ihr angefangen?

vvg - 02.07.2023 - 17:00 Uhr

Catherrine Leclery    

aus Brasilien/Köln

Ich bin mit Drag, damals hieß es noch Travestie, 1989 in Brasilien angefangen. Seit 27 Jahren bin ich in Deutschland und ich war auf einigen Bühnen: mit Tom Gerhardt im Film „Ballermann“ und auf seiner Bühnentour „Hausmeister Krause“. Ich war in „Unter Uns“ und in „Cobra11“ mit Tom Beck. Bei Heidi Klum war ich in „Queen of Drags“ dabei und 3x in „Germanys next Topmodel.“

Und momentan lief gerade „Viva la Diva - Wer ist der Star?“, eine Show, in der sich heterosexuelle Männer nicht zu schade dafür sind, mal als Drag aufzutreten. Ich bin sehr glücklich als Jurymitglied dabei zu sein.

Glücklich war ich auch, Heidis Gast zu ihrem 50. Geburtstag in LA sein zu dürfen. Was ich nicht verstehe, dass man in USA dagegen ist, wenn Drags mit Kindern arbeiten. Warum? Kinder gehen in den Circus, weil sie Clowns lieben, das sind Künstler. Und wir als Drags und Clowns sind das auch.
Ich mag schwarze Frauen wie Ophra, Naomi Campbell und Imam Bowie. Früher waren Mary und Gordy große Vorbilder, die die Jugend fast gar nicht mehr kennt. Und heute noch aktiv und deshalb auch Vorbild ist Ru Paul. Mittlerweile ist Drag zu sein in, leider habe ich in all den Jahren nicht nur nette, sondern auch neidische und sogar bösartige Kolleginnen kennengelernt. Aber Neid muss man sich verdienen. Wäre ich nicht gut, gäbe es auch keinen Neid. Mein Motto ist: Man muss mich nicht akzeptieren, man muss mich respektieren. Dadurch dass ich Shows mache, Catwalk laufe, tanzen und schauspielere, bin ich nicht limitiert. Als Drag bin ich eine Diva zum Anfassen. Out of Drag bin ich ein ganz normaler, zurückhaltender Mann. Und immer noch Single.

 

Fatty Acid © vvg

Fatty Acid     

aus Rostock

Mein Interesse für Drag begann 2016. Ein Freund zeigte mir Fotos von amerikanischen Drags und ich dachte, das kann und will ich auch machen. So waren meine Vorbilder Trixie Mattel und Katya Zamolodchikova, ein Drag-Queen-Comedy-Duo aus den USA.

In der Rostocker Szene habe ich mir dann schnell Rang und Namen erarbeitet – unter anderem durfte ich in einem Musikvideo von Monrose-Mitglied Bahar Kizil mitspielen – und kam über Margot Schlönzke, eine Berliner DragQueen, zu meiner ersten Moderation in Weimar; worauf direkt weitere Buchungen folgten. Anfeindungen als Fatty habe ich nicht erlebt, sondern nur früher als Privatperson.

Da wurde ich oft als fett und hässlich bezeichnet und musste mir Sachen wie „Fettes Schwein“ oder „Du bist so hässlich, bring dich doch um“ anhören. Meine Reaktion darauf war, nennt mich doch so, ich sehe das nur positiv. Ich habe Biochemie studiert: Fatty acids sind die Fettsäuren und Acid im amerikanischen ist eine Droge. Ich bin lieber die Droge für die Menschen, als dass diese Drogen konsumieren müssen. So entstand Fatty Acid, ich wollte einen Namen, der auch Bezug zu mir hat. Im Gegensatz zu meinem Dragnamen bin ich als Felix schüchterner, halte mich mehr zurück. Als Fatty nehme ich mir Raum und Freiheiten heraus, die ich mir privat nicht erlaube. Drag ist auch so eine Art Schutzmaske.

Die Gesellschaft nimmt uns wahr, weil sie Farbe im Alltag liebt, sie muss aber lernen, Drags und Transpersonen auseinanderzuhalten. Obwohl beides in Ordnung ist, braucht es einen entscheidenden Unterschied: das Eine ist Performance, das Andere das ganze Leben. Wir Drags wollen die Frauen nicht nachmachen. Frauen sind mehr als ihr äußerliches Erscheinungsbild mit einer 90-60-90 Figur. Wir Drags feiern die Weiblichkeit und leben somit eine Kunstform.

 

Franka © vvg

Franka     

aus München

Ich habe mich schon immer gern verkleidet. Zuerst in der Schule, später im „Fummel“ zum Fasching und zu diversen Events und immer mehr als sogenannte Drag-Queen. Vorbilder hatte ich nicht, mir war wichtig, mich und meine Kostüme immer neu zu erfinden. Ich beginne Monate vor den CSDs mit dem Outfit.

Ich selbst brauche vom Nassrasieren bis zum Aufsetzen der Perücke etwa 2 ½ Stunden. Mit jedem Pinselstrich werde ich mehr zu Franka, die im Gegensatz zu Frank viel schriller und lauter ist. Sie liebt die Aufmerksamkeit; ist halt eine Rampensau. Man kennt mich durch meine Auftritte bei den CSD-Demos. Angefangen vom World-Pride bis hin zum European-Pride - ich bin überall dabei.

Leider lief nicht alles glatt: In Stuttgart wurde ich von einer Gruppe Jugendlicher attackiert und mit „Drecks-Schwuchtel“ auf das Übelste beleidigt. Mir wurde die Perücke abgerissen und damit Ball gespielt. Zum Glück bin ich nicht verprügelt worden. Drags sind eine Bereicherung. Natürlich weiß ich, dass man als Drag polarisiert. Aber man trägt auch durch die Kreativität, durch die schillernden Kostüme und die vielfältige Darstellung der eigenen Persönlichkeit zu mehr Akzeptanz in der Gesellschaft bei. Und das ist mir wichtig. Es geht doch um Akzeptanz für die gesamte LGBTIQ*-Community, weil die immer noch - oder auch schon wieder - viel Anfeindungen erlebt. Da kann man durch Aufklärung, Informationen und Berichterstattungen – so wie bei der SWR-Serie „Drags of Monnem“ – schon eine Menge erreichen. Angefangen in Schulen – wo „schwul“ das größte Schimpfwort ist - bis hin zu den Medien. Ich selbst bin Mitglied im Münchener Verein „United Queens of Munich“. Und - ehrlich - selbst da erlebe ich Neid und Missgunst, denn auch unter Queens existiert das Wort „Konkurrenzkampf“.

 

Michelle Delgardo & Die Billige Manuela © vvg

Michelle Delgardo & Die Billige Manuela   

aus Köln/Wien

Michelle: Wir haben beide im KulturSchock angefangen und ich gratuliere zum 30jährigen. Ich habe es schon als Kind geliebt, mich zu verkleiden und meine Verwandtschaft zu entertainen. Irgendwann entdeckte ich Mary und Gordy, das wollte ich auch: schöne Fummel anziehen und Leute unterhalten. Im „KulturSchock“ war ich von 1998 - das war auch mein Start als Drag - bis 2005, danach war ich zehn Jahre lang Teil von „Femme Fagee“ und nun plane ich mit zwei Kolleginnen das Team „Aufgetakelt“.

Was mich amüsiert, ist die derzeitige inflationäre Vermehrung der Drags. Alles nennt sich heute Drag, was sich Fummel anzieht. Ich denke, da gehört schon etwas mehr dazu. Diese Unmenge an Drag-Darstellenden, man kann sie gar nicht mehr alle kennen, so viele sind es inzwischen geworden, führt hoffentlich zu mehr Qualität und nicht dazu, das man uns irgendwann „überhat“.

Die billige Manuela: Wir sind Urgesteine des Kölner KulturSchocks und durften als Gäste beim 30. Geburtstag und der 700. Kultveranstaltung am Pfingstsonntag dabei sein. Ich bin eine der ersten, die von Freund und Mitbegründer Dirk Rinck 1992 „einberufen“ wurde; es war nie geplant. Durch die Bemerkung von Dirk Störck, der Stimme aus dem Off „Was andere als Gürtel tragen, trägt die als Rock“ kam ich zu meinem Namen. Ich sah mich nicht als Drag, sondern eher als Frauenimitator; wir waren ja keine Profis, sondern sahen das Ganze eher trashig. Ich sehe aber, dass die ganze Drag-Szene in Deutschland - als Teil der queeren Community - nicht so ernst genommen wird; da sollte mehr Akzeptanz sein. In USA wird die Szene Dank Ru Paul wesentlich mehr anerkannt. Mittlerweile wohne ich in Wien und erkunde noch die dortige Szene. 

 

Frl. Wommy Wonder © vvg

Frl. Wommy Wonder    

aus Stuttgart

Als Frl. Wommy Wonder gibt es mich seit 1984, also bald 40 Jahre; Vorbilder im eigentlichen Sinne habe ich nicht, weil ich eine Nische für mich geschaffen habe, die niemand anderes belegt - aber natürlich ist meine Generation von Mary & Gordy beeinflusst, ohne die hätte es die meisten anderen nicht gegeben. Anfeindungen hielten sich bislang in Grenzen, denn ich bin knapp zwei Meter groß und habe eine Figur, die eher geeignet ist, Angst zu verbreiten; aber natürlich erlebt man immer wieder „herablassende Ignoranz“, weil Travestie oft nur bunte Paradiesvogel-Unterhaltung ist, die viele nicht wirklich unter „Kunst“ ablegen. Interessant: Momentan erleben wir eine Welle, wo Akzeptanz fast medial verordnet wird und man es schick findet, wenn sich einer in Fummel wirft und für gute Laune sorgt – ob das der Branche guttut, kann ich nicht abschätzen, denn ich fürchte, das Pendel könnte bald in die Gegenrichtung ausschlagen - einfach, weil das Thema inflationär durchgenudelt wird und einige sich davon zu sehr genervt fühlen. Aber da müssen sie eben durch.

Witzig: Ich wurde schon fünfmal zur „Dragqueen des Jahres“ gekürt, bis es den Leuten aufgefallen ist, dass ich eigentlich keine Dragqueen bin, sondern eher klassisches Kabarett im Fummel präsentiere, und das hat im Grunde mit Drag so überhaupt nix zu tun – und nein, das soll keine qualitative Abgrenzung sein, aber unter „Drag“ verstehe ich etwas Anderes als das, was ich mache.

Ich bin aber mit vielen Drags eng befreundet und finde es klasse, dass die Community untereinander gut vernetzt ist und eher mit- als gegeneinander arbeitet, das kommt meinem Harmoniebedürfnis sehr entgegen.

 

Yoncé © KeyKey Photography

Yoncé  

aus Paderborn/Berlin

Ich hatte anfangs für eine andere Drag-Queen als Background-Tänzer gearbeitet. Im Jahr 2015 habe ich es dann selbst ausprobiert und nicht mehr damit aufgehört! Bekannt wurde ich 2019 durch „Queen of Drags“ (mit Heidi Klum, Conchita und Bill) und 2021 durch „Die Alm“, zwei TV-Formate, die ich beide gewonnen habe. Drag ist bunt, wir möchten unterhalten. Mittlerweile lässt sich weltweit die Show-Branche von uns inspirieren, sei es beim Thema Makeup, Haare, Outfits oder Performances.

Schwule Männer erleben immer noch negative oder hässliche Anfeindungen, erst langsam erfahren sie mehr Toleranz. Bei Dragqueens fehlt oft Verständnis. Wir sind erwachsene Männer, die keinerlei böse Absichten haben; vor allem in Hinblick auf Kinder! Ich fand es erschreckend, was bei „Queen of Drags“ während der TV-Show online geschrieben wurde. Zuschauer, selbst die eigene Community, kommentierten teils unter der Gürtellinie und ohne Hintergrundwissen; das fand ich traurig. Drag ist eine Kunstform, es gibt kein Richtig oder Falsch. Jeder lebt seine Fantasy, wie er sie für richtig empfindet. Kunst lebt von Freiheit und Alleinstellungsmerkmalen. Wir sind Entertainer! Nur weil man keine Berührungspunkte mit uns hat, braucht man uns nicht verteufeln! Prinzipiell kennen sich die meisten Queens und verstehen sich untereinander. Da es jedoch wenige Jobs gibt (und eindeutig zu viele unterbezahlte), gibt es auch Missgunst. Früher fand ich es schwer herauszufinden, wer wirklich ehrlich zu mir ist.

Für mich sind starke Frauen eine Inspirationsquelle, allen voran meine Mutter. Ich liebe Beyoncé, ihre Perfektion, Ausdauer und Kreativität. Sie hat mich geprägt. Ich bin „In & Out of Drag“ derselbe Mensch. Yoncé hat nur mehr Attitude und Drama als Savvas. Um Yoncé zu werden schaffe ich das in 2,5 Stunden. Übrigens: Im August kommt meine Single „Queen“ heraus.

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