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Hast du Zukunftsängste?
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Umfrage Hast du Zukunftsängste?

vvg - 05.02.2023 - 17:00 Uhr

Andreas

aus Dorsten

Ich bin in der Pflege tätig und stelle jeden Tag mehr fest, dass die Senioren nicht so betreut werden, wie sie betreut werden müssten. Dann bekomme ich schon Angst, davor, selbst alt und in meiner Zukunft nicht ausreichend genug versorgt zu werden. Also ich habe keine Angst vor dem Alter, sondern davor, hilfsbedürftig zu werden und nicht die entsprechende Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Natürlich kommt da auch die Angst vor dem endgültigen Aus hinzu, nämlich nicht zu wissen, wie man geht, denn man möchte einfach keine Leiden erleben oder eine unbestimmte Zeit an Schläuchen angeschlossen in einem Bett zu liegen und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Das kann man zwar vorher regeln, aber auch da weiß ich aus meiner beruflichen Erfahrung, dass selbst das nicht immer wirklich befolgt werden kann, weil viele Patientenverfügungen so schwammig sind, dass man sie unterschiedlich auslegen kann. Also nochmals zum Verständnis: mir macht nicht der Tod Angst, der ist eh` für jeden von uns unvermeidbar, sondern die Art der Krankheiten, die das Leben im Alter so mit sich bringt.

Eine weitere Sorge machen mir auch die ständig ansteigenden Kosten, egal ob es sich dabei um Strom, Gas oder allgemeine Lebenshaltungskosten handelt. Da macht man sich natürlich Gedanken, wie man die kommenden Winter relativ unbeschadet überstehen kann. Auf jeden Fall möchte ich meine Lebensqualität beibehalten und mir auch den Spaß am Leben nicht nehmen lassen. Dabei überlege ich schon sehr genau, was ich an Ausgaben habe und wo Einsparmöglichkeiten sind.

Ängste habe ich auch vor dem Verlust meiner Eltern, weil die immer noch meine Bezugspersonen Nummer Eins sind.

Bernd © vvg

Bernd

aus Würzburg

Ich habe eigentlich keine Ängste; ich bin jemand, der erst einmal alles positiv sieht. Ich bekomme aber mit, dass die aktuelle Situation bei vielen Ängste auslöst. Was aber auch mir Sorgen macht: Ich arbeite im Bereich mit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Und da bekommt man mit, dass gerade bei uns in Unterfranken die Psychiatrien so voll sind, dass sich der Bereich gezwungen sieht, anstelle von neuen Bezirkskrankenhäusern therapeutische Wohngruppen zu schaffen, um die Leute versorgen zu können.

Es müssen immer härtere Fälle versorgt werden. Durch die Pandemie ist die Einsamkeit zu einem Punkt geworden, dass die Menschen, die persönlich psychisch nicht stark strukturiert sind, keine Möglichkeit haben, mit anderen Menschen reflektieren zu können und dadurch Ängste entwickeln, weil sie alles mit sich selber ausmachen müssen. Das war ja nicht nur bei Kindern und Jugendlichen ein großes Thema, sondern betrifft besonders Menschen, die es schwer haben, einen Partner/eine Partnerin zu finden. Ich bin mit einem Mann zusammen, der 21 Jahre älter ist. Wir hatten beide schon einen Burn-Out, was natürlich bei ihm auch Ängste hervorgerufen hat. Ich konnte mich daraus lösen und da ich als Sozialpädagoge arbeite, war das für ihn ein großer Vorteil.

Vor der politischen Lage - sprich dem Krieg, den Russland mit der Ukraine austrägt - habe ich keine Angst, dass dieser sich auf den Westen ausbreitet. Da Deutschland, Frankreich und Amerika sich entschlossen haben, Schützenpanzer zu liefern, ist das für mich ein Zeichen, dass die Welt zusammenrückt und verstanden hat, dass Russland geschwächt ist. Anfangs hatte ich Angst, der Russlandmann könne eine Kurzschlussaktion auslösen; heute denke ich, ihm ist bewusstgeworden, dass er sich mit so einer Reaktion auch nicht mehr retten kann.

Dirk © vvg

Dirk

aus Wermelskirchen

Die politische Lage, die uns alle betrifft, mit dem Krieg in der Ukraine finde ich sehr beängstigend. Keiner weiß, wo das hingeht. Ich habe das Gefühl, das wir in Deutschland regierungsseitig im Regen stehen gelassen werden. Am meisten habe ich davor Angst, dass wir in diesen Krieg mit hineingezogen werden, weil sich unser Staat trotz des Schengener Abkommens nicht an die Vereinbarungen hält. Irgendwann dürfen wir wahrscheinlich dafür büßen.

Die gegenwärtige Situation erinnert mich ein wenig an die Zeit vor hundert Jahren und natürlich feiern wir auch. Es gab wohl seit Menschengedenken leider keine Zeit ohne Kriege auf diesem Planeten. Ich war in meinem bisherigen Leben, noch nie so nah am Krieg dran wie gegenwärtig, den Jugoslawien-Krieg ausgenommen. Was es aber diesmal bedrohlicher für mich macht, ist, dass der Russe mit dabei ist, der den Krieg angefangen hat. Wenn ich das vergleiche mit den Kriegen in Nahost, die immer noch andauern, ist die Situation eine andere. Wir haben auch da geholfen und Flüchtlinge aufgenommen, aber wir haben uns da nicht so mit eingebracht wie bei diesem Konflikt.

Was es auch unterscheidet ist, dass diesmal der Konflikt von einer Person ausgeht, der es darum geht, ihr Machtpotential auszuspielen. Hier zu einer friedlichen Lösung zu kommen, ohne dass diese Person ihr Gesicht verliert, wird sehr schwierig. Und diese Person ist unberechenbar, ich würde ihm sogar zutrauen, dass er den „Roten Knopf“ drückt. Denn keiner seiner Bevölkerung möchte wirklich für ihn kämpfen. Normale Menschen möchten nicht ihr Leben opfern, nur weil ein Mensch noch etwas Land gewinnen will. Dass man sich verteidigt, weil man angegriffen wird, finde ich dagegen legitim.

Sascha © vvg

Sascha

aus Berlin/Köln

Ich bin überrascht, egal in welcher Generation ich das wahrnehme, dass die Menschen immer weniger in der Lage sind, Intimität herzustellen oder zu ertragen. Wenn wir über Ängste sprechen, ist es so, dass sie nicht wissen, wie sie ohne Intimität auskommen, aber auch nicht wissen, wie sie damit auskommen sollen. Diese Angst, damit umzugehen wird immer stärker und man kann sehen, wie sehr man mit Drogen in der Szene diese Situation zu überspielen versucht. Und wie der Umgang auch mit sich selber immer schwieriger wird, weil man Angst hat, mit anderen Leuten in Kommunikation zu treten. Ich nehme dies erschreckend - neben vielen Sachen, die sich in der Gesellschaft verändern - wahr.

Ich glaube, dass die Menschen überfordert sind von den Möglichkeiten, die sie haben. Ein Beispiel ist die junge Generation der Puppies: Ich dachte immer, das sei ein sexuelles Ding; habe aber erkennen müssen, dass die Generation überfordert ist von den Möglichkeiten, die Schwule heutzutage haben. Ich glaube, hier sucht man eher eine Gruppenzugehörigkeit, weil man bei den Puppies mehr Freundschaft als Intimität erlebt. Freunde außerhalb seiner Altersklasse zu finden, wäre ebenso ein guter Weg. Wenn ein junger Mann einen älteren als Kumpel hat, wenn man echte Begegnungen und Austausch wieder zulässt.

Das höchste „Währung“, die wir Schwulen haben, ist der Sex. Wenn ich diesen vergleiche mit dem Sex, den ich vor 20 Jahren hatte, stelle ich fest, dass es kaum noch Männer gibt, die küssen wollen, oder in der Lage sind, Intimitäten und Zärtlichkeiten zu schenken bzw. zu ertragen. Das ist ein Zeichen, das unsere Fähigkeiten mit Menschen überhaupt in Kontakt zu kommen schlechter und schwieriger werden. Mir macht Angst, welche Auswirkung daraus entstehen könnten …

Stefan © vvg

Stefan

aus Köln

Die letzten drei Jahre waren nicht schön, aber ich bin ein relativ angstfreier Mensch. Die Pandemie ist gefühlt vorbei; keiner macht sich noch Sorgen - bis auf die älteren Leute und Risikopatienten, und das ist auch wichtig so! Ich kann nur zum Impfen plädieren und wer das nicht tut, für den habe ich dann auch kein Verständnis. 2022 hat mir der Ukraine-Krieg Sorgen gemacht, den wir jetzt seit zehn Monaten miterleben. Er bedroht uns selber zwar nicht im eigenen Land, er hat aber natürlich auch für uns ganz klare Konsequenzen, ob das die Energiekrise, die Inflation oder das Vertrauen in Politik à la Putin. ist. Ich habe Gottvertrauen in die Politik. Egal, ob Olaf Scholz oder Angela Merkel als Bundeskanzlerin agieren und das Sagen haben. Wer da oben sitzt hat einen sch... Job, den ich nicht machen möchte.

Ich bin dankbar, dass ich selbst in einer guten Situation bin. Ich habe einen Job und ein gutes Gehalt; weiß aber, dass es weitaus wesentlich mehr Menschen gibt, die sich finanziell Sorgen um die Zukunft machen.

Bei Krankheiten habe ich weniger Ängste: Mein Vater ist im letzten Jahr verstorben. Ich habe ihn zum 88. Geburtstag angerufen und er saß – wie immer – mit seiner Lebensgefährtin irgendwo in Europa bei Wein und leckerem Essen. Zwei Wochen später schlief er ruhig ein. Er hatte ein vollendetes Leben und er hat nie gelitten. Ich wäre dankbar, wenn ich seine Gene alterstechnisch geerbt hätte und es mir ähnlich ergehen würde. Was mir allerdings Sorgen macht ist, dass es deutlich mehr Übergriffe auf Schwule gibt. Sei es von der rechten Seite oder von der AfD geschürt. Sei es körperlich oder auch verbal. Das gefällt mir gar nicht.

Sven © vvg

Sven

aus Dortmund

Ja, ich habe Zukunftsängste besonders in Hinsicht auf die Umwelt einerseits und politischen Tendenzen andererseits. Ich beobachte derzeit vermehrt, rechte und antidemokratische Entwicklungen. Wir haben auf der einen positiven Seite Zugewinne zu verzeichnen, daraus entstehen aber auch Gegenbewegungen von Menschengruppen, die nur gegen etwas sind, aber keine wirklichen Alternativen aufzeigen. Verstärkt wird diese Gegenbewegung durch das Internet, welches hier seine negativen Seiten aufzeigt, was Falschinformationen und Fake-News betrifft. Gerät man einmal in den Sog dieser Meinungsmanipulationen, ist es sehr schwer aus diesem Strudel wieder herauszukommen. Und es macht mir Angst, wie es Menschen so schnell verlernen können, das eigene Gehirn zu benutzen.

Meine Ängste haben sich verstärkt, seitdem ich mich mehr politisch interessiere und mir viele Dinge klarer geworden sind. Das hängt auch mit der CORONA-Zeit zusammen, wo viele Sachen extremer und emotionaler ausgesprochen wurden. Wieviel Zukunft haben wir noch auf dem Standard, in dem wir gerade leben?

Vor einigen Jahren haben sich viele Dinge schon abgezeichnet, bei denen wir auf eine positive Entwicklung gehofft hatten, die aber nicht eingetreten sind. Bei der Umwelt hat mich erschrocken, wie schnell die Veränderungen voranschreiten und es schon bald keinen Punkt einer Umkehr bei vielen klimatischen Prozessen mehr geben wird. CORONA hat mir die Augen geöffnet, wie schnell man aus gewohnten Bahnen geworfen werden kann und sich alles ändert. Und alles das passiert trotz eines gut funktionierenden Gesundheitssystems Der Ukrainekrieg, macht mir keine Angst, obwohl er nicht bei uns stattfindet, aber die Auswirkungen machen mir Angst. Ich hoffe, dass der Krieg nicht zu uns kommt und bald endet, da er zu sehr nur an die Person Putin gebunden scheint.

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