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Köln – Hauptstadt der Vielfalt

Umfrage Köln – Hauptstadt der Vielfalt

vvg - 20.07.2022 - 12:00 Uhr

Köln wurde in Brüssel zur ersten „European Capitals of Inclusion and Diversity“ gewählt, noch vor Städten wie Barcelona und Göteborg. SCHWULISSIMO befragte dazu Kölner, Ex-Kölner und Hinzugezogene (Imis).

Andreas Wolter © vvg

Zuerst einmal haben wir uns gefreut, dass wir den Preis bekommen haben.
Es war auch für uns überraschend den Preis zu bekommen, noch vor Städten wie Barcelona und Göteborg. Wichtig war für die Entscheidung, dass wir die LGBTQ-Szene in städtische Entscheidungen über Stadtarbeitsgemeinschaften einbinden, sei es z.B. das Rubicon, anyway oder das Centrum Schwule Geschichte. Damit machen wir dieses Thema auch sichtbar in der Stadt. Und wir haben einen der größten CSD- Veranstaltungen in Europa, wo wir mit Madrid in der ersten Liga spielen.
Darüber hinaus machen wir eine sehr gute Integrationspolitik. Auch auf Druck der Kölner Stadtgesellschaft haben wir höhere Standards bei der Integration von Geflüchteten und Migranten. Ich glaube, das merkt man der Stadt auch an und es ist schon vor diesem Preis international anerkannt worden. In unserer Stadt leben Menschen aus 184 Ländern, da fehlen nur noch ein paar kleine Südsee-Inseln .
Dieser Preis ist vor allem ein Preis für die Bürger:innenschaft der Stadt und hart erkämpft und erstritten worden – egal ob von den LGBTQ- oder Flüchtlings-Initiativen. Die Politik hat es unterstützt und wir haben eine eigene Fachstelle für Diversity, die beim Amt der Oberbürgermeisterin angegliedert ist. Das zeigt die Wertschätzung dieser Arbeit bei der Stadt.
Köln war neben z.B. Barcelona Gründungsmitglied des Rainbow-City-Netzwerkes und wir versuchen unsere 22 Partnerstädte mit einzubinden, Esch in Luxembourg und Lilles in Frankreich sind so zu Regenbogen-Cities geworden. Und in der letzten Woche war gerade eine Delegation der Partnerstadt Katowice/Polen zu Besuch, um sich unsere Arbeit in LGBTQ-Bereich genau anzusehen. Der Kampf gegen Homo- und Transphobie, gegen Fremdenfeindlichkeit und für Frauenrechte wird nie zu Ende sein und wir werden weiter daran arbeiten.

Andreas Wolter, Bürgermeister der Stadt Köln

 

Cornelia Scheel © vvg

„Hurra!“ Ich finde das absolut großartig. Wenn man die beiden anderen Favoritenstädte Göteborg und Barcelona mit Köln vergleicht, geben diese städtebaulich schon mehr her. Aber Köln ist eben von innen schön, da die Stadt so offen, freundlich, liberal und tolerant ist. Ich freue mich wahnsinnig für alle Kölner:innen und empfinde es als tolle Anerkennung. Es ist eine Auszeichnung für die Menschen, die diese Stadt ausmachen. Ich liebe Köln!
„Et kütt wie et kütt.“, „Et hätt noch immer jot jejange.“ Auch diese zuversichtliche Gelassenheit macht Köln aus.
„Drink doch ene met“, heißt ja nicht, dass wir sofort Freunde sein müssen, aber hier bleibt keiner lange alleine und jeder ist willkommen.
Auch die Künstler und Kreativen dieser Stadt haben viel für die städtische Außenwirkung getan. Walter Bockmayer, Dirk Bach, Hella von Sinnen und Ralph Morgenstern, um nur einige zu nennen. Sie haben die Menschen schon vor Jahrzehnten deutschlandweit begeistert. Es ist eine wunderbare Fügung, dass sie in Colonia zusammengefunden haben. Vielleicht habe auch ich indirekt als Tochter prominenter Eltern zur Akzeptanz beigetragen: „Es kommt in den besten Familien vor.“
Unsere Stadt muss so weitermachen und ich bin sehr zuversichtlich, dass Köln auch zukünftig „Europäische Hauptstadt der Vielfalt und Integration“ bleiben wird. Unsere großartige Oberbürgermeisterin setzt sich gerade in diesem Bereich stark ein.
Ein Thema liegt mir allerdings besonders am Herzen. Ich spreche von uneingeschränkter Barrierefreiheit. In diesem Punkt hat Köln noch extremen Nachholbedarf. Das gehört für mich allerdings auch zu einer Diversity-Hauptstadt.
Frau Reker, packen wir es an!

Cornelia Scheel,LGBTI*-Aktivistin & Autorin aus Köln

 

Helix und Merit © vvg

Ich bin Helix, komme aus dem Ruhrgebiet und wohne seit 2013 in Köln. Ich kam hierher, weil ich hörte, hier geht was ab, da gibt es eine starke Community.
Ich, Merit, komme aus Marburg, wäre vielleicht noch dort, weil Marburg eine tolle Stadt ist. Aber zu der Zeit, als ich mich geoutet habe, gab es in Marburg fast nichts, was mir dabei helfen konnte, da blieben mir nur vier Alternativen: Köln, Hamburg, München oder Berlin. Köln machte mir vor 20 Jahren den gemütlichsten Eindruck und ich habe mich für die ehemalige römische Kolonie entschieden.
Was wir, die Kölner:innen richtig gut können, ist Feiern und unsere Lebensfreude nach außen tragen. Jetzt feiern wir diese Auszeichnung, vermuten aber, dass es außer uns Kölner:innen, Deutschland und Europa gar nicht so mitbekommt. Aber Köln hat diese Anziehungskraft, welche nicht nur uns beide hierhergebracht hat und das ist schon europaweit bekannt. Hätten wir sonst den größten CSD in Europa? Wir glauben, die Menschen suchen einen vielfältigen Ort und kommen deshalb so gern.
Diese Vielfalt ist aber nicht der Stadt zu verdanken, sondern den Bürger:innen mit Vereinen und Initiativen. Das ist ein Teil des Charmes dieser Stadt. Und es gibt eine gesunde Streitkultur und dabei kann man sich unterschiedlich sein lassen.
So ein Preis ist sicher auch ein Appell, eine Herausforderung und ein Vertrauensvorschuss. Es ist nicht alles perfekt, man kann immer noch besser werden. Positiv haben wir mit den städtischen Bädern das trans/inter Schwimmen initiiert, auch wenn es derzeit nur 1x im Monat zwei Stunden sind. Aber wir kämpfen schon lange um ein queeres „Weglauf-Haus“, was ähnlich wie die Frauenhäuser funktionieren müsste und wir sind beide überarbeitet und wünschten uns mehr Kolleg:innen für unseren Aufgabenbereich.

Helix und Merit, Transberater:innen im Rubicon

 

Ramiro & Juan Carlos © vvg

Ramiro: Ich finde es großartig, dass Köln an erste Stelle gewählt wurde, denn in der Stadt am Rhein, die wirklich mit ihrer Szene und bezüglich Diversity viel zu bieten hat, kann man wirklich offen leben und so sein, wie man ist. Ich arbeite immer noch zwei Wochen im Monat als Psychologe in Barcelona, aber ich freue mich immer, wenn ich zurückkomme, weil die Menschen hier einfach toll sind. Barcelona ist zwar schön, aber mich stört, dass sich durch die politischen Streitereien wegen der Abspaltung Kataloniens das Miteinander in der Stadt negativ verändert hat. Ich bin der Liebe wegen nach Köln gekommen und habe hier meinen Mann geheiratet. Wenn ich in Barcelona bin, vermisse ich Köln, hier habe ich weder als schwuler Mann noch als „Ausländer“ Probleme. Ich fühle mich wohl und werde demnächst auch die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen.

Juan Carlos: Ich bin wie Ramiro auch der Liebe wegen nach Köln gekommen, habe meinen jetzigen Mann in Mexiko kennen gelernt. Ich liebe Köln, weil ich vom ersten Tag an die Mentalität und die Offenheit der Menschen lieben und kennengelernt habe. Ob es in der Sprachschule, auf der Straße, in der Szene, beim Sport oder in der Freizeit war, überall bin ich offenen, herzlichen Menschen begegnet, so dass ich mich von Anfang an wohl und integriert fühlte. Das ist in anderen Ländern, wie z.B. in Frankreich nicht der Fall gewesen. Und auch in Deutschlands Osten wurde ich teilweise schief angesehen, dass es schon unangenehm war. Die Stadt Köln hat diesen Preis verdient, denn hier sind die Menschen tolerant, freundlich und immer herzlich - egal welcher Nationalität oder Sexualität sie angehören. Die Mischung macht‘s.

Ramiro, Kolumbianer, lebt in Barcelona & Juan Carlos, Köln & Mexikaner lebt in Köln

 

Klaus Nierhoff © vvg

Ja!, möchte ich rufen: Toll! Es hat sich viel getan! Wenn ich mich in die Lebenssituation queerer Menschen in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts hineinversetze, die unter dem Damokles-Schwert des § 175 in ständiger Angst leben mussten (Felix Rexhausen hat das in seinem Buch „Zaunwerk - Szenen aus dem Gesträuch“ treffend beschrieben*), dann dürfen wir uns heute glücklich schätzen, so frei leben zu können. Und die Bemühungen der Politik, Diversitätskonzepte zu institutionalisieren, sind richtig! Auch so ein Preis bewegt etwas – vielleicht auch ein wenig in der Mitte der Gesellschaft – damit die marginalisierten Gruppen nicht immer nur aus sich heraus um Fortschritt kämpfen müssen, sondern Solidarität und Empathie aus der Mehrheitsgesellschaft erfahren. Wir haben in Köln viele wahrnehmbare Institutionen, die sich für Akzeptanz und Gleichberechtigung benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen einsetzen und für die es sich zu engagieren lohnt. Aber: Viele dieser Institutionen sind chronisch unterfinanziert und (Vorsicht, Selbstkritik!): sie werden auch aus der Community heraus nicht genügend unterstützt. Meine Beobachtung ist, dass ein Großteil der queeren Menschen passiv bleibt, sich mit dem Status Quo zufriedengibt oder kein Interesse an Politik hat. Wenn ich beobachte, wie lautstark queerfeindliche, frauenfeindliche, rassistische und auch demokratiefeindliche Positionen und Handlungen von gesellschaftlichen Gruppierungen verteidigt werden – eine Partei, die diese Haltungen bündelt, sitzt sogar im Bundestag – dann denke ich: Wir tun nicht genug! Und zwar WIR ALLE! Es darf nicht nur bei Image-Kampagnen bleiben, wir brauchen eine umfassende Politisierung – gesamtgesellschaftlich, aber auch in unserer queeren Community. Damit sich nicht immer nur die paar üblichen Akteure – oft ehrenamtlich – abmühen, sondern ALLE Interesse daran zeigen, mehr Bewegung und Vielfalt in die Welt zu bringen.

Klaus Nierhoff, Schauspieler aus Köln

 

Ralph Morgenstern © vvg

Erst einmal herzlichen Glückwunsch an Köln. Ich bin zwar vor einiger Zeit aus Köln nach Berlin gezogen , aber ich kann ja jederzeit wiederkommen und bin hoffentlich willkommen :-).
Ich finde Köln hat es zumindest geschafft, dass der Ruf „Diversity“ so laut durch Europa geschallt hat, dass es alle anderen Städte abgehangen hat. Köln war Anfang der siebziger Jahre mit der Gay Liberation Front schon eine der ersten Städte in Europa, die auf Stonewall reagierten.
Jetzt fände ich es aber auch einmal an der Zeit, dass sich die Politik für Diversity stark macht. Dazu gehört zuallererst, dass sich die Stadt für ihre Bürger einsetzt und es ihnen dankt, dass der Preis in die Stadt kam und die „diversen“ Bürger sich weiterhin hier wohlfühlen. Es waren immer die Menschen – nicht die Politik – die die Initialzündungen für Diversity-Projekte gaben.
Ich habe 40 Jahre in Köln gelebt und habe immer gewusst, dass Köln der Diversität alle Ehre gemacht hat. Viele engagierte Menschen haben zur Auszeichnung beigetragen, nicht nur die sichtbaren auf der Bühne oder in den Medien. Viele Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, vor allem Ehrenamtler:innen haben dafür viel mehr gemacht. Es ist ihr Verdienst, dass die Kölner diesen Titel verliehen bekommen haben.
Meine Sicht folgt sicher verstärkt auf die LGBTQI*-Community, sicher gehören dazu ebenso alle Zugewanderten, die Flüchtlinge und alle Menschen, die von der ursprünglichen bestandenen Kultur verschieden sind.
Die Community in Köln hat es immer geschafft, zusammen zu arbeiten, andere zu verstehen und mit einzubeziehen. So kann man hier auch den größten Pride neben Madrid in Europa feiern. Wenn man sich streitet wie in Berlin, gibt es so eben nur drei kleinere Demos.

Ralph Morgenstern, Ex-Kölner, Schauspieler und Entertainer, lebt in Berlin

 

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