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Schwule Väter

Umfrage Schwule Väter

vvg - 11.12.2022 - 17:00 Uhr

Detlef & Martin      

mit Snezana und Patrick aus Köln

Detlef: Wir kennen uns seit 14 Jahren und sind seit 6 Jahren verpartnert. Martin hat mir relativ schnell deutlich gemacht, dass er keinen neuen Lover, sondern einen festen Partner sucht, mit dem er eine Familie gründen kann. Ich musste dafür offen sein, oder gehen. Andererseits hat er aber auch akzeptiert, dass es kein leibliches Kind sein wird. Für uns kam nach langen Gesprächen weder eine Auslandsadoption noch eine Leihmutterschaft in Frage und auch ein lesbisches Paar, mit dem man sich hätte arrangieren können, schied aus. Wir haben uns also als schwules Paar für ein Pflegekind beim Jugendamt der Stadt Köln vorgestellt, was - aus welchen Gründen auch immer - zu diesem Zeitpunkt nicht funktionierte. Wir bewarben uns noch woanders und so wurde uns unsere Tochter 1 ½ jährig vom Jugendamt Duisburg vermittelt. Drei Jahre später kam der heute 9jährige Patrick vom Jugendamt Solingen hinzu; seitdem sind wir komplett und eine glückliche Familie.
Martin: Wir haben viel Aufklärungsarbeit und Pionierarbeit auf dem Gebiet leisten müssen. Es kann z.B. nicht sein, dass man in Kindergärten und Schulen über den „Muttertag“ spricht, wenn Kinder heutzutage auch in männlichen Ehen groß werden. Auf allen möglichen Formularen musste man den Namen der Mutter und des Vaters eintragen; mittlerweile ist dies ersetzt durch Elternteil 1 und Elternteil 2. Wir legen auch Wert auf freundschaftlichen Kontakt zu den leiblichen Eltern der Kinder und sorgen dafür, dass der bestehen bleibt. Homophobie ist uns bislang nur selten begegnet, weil Menschen mit anderen Weltanschauungen sich nie öffentlich gegen uns wenden, sondern uns lieber aus dem Weg gehen. Kinder hingegen richten ihre Fragen ganz unkompliziert an uns, gerade auch Kinder aus anderen kulturellen Kontexten.

Lennart & Holly © vvg

Lennart & Holly   

mit Fine aus Moers

Wir sind seit 2015 zusammen, seit 2017 verheiratet und seit Juni 2022 stolze Väter. Der Weg dahin hatte verschiedene Abzweigungen und Kurven. Eine Leihmutterschaft zogen wir aus für uns unklaren ethischen Fragen nicht in Betracht. Schließlich haben wir uns auch gegen eine Gründung einer Kleeblattfamilie entschieden und schauten uns anschließend im Bereich Adoption und Pflege nach den Möglichkeiten um, eine Familie zu gründen. Wir fühlten uns beim Jugendamt in Moers schon nach ersten Gesprächen gut aufgehoben und begleitet, bewarben uns aber gleichzeitig zur Chancenerhöhung auch bei einem christlichen Verein in Düsseldorf. Moers war dann schneller: Nach etwa einjähriger Überprüfung lernten wir wenige Wochen später unsere (Pflege-) Tochter Fine kennen, die seitdem in Dauerpflege bei uns ist. Für uns ist die Möglichkeit einer Adoption vor dem 18. Lebensjahr genauso denkbar wie das Dauerpflegeverhältnis bis dahin. Unser Umfeld, welches den gesamten Prozess mitgemacht und dabei mitgefiebert hat, reagiert(e) großartig. Als Paar sind wir mit Fine noch intensiver zusammengerückt, so dass sie in unserem Familienleben das Tüpfelchen auf dem I ist. Dieses lebt von absoluter Arbeitsteilung und Gleichwertigkeit im Miteinander.
Schwulen Paaren, die auch Eltern werden wollen, raten wir, zu überlegen, wie sie sich eine Familie vorstellen können. Informiert euch über die verschiedensten Möglichkeiten. Es kommen neben der finanziellen Verantwortung auch die Aufgaben hinzu, dem Kind Liebe, viel Zeit und Sicherheit zu geben. Für uns stand am Ende fest, dass unsere eigenen Gene nicht das höchste Gut sind in einer Welt, in der viele Kinder starke Elternteile benötigen.
Sollte man Fine nach der Mama fragen, so kann sie stolz sagen, dass sie zwei Mamas hat - die Bereitschafts- und Bauchmama - sowie drei Papas: den Bereitschaftspapa und uns - als Papi und Papa.

Massimo © vvg

Massimo

aus Karlsruhe

Ich komme aus Karlsruhe und habe eine sechs-, sowie eine neunjährige Tochter, mit deren Mutter ich zwölf Jahre zusammen war. Da ich selbst Scheidungskind war, wollte ich nie heiraten, hatte mich aber in die Frau verliebt und dies auch nie bereut. Irgendwann stellte ich fest, dass mir etwas fehlte, was sich in den letzten drei Ehejahren mit Depressionen, einem Gehörsturz und einem Bandscheibenvorfall äußerte; alles war auf psychische Ursachen zurückzuführen. Nachdem ich mir über mein Outing klar war, hörte dies schlagartig auf: Ich fühlte mich frei, als könnte ich fliegen, das ehemalig „schlechte Gewissen“ war weg. Ich habe mich selbst gefunden. Allerdings war dieser Prozess, Klarheit über mein Leben zu bekommen und mir das auch einzugestehen, sehr schwer. Meine Eltern hatten mir immer vermittelt, dass Schwule krank sind. Mit meinem italienischen Vater habe ich seit dem Outing keinen Kontakt mehr; meine Mutter nähert sich dem Thema gerade an. Lediglich meine jüngere Schwester stand immer zu mir. Leider haben sich auch Freunde in Karlsruhe von mir abgewandt und die Eltern anderer Kinder, zu denen ich früher durch meine Töchter - im Kindergarten oder in der Schule - Kontakt hatte, haben sich ebenfalls distanziert. Alle sahen in mir den Familienzerstörer und konnten mit dem Thema Homosexualität nicht umgehen.

Meine Töchter habe ich mit Hilfe meines Freundes aufgeklärt, bevor sie es über andere erfuhren. Ich sehe sie so oft wie möglich. Von Karlsruhe habe ich mich abgenabelt, ab Oktober habe ich einen Job in Köln und die Mädchen haben mir schon signalisiert, dass sie bei mir wohnen wollen. Ob sich mit meinem Vater wieder alles einrenkt, weiß ich nicht. Ich bin, wie ich bin, wer mich so nicht will, braucht mich auch nicht.

Uwe © vvg

Uwe       

aus Bielefeld  

Ich kannte nur das typische Rollenmodell „Mann + Frau = Ehe“ und da alle heirateten, habe ich das auch getan. Rückblickend fand ich damals schon unbewusst Männer z.B. den Schwimmer Mark Spitz oder Burt Reynolds auf dem Bärenfell gut. Meine Frau wurde schnell schwanger und ich mit 22 glücklicher und zufriedener Vater. Meine Frau zog sich nach der Geburt zurück; die Lust blieb aus, die Sexualität lief nicht rund und ich empfand, dass es noch etwas Anderes geben musste. Als sich Steven in „Denver Clan“ outete, wurde bei mir etwas angestoßen. Über Prinz Eisenherz in Berlin ließ ich mir Information zuschicken – ich wohnte damals in der Nähe von Bremen - ich wollte Erfahrungen machen. Nach dem ersten Treffen mit einem verheirateten Mann gingen bei mir innere Tore auf. Danach trafen wir uns mit unseren Frauen; ich hatte meine Frau über unser Verhältnis informiert, wusste aber nicht, dass sie schon seit längerem ein Verhältnis mit einem anderen Mann hatte. Ich war ihr gleichgültig geworden. Nach unserer Trennung drehte ich noch eine Heterorunde, merkte aber, dass mein Weg in die andere Richtung führt. Meinen ersten langjährigen Partner traf ich in einer Disco, durch den Zweiten zog ich nach Bielefeld um, weil er von Berlin dorthin zurückzog. Seit sechs Jahren leite ich nunmehr als Single die Bielefelder Selbsthilfegruppe für schwule Väter und Ehemänner.

Meine Tochter überraschte mich mit 13 Jahren, als ich meinen damaligen Freund im Arm hielt. Für sie war das kein Problem, sie ging immer supercool damit um. Damals brachte sie oft Freundinnen mit nach Hause, die sich immer sehr wohl bei uns fühlten, „weil es bei uns ganz anders war, als bei deren Eltern“.

Papi Lucas & Papai Martijn © vvg

Papi Lucas & Papai Martijn

mit Nino und Emra aus Frechen

Als wir uns vor 15 Jahren kennenlernten, war das Liebe auf den ersten Blick. Im Oktober 2018 heirateten wir in Köln. Wir leben an der Stadtgrenze in Frechen. Den Wunsch, Kinder zu haben, hatten wir schon immer. Eine Freundin, die im Jugendamt Recklinghausen arbeitete, brachte uns auf die Idee ein Kind in Pflege zu nehmen. Sie kannte unseren Wunsch und hielt uns dafür geeignet. Nach anstehenden Tests, Schulungen und einem Workshop, der uns Antragsteller auf das Pflegeelternsein vorbereitete, ging alles recht schnell: 3 Wochen später bekamen wir den 2 1/2jährigen Nino. Wir waren glücklich. Ein Kind verändert das Leben: man verlagert die Berufszeiten, plant den Tag gezielter. Plötzlich ist ein Kind das Allerwichtigste. Man will so viel mit dem Kind erleben; sieht die Welt mit anderen Augen. Ein Kind ist einfach eine Bereicherung.
Auf Anfragen des Jugendamtes hin vergrößerte sich vor zwei Jahren durch die heute dreijährige Emra unser Glück: Und da Nino kein Einzelkind bleiben sollte, sind wir heute Väter zweier bezaubernder Kinder. Unser Umfeld freute sich mit uns. Allerdings haben sich auch Freunde zurückgezogen, weil die Regelmäßigkeit gemeinsamer Unternehmungen minimiert wurde. Unsere bisherigen Interessen veränderten sich, um viel Zeit mit den Kids zu verbringen. Mit Sicherheit werden Fragen auf uns zukommen, warum sie zwei Väter haben. Wir werden sie offen und ehrlich erziehen, mit ihnen über alles reden und sie in jeder Situation unterstützen.
Beide Kids haben auch in unserem Beisein alle zwei Monate für eine Stunde Kontakt zu den leiblichen Müttern. Wenn sie 18 Jahre alt sind, hört der Pflegekind-Status auf und sie können selbst entscheiden, ob wir sie adoptieren. Das wäre unser innigster Wunsch. Bis dahin werden wir alles tun, ihnen ein glückliches Familienleben zu schenken.

Thomas und Sebastian © vvg

Thomas und Sebastian       

aus Köln und Wiehl  

Wir haben 14 Jahre sozialpädagogische Lebensgemeinschaft geführt. Kinder und Jugendliche, die aus ihren Familien vom Jugendamt herausgenommen wurden, sind bei uns im privaten Haushalt großgeworden. Wir haben bis zu drei Jugendliche gleichzeitig betreut. Insgesamt waren es 17 Jugendliche in 14 Jahren. Es ist vergleichbar mit einer Pflegefamilie, es gibt jedoch den gravierenden Unterschied, dass eine sozialpädagogische Ausbildung nötig ist. Wir betreuen entsprechende Jugendliche, die meist aus einen gestörten familiären Umfeld kommen, Traumata erlebt haben oder denen die ersten Lebensjahre extrem schwergemacht wurden. Wir waren und sind Ersatzfamilie, wenn die Eltern nicht erziehungsfähig sind.
Dabei sind wir immer offen mit unserer Homosexualität umgegangen, sowohl bei den Jugendlichen, als auch ihren Eltern. Wir haben dabei nie Schwierigkeiten erlebt.
Zwischen den Jugendlichen und uns ist eine starke familiäre Bindung entstanden, sie haben bei uns - wie in einer Pflegefamilie - rund um die Uhr gelebt, wir waren gemeinsam in Urlauben, etc. Dabei bleibt auch der Kontakt zur Herkunftsfamilie soweit wie möglich bestehen.
Aus unseren gesammelten Erfahrungen heraus haben wir den privaten Träger Pro Futurum gegründet. Wir haben uns dazu entschlossen, weil wir uns dem Wohl der Kinder verpflichtet fühlen und nicht möchten, dass aus Gründen z.B. der Kommerzialisierung solcher Träger, Kinder nur verwaltet werden. Wir kennen jedes Kind persönlich, legen großen Wert auf qualitative Betreuung und nicht auf Quantität. Wir führen ein Kinderheim und vermitteln gemeinsam mit Jugendämtern unsere Jugendlichen an sozialpädagogische Pflegegemeinschaften und unterstützen diese mit unserer Fachberatung. Von unserem Sitz in Overath betreuen wir ein Einzugsgebiet von 100 km mit derzeit 30 Jugendlichen. Wir würden uns freuen, wenn sich mehr homosexuelle Paare auf diese Form der Familie einlassen, Voraussetzung ist allerdings, dass eine Person im Haushalt eine sozialpädagogische Ausbildung absolviert hat.

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