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Afrika – das queere Herz der Finsternis?

Afrika – das queere Herz der Finsternis? Homosexualität an sich reicht inzwischen aus für eine mehrjährige Haftstrafe

ms - 02.08.2022 - 15:00 Uhr

Immer wieder blicken wir in diesen Tagen nach Ungarn, Polen oder auch in die Ukraine, wo die Menschenrechtssituation gerade für LGBTI*-Personen weiterhin massiv unter Beschuss steht – und diese Angriffe oftmals zumindest staatlich geduldet, wenn nicht sogar bewusst vorangetrieben werden. Dabei zeigt sich bei einem Blick über den gedanklichen Tellerrand: Anderenorts entwickelt sich die Lebensrealität gerade für Homosexuelle in noch dramatischer Weise zum negativen.

Immer mehr Länder in Afrika drohen wahrlich zu einem Herz der Finsternis für LGBTI*-Menschen zu werden, insbesondere vor allem für schwule Männer. Seit einigen Wochen eskaliert jetzt die Situation in Ghana, nachdem dort die Einrichtung eines LGBTI*-Schutzzentrums zu massiven homophoben Gegenbewegungen geführt hat – schlussendlich musste das Gemeinschaftszentrum nach einer Welle von Protesten bereits nach wenigen Wochen wieder schließen. Die Situation ist damit allerdings noch nicht befriedet, ganz im Gegenteil sogar, wie der Guardian berichtet. Die Zahl der Angriffe auf homosexuelle Männer nehmen weiter massiv zu und eine organisierte religiöse Initiative versucht in der aufgeheizten Stimmung, die Rechte von Schwulen und Lesben weiter einzuschränken – mit Erfolg. Das ghanaische Parlament hat eben in einem ersten Schritt ein neues Gesetz verabschiedet, das bereits eine fünfjährige Haftstrafe für alle LGBTI*-Personen vorsieht – einfach nur, weil sie sind, wie sie sind. Es muss erst gar nicht zu sexuellen Handlungen kommen, die in anderen, religiös geprägten Ländern Grundlage für die Verurteilung von Homosexuellen sind. Menschen, die die Rechte von Homosexuellen unterstützen oder auch nur “befürworten“, erwarten künftig sogar noch härtere Strafen.

Für Westafrika-Korrespondent Emmanuel Akinwotu ist die Sache gegenüber dem Guardian klar: Ghana wird mit dem neuen geplanten Gesetz eines der schärfsten Anti-Homosexuellen-Gesetze der Welt einführen. Die Entwicklung ist auch deswegen besonders bedauerlich, weil vor den Ausschreitungen Homosexualität in Ghana zwar nach wie vor illegal war, die Verbote aber nicht besonders streng überwacht wurden, sodass sich das Land in den letzten Jahren im Vergleich zu seinen Nachbarländern zu einem relativ sicheren Ort für LGBTI*-Menschen entwickelt hatte. Von diesem zaghaften Pflänzchen der Gleichberechtigung ist inzwischen nichts mehr übrig. Der dramatische Negativ-Trend zeigt sich auch vielfach anderenorts, beispielsweise in Nigeria. Erst im Juli wurden hier erstmals drei junge Männer aufgrund von homosexuellem Sex hingerichtet. Bisher wurden gleichgeschlechtliche Aktivitäten unter Männern “nur“ mit einer Haftstrafe von bis zu 14 Jahren geahndet. Im Zuge der Ausweitung der Scharia finden jetzt auch Todesstrafen Einzug in die offizielle Gesetzgebung. Ganz ähnliche Entwicklungen verzeichnet Human Rights Watch auch in Ländern wie Kamerun, dem Senegal, Mauretanien oder Somalia.

Während in den vergangenen zehn Jahren fünf Länder in Afrika Homosexualität legalisiert haben, entwickeln sich ganz offensichtlich die meisten anderen afrikanischen Länder in puncto Rechte für Homosexuelle massiv zurück. Nach Angaben der ILGA Europe sind aktuell auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften in 32 der 54 afrikanischen Länder illegal. Wer als LGBTI*-Mensch die Mittel und die Möglichkeit hat, flieht seit geraumer Zeit nach Südafrika – auch hier gibt es zwar nach wie vor Gewalt und Diskriminierung gegenüber Homosexuellen, allerdings ohne Beteiligung des Staates. In der südafrikanischen Verfassung sind die Rechte von sexuellen Minderheiten festgeschrieben und sogar einklagbar. Im Jahr 2006 hat Südafrika als erstes afrikanisches Land die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert – das ändert nichts an den Hassverbrechen, die auch dort gegenüber Homosexuellen noch immer zum Alltag gehören. Trotzdem ist Südafrika derzeit eines der wenigen hoffnungsvollen Lichter in Afrika.

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