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Chaos um Affenpocken-Impfung

Chaos um Affenpocken-Impfung „Berlin riskiert ein Comeback von Mpox“ warnt die Arbeitsgemeinschaft ambulanter Ärzte!

ms - 15.12.2023 - 10:00 Uhr
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Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (Dagnä) schlägt jetzt Alarm – es gebe ein neues „Chaos“ um die Affenpocken-Impfung in mehreren Bundesländern, besonders betroffen sei dabei die deutsche Hauptstadt. „Berlin riskiert ein Comeback von Mpox“ betont der Verein dabei und kritisiert die Landesregierung scharf. Der Berliner Senat hat den Kooperationsvertrag zur Finanzierung der Mpox-Impfung mit dem Wirkstoff Jynneos mit der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin eingestellt, ohne dass bereits eine Nachfolgeregelung final abgeschlossen ist.

Chaoslage in Berlin

Einmal mehr darf in Berlin der Impfstoff damit nicht verwendet werden, obwohl er vorhanden ist – ein ähnliches Debakel gab es bereits zu Beginn des Jahres. Wenn Patienten sich trotzdem impfen lassen wollen, müssten sie dies derzeit selbst bezahlen, so die Dagnä – falls der Arzt sich überhaupt darauf einlässt. Besonders desolat dabei: Die impfenden Schwerpunkt-Praxen wurde erst vor knapp zehn Tagen überhaupt über den neuen Sachverhalt kurzfristig informiert.

Berlin ist dabei nicht das einzige Bundesland, das von dieser Problematik betroffen ist – in der Regenbogenhauptstadt ist die Ausgangslage aber insofern besonders dramatisch, da im vergangenen Jahr über die Hälfe aller rund 3.700 Mpox-Fälle in Berlin verzeichnet worden waren. Auch in diesem Jahr wurde der allergrößte Teil der Neuinfektionen wieder in der schwulen Community in Berlin festgehalten, seit September sind über 50 Fälle registriert worden. Laut dem Robert-Koch-Institut kommt es derzeit zu bis zu zwölf neuen Fällen pro Woche. Ähnlich mit Blick auf die offene weitere Finanzierungsfrage sieht es laut der Dagnä derzeit in Bayern, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen aus.

Impfung künftig direkt beim Hausarzt?

Die grundsätzliche Idee der Umstellung ist dabei, dass künftig der ebenso wirksame Mpox-Impfstoff Imvanex über die häuslichen Arztpraxen und die lokale Apotheke verfügbar sein soll. Patienten können sich dann die zwei Impfeinheiten direkt vom Hausarzt spritzen lassen. Eine gute Idee, doch noch fehlen eben in einigen Bundesländern die entsprechenden Vereinbarungen mit den Krankenkassen, ergo herrscht jetzt erst einmal Stillstand und vielerorts offenbar noch ein sehr großes Durcheinander.  

Zudem sei unklar, ob der Impfstoff künftig über ein Kassenrezept in der Apotheke bezogen werden darf oder ebenfalls zunächst privat bezahlt werden muss. Die Erstattung der entstandenen Kosten müssten dann von Patienten persönlich und eigenständig bei seiner Krankenkasse beantragt werden. „Alle wissen, dass damit die Bereitschaft zur Impfung sinkt“, so der Berliner Infektiologe Heiko Karcher. Es sei daher schwer zu verstehen, dass gerade jetzt mit einem neuen Anstieg der Fallzahlen der Zugang zur Impfung erschwert werde, so Karcher weiter: „Berlin riskiert ein Comeback von Mpox.“

Checkpoint Berlin stellt Mpox-Impfungen ganz ein

Noch einmal schwieriger sei die Lage jetzt für Menschen ohne Krankenversicherung oder Personen aus einem anderen Land, darunter viele Studenten und Selbstständige. Bisher konnten sie sich dank einer Ausnahmeverordnung ohne Zuzahlung ebenso impfen lassen, das ist seit gestern nicht mehr möglich. Christoph Weber, medizinischer Leiter des Checkpoints BLN, hat deswegen jetzt angekündigt, keine Mpox-Impfungen mehr durchführen zu können: „Im Checkpoint sollte es darum gehen, welches Risiko die Menschen haben, nicht um ihren Versicherungsstatus. Wir können Menschen nicht ungleich behandeln, wenn sie die Impfung gleich dringend brauchen.“

Die Ärzte fordern deswegen gerade für Berlin jetzt eine Übergangsregelung, noch dazu, wo nach wie vor tausende Impfdosen mit dem Wirkstoff Jynneos vorrätig sind. „Es ist absurd, dass vorhandener Impfstoff, der für alle zugänglich war, jetzt aus dem Verkehr gezogen wird“, so Weber weiter. Andere Bundesländer wie beispielsweise Hamburg haben deswegen bereits Übergangsregelungen getroffen.

Katastrophale Informationslage

Ebenso absurd ist, dass auch die Schwerpunktzentren in den Communitys ähnlich wie die impfenden Ärzte selbst erst offenbar vor rund zehn Tagen überhaupt über die neue Ausgangslage informiert worden sind – warum das so kurzfristig erfolgte, ist nicht bekannt.

„Eine erfolgreiche Public Health Strategie funktioniert nicht ohne Partizipation der betroffenen Communitys. Stattdessen stehen wir 1,5 Jahre nach dem letzten Mpox-Ausbruch und all den Lehren, die man daraus hätte ziehen können, wieder vor vollendeten Tatsachen“, betont Stephan Jäkel, Abteilungsleitung in der Schwulenberatung Berlin.

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