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HIV und Lungenkrebs

HIV und Lungenkrebs Neue Studie zeigt Risikofaktoren für HIV-Positive auf

ms - 12.10.2022 - 10:30 Uhr
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Eine neue Studie aus den Vereinigten Staaten belegt nun wissenschaftlich fundiert, dass Menschen mit HIV ab dem 40. Lebensjahr ein doppelt so hohes Risiko haben, an Lungenkrebs zu erkranken. Ab dem 60. Lebensjahr legt dieses Risiko bei HIV-Positiven bei rund 30 Prozent. Die Studie bezieht sich explizit auf Menschen in den Vereinigten Staaten, bestätigt aber auch europäische und deutsche Studien, die Menschen mit HIV nebst einem erhöhten Krebsrisiko zudem attestieren, öfter und leichter an Herzerkrankungen zu leiden als Personen ohne einen positiven HIV-Status.

Die große US-Studie basiert auf Fakten über Krebsdiagnosen zwischen 2001 und 2016 in den Vereinigten Staaten. Um das Krebsrisiko bei Menschen mit HIV zu untersuchen, nutzten Forscher des Nationalen Krebsinstituts der USA Daten aus der HIV/AIDS Cancer Match-Studie, die HIV-Daten mit Krebsregisterdaten verknüpft. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Lancet HIV veröffentlicht und zeigen auf, dass die Lungenkrebsraten bei Menschen mit HIV zwar seit mehreren Jahrzehnten rückläufig sind, Lungenkrebs aber nach wie vor die zweithäufigste Krebserkrankung bei Menschen mit HIV ist und bis 2030 wahrscheinlich 15 Prozent aller Krebserkrankungen bei Menschen mit HIV ausmachen wird. Bereits mehrere Studien zuvor haben über höhere Lungenkrebsraten bei HIV-Infizierten im Vergleich zur übrigen Bevölkerung berichtet, aber es fehlten bisher aktuelle Informationen über Lungenkrebs in der alternden Bevölkerung von Menschen mit HIV in den Vereinigten Staaten. So werden die neusten Daten von Experten als wichtigster Schritt für das tiefere Verständnis und den Umgang mit HIV gewertet.

Auch Dr. Stefan Esser vom Universitätsklinikum Essen geht seit 2004 als Leiter der HIV HEART Aging Studie der Frage nach, wie Menschen mit HIV altern und untersucht dabei auch das erhöhte Risiko für Menschen mit HIV mit Bezug auf Krebs –und Herzerkrankungen: „HIV-Patienten leiden vor allem häufiger an Krebserkrankungen, die durch Co-Infektionen hervorgerufen werden. Bekannt sind hier zum Beispiel die unbehandelte chronische Hepatitis C oder auch HPV, also humane Papillomviren, durch die sich Tumore im Mund-, Genital- und Analbereich bilden können. Wir wissen inzwischen, dass das bei HIV-positiven Menschen besonders häufig vorkommt und auch einen besonders ungünstigen und raschen Verlauf nimmt. Das Risiko, durch HPV Krebs zu bekommen, ist für HIV-Patienten bedeutend höher als in der Allgemeinbevölkerung.“

Die US-Studie zeigte nun auch auf, dass die Inzidenz von Lungenkrebs bei Menschen mit HIV insbesondere in jüngeren Altersgruppen höher als in der Allgemeinbevölkerung ist – obwohl die übermäßige Häufigkeit von Lungenkrebs bei Menschen mit HIV im Laufe der Zeit zurückging, lag sie im Zeitraum 2013-2016 weiterhin 48 Prozent höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei Menschen mit HIV im Alter von 40-49 Jahren war die Lungenkrebsrate doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung, in der Altersgruppe 50-59 Jahre um 61 Prozent und in der Altersgruppe 60-69 Jahre um 31 Prozent höher. Die Forschergruppe kam zu dem Schluss, dass Menschen mit HIV über 60 Jahren das höchste Lungenkrebsrisiko haben. Obwohl ein Großteil des erhöhten Risikos bei älteren Menschen auf die höhere Prävalenz des Rauchens bei HIV-Infizierten zurückzuführen ist, kann das in jüngeren Altersgruppen (20- bis 39-Jährige und 40- bis 49-Jährige) beobachtete erhöhte Risiko nicht vollständig durch das Rauchen erklärt werden, so die Forscher. Die durch HIV verursachte Immunsuppression spielt wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle. Es ist davon auszugehen, dass Verbesserungen bei der Diagnose und Behandlung von HIV den Beitrag der Immunsuppression zum Lungenkrebsrisiko im Laufe der Zeit verringern werden, so die Fachleute weiter.  

Dr. Esser empfiehlt im Interview mit SCHWULISSIMO, dass Menschen mit HIV ab dem 40. Lebensjahr sich regelmäßig auf Krebs untersuchen lassen sollten. „Ein Hauptrisikofaktor ist das Rauchen. Als wir mit unserer Studie begonnen haben, gab es noch doppelt so viele Raucher unter HIV-positiven Menschen als in der Allgemeinbevölkerung. Hier hat sich in den letzten Jahren zwar einiges getan, aber noch immer ist die Zahl der Raucher mit HIV um ein Drittel höher als in der Allgemeinbevölkerung“, so der Fachmann weiter, der allerdings auch zu bedenken gibt, dass man als Mensch mit HIV aktiv auch selbst etwas gegen das erhöhte Risiko unternehmen kann: „Für viele Erkrankungen stellt HIV einen zusätzlichen Risikofaktor dar. Wenn man das weiß, kann man vielleicht prophylaktisch agieren und kann Risikofaktoren durch andere Dinge ausgleichen, beispielsweise durch Sport. Es lohnt sich wirklich, als HIV-positiver Mensch ein gewisses Gesundheitsbewusstsein zu entwickeln. Bewegung ist der Schlüssel zur Gesundheit. Jeder Schritt am Tag zählt. Und in puncto Ernährung würde ich auf frische Nahrungsmittel setzen, nicht alles nur aus der Mikrowelle.“

 

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