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Land der Scheinheiligen

Land der Scheinheiligen Die meisten Klicks auf Pornoseiten kommen aus konservativen US-Bundesstaaten!

ms - 27.03.2023 - 15:00 Uhr

Amerika, Land der Mutigen und Freien – und der Scheinheiligen, wie jetzt eine neue US-Studie im Auftrag des Pharmaunternehmens MadHouseLabs auf wunderbare Weise einmal mehr belegt. Das Team hinter der Studie befasste sich mit der spannenden Frage, aus welchen US-Bundesstaaten die meisten Nutzeranfragen für sexuelle Only-Fans-Angebote kommen. Überraschenderweise zeigte sich, dass die meisten User genau aus jenen Regionen Amerikas kommen, die besonders strikte Gesetze oder Richtlinien gegen Sexpositivität und Homosexualität sowie Pornografie haben.

Doppelmoral oder Selbstkasteiung?

Die Wächter der Moral klickten dabei wohl stets am meisten auf Links oder folgten Hashtags, die zu explizit sexuellen Inhalten führten – wahrscheinlich natürlich nur, um die „verdorbene Moral“ von Schwulen besser überwachen und studieren zu können. So verkommt der Klick beinahe zu einem aufopferungsvollen Akt. Die höchste Form der freiwilligen Selbstkasteiung legten so die Herren aus dem Bundesstaat Georgia an den Tag, dicht gefolgt von Mississippi, Louisiana oder auch Texas.

Es mag ein reiner Zufall sein, dass genau jene Bundesstaaten in den letzten zwei Jahren auch alles daransetzten, Inhalte für Erwachsene online verbieten zu lassen, LGBTI*-Themen an Schulen und in öffentlichen Bibliotheken zu verbannen und immer wieder in den letzten Jahren Gesetzesvorhaben einbrachten, die sich gezielt gegen Homosexuelle richten. Georgia beispielsweise bastelt seit einem guten Jahr an einem Verbotsgesetz im Bildungssystem, das ähnlich dem „Don´t Say Gay“-Gesetz alle Informationen rund um die sexuelle Orientierung von Menschen verbannen soll. Es mag mindestens genauso überraschend sein, dass auch in Florida, dem Vaterland des „Don´t Say Gay“-Gesetzes, die Internetnutzer sehr gerne via Twitter auf Weiterleitungen zu Erwachsenenangeboten klicken.

HIV-Zahlen in konservativen Bundesstaaten besonders hoch

Dabei legt die Studie noch eine weitere unheilvolle Allianz nahe: Es scheint immer wahrscheinlicher, dass die HIV-Fallzahlen in jenen US-Bundesstaaten außergewöhnlich hoch ansteigen, in denen sexuelle Aufklärung und Sexualität selbst schambehaftet unterdrückt oder gebrandmarkt wird. Der „Mangel an Bildung“ sei so kontraproduktiv für die „sexuelle Gesundheit“. In Anbetracht der Tatsache, dass die HIV-Neuinfektionen in Amerika zuletzt binnen eines Jahres um 16 Prozent wieder angestiegen sind, eine nicht gerade unwichtige Erkenntnis.

Religiös, konservativ, sexbesessen

Die Ergebnisse dürfen dabei durchaus als repräsentativ gewertet werden, nebst der Untersuchung von über vier Millionen Tweets decken sich die Ergebnisse auch mit der Auswertung von Google-Suchen in den einzelnen Bundesstaaten sowie mit einer Studie, die im Auftrag der Universität von Oklahoma sowie der Clemson Universität in South Carolina bereits 2020 veröffentlicht wurde und festhielt, dass „religiöser und politischer Konservatismus auf staatlicher Ebene positiv mit verschiedenen aggregierten Indikatoren für das Interesse an Pornografie verbunden ist.“

Sperrung von sexuellen Inhalten? Warum?

Im Grunde mag man darüber schmunzeln, auf der anderen Seite stellt sich die Frage, warum einige jener Bundesstaaten dann immer wieder so aktiv daran arbeiten, das Internet selbst einschränken zu lassen und sexuelle Inhalte komplett sperren wollen. Ist das eine besondere Form von Sado-Maso, bei dem man sich als passiver Part selbst der Lust entzieht, um noch mehr lustvolles Leid zu erfahren? Das fürwahr wäre in seiner Radikalität noch extremer als jede Form von schwulem Fetisch, den die Sittenwächter doch stets so gerne verbieten lassen wollen.

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