Direkt zum Inhalt
Kanada kippt Blutspende-Verbot // © :vgajic

„Meilenstein“ für die LGBTI*-Community Deutschland hinkt weltweiten Entwicklungen hinterher

ms - 29.04.2022 - 10:45 Uhr
Loading audio player...

Die kanadischen Gesundheitsbehörden haben jetzt das Verbot von Blutspenden für schwule Männer aufgehoben, das lange Zeit als homophob verurteilt worden war. Die bisherige Regelung hatte festgehalten, dass schwule Männer zuvor drei Monate lang keinen Sex mit einem anderen Mann haben durften, wenn sie eine Blutspende abgeben wollten. Kanada kippte diese, oftmals als diskriminierend verurteilte Richtlinie nun ganz.

Ab dem 30. September werden angehende Spender während des Screening-Prozesses nicht mehr nach ihrer sexuellen Orientierung gefragt, sondern danach, ob sie ein risikoreicheres Sexualverhalten an den Tag legen. Homosexuelle Männer werden damit genauso behandelt wie heterosexuelle Menschen.

Wie in vielen anderen Ländern weltweit war auch in Kanada Anfang der 1990er Jahre (1992) als Schutzmaßnahme vor HIV das zunächst lebenslange Verbot für homosexuelle Männer erlassen worden. Kanada blickt dabei auf ein besonders düsteres Kapitel in der Blutspende-Geschichte zurück: In den 1980er Jahren wurden durch verdorbene Blutspenden und mangelhafte Tests rund 2.000 Menschen durch die Verabreichung von Fremdblut mit HIV und bis zu 60.000 Kanadier mit Hepatitis C infiziert.

Der jetzige Schritt zur Gleichbehandlung von homosexuellen Männern stellt den finalen Abschluss einer schrittweisen Entwicklung dar. Nach dem Totalverbot für Schwule wurden die Maßnahmen erstmals 2013 angepasst – nach fünfjähriger Sex-Abstinenz war es Homosexuellen dann grundsätzlich wieder erlaubt, zu spenden. Später erfolgte die Verkürzung auf drei Monate, die nun zum September 2022 ebenso aufgehoben werden wird.

Der queerfreundliche Premierminister Kanadas, Justin Trudeau, hat damit einmal mehr ein Versprechen gegenüber der LGBTI*-Community in die Tat umgesetzt. Bereits 2015 hatte er davon gesprochen, das Blutspende-Verbot für schwule Männer aufheben zu wollen.

Den jetzigen Schritt begrüßte er außerordentlich und kritisierte die bisherigen Regelungen als "diskriminierend und falsch". Die kanadische Gesundheitsbehörde bezeichnete die Entscheidung zudem als "bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zu einem integrativeren Blutspende-System".

Immer mehr Länder haben in den letzten Jahren ihr Blutspende-Verbot für homosexuelle Männer zurückgenommen, darunter Großbritannien, Frankreich, Griechenland, Israel, Ungarn, Dänemark und Brasilien. Untermauert wurden diese Entscheidungen auch von wissenschaftlicher Seite - Experten haben zwischenzeitlich nachgewiesen, dass die Verbote kaum Wirkung gezeigt haben, da Blut inzwischen sowieso systematisch im Voraus auf Viren wie HIV und Hepatitis B und C untersucht wird.

In Deutschland wurden die Richtlinien im September 2021 halbherzig geändert und die Beschränkungen auf vier Monate verkürzt, in denen ein potenzieller homo- oder bisexueller Mann vor seiner Blutspende keinen sexuellen Risikokontakt gehabt haben darf. Zudem wurden die Richtlinien gleichberechtigt auf alle Personengruppen angewandt, die häufig wechselnden Sexualverkehr oder Risikokontakte haben.

 

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Konflikt bedroht CSD

Initiator Thiele tritt zurück

Das Queere Netzwerk Bramsche, hervorgegangen aus dem ersten Christopher Street Day im Ort, steht nach öffentlichem Streit vor einer Zerreißprobe.
Gefährliche Freundschaft

Ghana und Uganda im Hass vereint

Stimmungsmache in Afrika: Uganda unterstützt Ghana bei der Umsetzung eines neuen Anti-LGBTIQ+-Gesetzes und betreibt Hetze gegen Homosexuelle.
Der Weg ist frei

Tschechiens neuer Premierminister

Ein rechtspopulistisches Dreierbündnis unter Führung von Andrej Babiš regiert ab Dienstag in Tschechien. Was bedeutet das für die LGBTIQ+-Community?
Engpass bei adäquater Hilfe

Defizit medizinischer Angebote

Aktuell verfügen lediglich zwei Praxen in Schleswig-Holstein über eine entsprechende Zulassung für eine qualitätsgesicherte HIV-Therapie.
Eklat um Rachel Devine

Trump-Regierung betont Deadname

Im offiziellen Porträt der ranghöchsten Beamtin des Gesundheitsministeriums der Biden-Regierung, Rachel Devine, wurde nun der Deadname eingesetzt.
Ausstieg als Signal für Wandel

Konflikt führt zu innerer Spaltung

Nach einem Streit um die Rechte von LGBTIQ+-Menschen ist Gabriel Sack, Schriftführer im AfD-Kreisverband Miesbach, aus der Partei ausgetreten.
Bewertung des EuGH-Urteils

IGLA Europe blickt auf Details

Die queere Organisation ILGA Europe bewertete nun das jüngste EuGH-Urteil und erklärt, welche Rechte konkret homosexuelle Ehepaare in der EU nun haben
Kritik an Bundesregierung

Amnesty betont Verantwortung

Amnesty International kritisiert die Bundesregierung, die Projekte für Demokratie und zur LGBTIQ+-Stärkung nicht ausreichend unterstützen würde.