Direkt zum Inhalt
Neuer Eklat an Universität

Neuer Eklat an Universität Die Bitte der Universität um sachliche Diskussion wird abgelehnt

ms - 13.10.2022 - 10:45 Uhr
Loading audio player...

Einige Philosophie-Studenten der Universität Leipzig haben sich jetzt an die Universitätsleitung sowie an die unabhängige Hochschulzeitung luhze aus Leipzig gewandt, um ein Seminar eines Dozenten bereits im Vorfeld zu verhindern. Nach Angaben der, vor allem mehrheitlich queeren Studenten sei zu befürchten, dass die Lehrveranstaltung transphob sein könnte.

Konkret geht es dabei um das Seminar mit dem Titel „Historisch-genetische Theorie der Geschlechterbeziehung: Subjekt – Identität – Liebe“ von Privatdozent Javier Álvarez-Vázquez. Der renommierte Dozent lehrt seit 2020 an der Universität Leipzig und arbeitete zuvor an den Universitäten in Heidelberg, Freiburg, Puerto Rico sowie in den USA. Die Annahme, in der Lehrveranstaltung könnten transfeindliche Inhalte vermittelt werden, stützt sich auf den Beschreibungstext und die Literaturliste. Laut Beschreibung will das Seminar sich „kritisch mit der Klärung der Grundlagen der Geschlechterbeziehung“ auseinandersetzen und spricht weiter von einer „geschlechtlichen ‚Machbarkeitsfaszination‘ seitens der Medizin sowie der Pharmaindustrie“.  Zudem stellt der Beschreibungstext die Frage: „Warum haben Menschen in allen Gesellschaften gesucht, ihre Leben in der Körperzone eines anderen zu führen?“ Die weitere Themenstellung ist vielfältig und geht über die historisch-genetische Theorie der Geschlechterbeziehung bis hin zu philosophischen Fragen zu Sexualität und Promiskuität.

Versagen in der “Awarenessstruktur“ ?

Für die kritischen Studenten ist indes klar, dass Dozent Álvarez-Vázquez sich dabei nur der, aus ihrer Sicht transfeindlichen Formulierungen des Philosophen Christoph Türcke bedienen will, der sich in Büchern kritisch zu chirurgischen Eingriffen und Hormonpräparaten äußerte. Türcke schrieb auch bereits Kommentare für die FAZ zum gleichen Thema und kritisierte zudem das aktuell geplante Selbstbestimmungsgesetz. Eine Trans-Studentin erklärte gegenüber der Hochschulzeitung deswegen, dass eine „unkritische Übernahme“ dieser Theorien zu befürchten sei und dabei die Universitätsleitung bei der Freigabe der Lehrveranstaltung versagt habe. Hier gäbe es ein systematisches Versagen in der “Awarenessstruktur“ des Instituts für Philosophie.

Ein weiterer Kritikpunkt: Im Beschreibungstext des Seminars würden Verschwörungsnarrative genährt. Zudem für Ärger sorgt die Auswahl der Autoren für die Literatur der Lehrveranstaltung, die inhaltlich auf die Fachpublikationen von drei "Cis-Männern“ aufbaut sei. „Jegliche genderqueere Erfahrung und sogar cis-weibliche Perspektiven werden umschifft“, so die queere Philosophie-Studentin weiter gegenüber der Hochschulzeitung aus Leipzig. Seminarleiter Álvarez-Vázquez habe daher nur Texte gesucht, die „die eigene transfeindliche Meinung“ untermauern würden, so der Vorwurf weiter. Álvarez-Vázquez selbst war im Vorfeld der Lehrveranstaltung zu keiner Stellungnahme bereit, die Pressestelle der Universität erklärte, dass man sich nicht zu inhaltlichen Vorwürfen einer Lehrveranstaltung äußern könne. Es gelte die Freiheit von Forschung und Lehre. Ferner empfiehlt die Universität, dass eine kritische inhaltliche Auseinandersetzung im Seminar selbst stattfinden sollte. „Es gehört zur Freiheit von Forschung und Lehre, auch inhaltlich umstrittene Inhalte anzubieten und fachlich zu diskutieren, denn ein wesentlicher Bestandteil von Wissenschaft ist der Diskurs,“ so Pressesprecher Ulf Walther. Die Trans-Studentin erklärte indes, sie lehne einen wissenschaftlichen Diskurs mit dem Dozenten ab, denn eine solche Diskussion gehe ihr als Betroffene persönlich nahe. Des Weiteren würde die Universität mit ihrem Angebot zum Gespräch während des Seminars nur das Machtgefälle zwischen dem promovierten Dozenten und ihr als persönlich betroffene Studentin negieren. Die Lehrveranstaltung selbst begann indes in dieser Woche.

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Strafe, weil er CSD zuließ?

Anklage gegen Gergely Karácsony

Der Bürgermeister von Budapest sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat.
Vorurteile im Kampf gegen HIV

Religiöser Hass in Uganda

Christliche Kirchen verhindern aus Homophobie in Uganda die Unterstützung von Menschen mit HIV, wie die jüngste UNAIDS-Studie belegt.
Rollback in Arlington

Ende bei Antidiskriminierungsschutz

Die erste Stadt in den USA, Arlington, hat jetzt die LGBTIQ+-Antidiskriminierungsgesetze aufgehoben. Eine Entwicklung mit landesweiter Signalwirkung.
Homosexuelle als Bedrohung

Neue Stigmata in Malaysia

Der größte islamische Jugendverein in Malaysia erklärte homosexuelle Menschen zur Bedrohung und fordert weitere Restriktionen gegen die Community.
Asyl für queere Flüchtlinge

Neues Zentrum in Amsterdam

In Amsterdam soll ein neues Asylzentrum nur für queere Flüchtlinge und alleinstehende Frauen entstehen.
Kontenlöschungen bei Meta

Queere Gruppen und Frauen betroffen

Meta steht massiv in der Kritik, zahlreiche Konten mit queeren Inhalten sowie zu Frauenrechten und Abtreibung gelöscht oder stark zensiert zu haben.
Neue Diskriminierung

Keine HIV-positiven US-Soldaten

Das US-Verteidigungsministerium will HIV-positive Soldaten entlassen. Ob das gelingt, ist derzeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung.
Klage gegen Erzbistum Köln

Vorwurf von sexuellem Missbrauch

Ein 70-jähriger Mann hat jetzt das Erzbistum Köln wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch in seiner Jugend auf eine Million Euro Schmerzensgeld verklagt
Hassdelikt: Polizei ermittelt

Ein gezielter Tritt gegenLGBTIQ+

Ein Postbote in Belfast wurde entlassen, weil er einen Gartenwichtel in Regenbogenfarben samt Pride-Flagge mutwillig umstieß.