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Forderungen zur Drogenpolitik

Politikwechsel jetzt? Im Fokus auch: Chemsex in der Gay-Community

ms - 01.09.2022 - 11:30 Uhr

Beinahe jeder Tag im Jahr ist inzwischen irgendein Gedenktag – es gibt sie für Hunde wie für Pflanzenliebhaber, für seltene Tiergattungen wie auch für wichtige Menschenrechtsanliegen. Einer dieser wichtigsten Tage ist der International Overdose Awareness Day, der seit 2001 den medialen Blick auf die Drogenproblematik werfen soll. Immer wieder steht dabei auch die Frage im Raum, wie tödliche Überdosierungen vermieden werden können und ob eine generelle Liberalisierung der Drogenpolitik gerade auch in Deutschland die Lebenssituation vieler Drogensüchtiger nicht nachhaltig verbessern würde – und letzten Endes so auch dazu beitragen kann, dass die Zahl der Toten wie auch die Fälle von Drogensucht selbst sinken.

In Deutschland fordern Vereine wie beispielsweise die Deutsche Aidshilfe alljährlich ein Umdenken, gerade auch, um der Stigmatisierung entgegenzutreten. Die Zahlen aus Deutschland sprechen dabei eine deutliche Sprache: 1.826 Menschen sind im Jahr 2021 an den Folgen von Drogenkonsum verstorben, eine Zunahme von rund 16 Prozent binnen eines Jahres. Das sind im Schnitt fünf Drogentote pro Tag in Deutschland, viele davon auch aus der LGBTI*-Community und/oder der schwulen Stricher-Szene. Todesursache Nummer Eins bleibt die Überdosierung. Immer wieder werden angesichts solcher Daten die Stimmen laut, die wie jetzt abermals zum Gedenktag eine Entkriminalisierung sowie eine staatliche Neuregulierung fordern. Der Staat solle die Produktion der Drogen kontrollieren und eine legale Abgabe in geeigneter Form ermöglichen. Ebenso im Gespräch sind die Vergabe von Notfallmedikamenten, die bei einer Überdosierung die atemlähmende Wirkung aufhebt. Außerdem wird immer wieder auch das sogenannte Drugchecking ins Gespräch gebracht, ein Verfahren, bei dem Konsumenten vor Ort, beispielsweise bei schwulen Partys, ihre Drogen auf Reinheit und eventuell beigemischten Substanzen überprüfen lassen können. Zudem soll hier auch darüber beraten werden, ab welcher Dosierung eine Einnahme gefährlich werden kann.

Das Thema Überdosierung betrifft in besonderem Maße auch die Gay-Community im Bereich Chemsex. Gerade bei der Einnahme von Crystal Meth, Mephedron oder GHB/GBL kann es im Zusammenhang mit schwulem Sex schnell zu viel werden – im Rausch zwischen sexueller Lust und Drogenekstase sind die Grenzen hin zu einer Überdosis schnell überschritten. Eine generelle Liberalisierung bei dem Thema Drogen scheint allerdings trotz zahlreicher Forderungen derzeit nicht in Sicht, zuletzt wurde erst im August erklärt, dass sich selbst die versprochene Legalisierung von Cannabis verzögern wird. Es gäbe hier noch viele offene Fragen, die zuvor geregelt werden müssen, beispielsweise beim Jugendschutz oder den Straßenverkehrsrichtlinien. Zudem müsste eigentlich zunächst auch ein völkerrechtlicher Vertrag mit den Vereinten Nationen aufgekündigt werden, denn dieser stellt Drogenanbau und Besitz in jeder Form unter Strafe.  Während einige Politiker aktuell eine Umsetzung der Idee frühestens auf 2024 datieren, wollen sich andere gar nicht mehr festlegen. Andere Länder gehen mit dieser Causa allerdings deutlich gelassener um, Kanada und die Niederlande beispielsweise ignorieren den völkerrechtlichen Vertrag schlicht. In Deutschland hat zudem zuletzt auch der Bundesrat noch ein Wort mitzureden, sodass auch die CDU/CSU mitentscheiden darf und kann – die Union spricht sich dabei vehement gegen eine Legalisierung aus.   

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