Direkt zum Inhalt
Proteste der Familien

Proteste der Familien Immer mehr Regenbogenfamilien in Italien wehren sich gegen die homophoben neuen Gesetze

ms - 23.08.2023 - 15:00 Uhr
Loading audio player...

Der Widerstand gegen neue Gesetze in Italien, die sich gezielt gegen Homosexuelle wenden, wächst immer mehr an – aktuell geht es dabei um neue Richtlinien, die die rechtsgerichtete Premierministerin Giorgia Meloni im März dieses Jahres festgesetzt hatte. Alle Städte und Gemeinden im Land werden darin aufgefordert, nur noch heterosexuelle biologische Eltern in die Geburtsurkunden einzutragen, Regenbogenfamilien mit gleichgeschlechtlichen Paaren fallen raus.

Homosexuelle Eltern werden zu Fremden

Nach und nach kristallisierte sich dabei offenbar in den letzten Monaten immer mehr im Land heraus, was das konkret bedeutet und wie viele Menschen davon betroffen sind. In immer mehr Familien mit zwei schwulen oder lesbischen Paaren werden die Eltern teilweise von einem Tag auf den anderen offiziell vor dem Gesetz zu Fremden für die eigenen Kinder. Das greift dabei in alle Lebensbereiche massiv ein, von alltäglichen Fragen in der Schule, jeder Art von behördlichen Genehmigungen bis hin zu Arztbesuchen.

Dabei war die Lage von homosexuellen Paaren mit Kindern bereits zuvor nicht leicht, erst 2016 hat das Land gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften überhaupt legalisiert, ein Adoptionsrecht oder künstliche Befruchtung sind auf Druck der römisch-katholischen Kirche bis heute verboten, die Leihmutterschaft im Ausland soll jetzt zeitnah ebenso untersagt werden.

Rettungsinsel Mailand

Mailand war dabei in den letzten Jahren für viele gleichgeschlechtliche Eltern zu einer Art von Rettungsinsel geworden; im Jahr 2018 hatte die Stadtverwaltung angefangen, Eltern gleichen Geschlechts in den Geburtsurkunden ihrer Kinder aufzuführen. Einige andere Regionen folgten. Das ist nun vorbei und verboten. Der homosexuellenfreundliche Bürgermeister von Mailand, Giuseppe Sala, erklärte, er habe keine andere Wahl mehr, als dem nachzukommen.

Nationale und internationale Proteste

Was folgte, waren erste vereinzelte Proteste, nun scheinen sich die betroffenen Familien in letzter Zeit allerdings immer mehr untereinander zu vernetzen und wollen die neue Gesetzeslage nicht mehr so stillschweigend akzeptieren. Auch von Seiten der Opposition wurde die Kritik zuletzt immer lauter. Alessandro Zan, ein schwuler Politiker der Demokratischen Partei, erklärte so gegenüber dem Guardian: „Diese Kinder werden per Dekret zu Waisen gemacht. Dies ist eine grausame, unmenschliche Entscheidung.“

Eine Rüge kam inzwischen auch vom Europäischen Parlament, das die italienische Regierung aufforderte, ihre Haltung zu überdenken. Die neuen Richtlinien seien ein „direkter Verstoß gegen die von der UNO festgelegten Kinderrechte“ und stellten dabei einen Teil eines „umfassenderen Angriffs gegen die LGBTI*-Community in Italien“ dar. Premierministerin Meloni macht bis heute auch gar keinen Hehl daraus, fraglich bleibt also nur, ob sie aufgrund des steigenden nationalen wie internationalen Drucks letztendlich vielleicht doch noch einknicken wird.  

Juristischer Alptraum für Regenbogenfamilien

Auch juristisch ist die Sachlage für Italien dabei eine besonders schwierige, wie jetzt auch Angelo Schillaci, einer der führenden italienischen Juraprofessoren an der römischen Sapienza-Universität, feststellte: „Es ist ein Alptraum für die Eltern und auch für ihre Kinder. Der zweite der beiden Väter oder Mütter kann praktisch nichts tun, vom Arztbesuch bis zum Abholen des Kindes von der Schule, ohne die Erlaubnis des rechtlichen Elternteils. Selbst mit dieser Ermächtigung können sie allerdings zum Beispiel keine medizinischen Entscheidungen treffen, die das Leben des Kindes retten.“

Verunglückt so beispielsweise das leibliche Elternteil, ist das Kind vor dem Gesetz eine Waise, ein Mündel des Staates. Einige rechtskonservative Politiker gehen indes sogar noch weiter und fordern derzeit bei der Geburtsurkunde auch die Streichung der leiblichen Mutter, wenn diese in einer lesbischen Beziehung lebt.

Alles wurde schwieriger seit Meloni

Immer wieder kam es zuletzt deswegen auch zu Demonstrationen im Land, bei denen LGBTI*-Aktivisten Schilder mit Aufschriften trugen wie: "Wir sind Familien, keine Kriminellen". Gabriele Piazzoni von Arcigay, Italiens größter LGBTI*-Organisation, sagte: „Dieses Verbot ist eine der konkretesten Manifestationen der Wut, die die rechte Mehrheit bisher gegen LGBTI*-Personen entfesselt hat! Seit Meloni ist alles schwieriger geworden, viel schwieriger als vorher.“

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Strafe, weil er CSD zuließ?

Anklage gegen Gergely Karácsony

Der Bürgermeister von Budapest sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat.
Vorurteile im Kampf gegen HIV

Religiöser Hass in Uganda

Christliche Kirchen verhindern aus Homophobie in Uganda die Unterstützung von Menschen mit HIV, wie die jüngste UNAIDS-Studie belegt.
Rollback in Arlington

Ende bei Antidiskriminierungsschutz

Die erste Stadt in den USA, Arlington, hat jetzt die LGBTIQ+-Antidiskriminierungsgesetze aufgehoben. Eine Entwicklung mit landesweiter Signalwirkung.
Homosexuelle als Bedrohung

Neue Stigmata in Malaysia

Der größte islamische Jugendverein in Malaysia erklärte homosexuelle Menschen zur Bedrohung und fordert weitere Restriktionen gegen die Community.
Asyl für queere Flüchtlinge

Neues Zentrum in Amsterdam

In Amsterdam soll ein neues Asylzentrum nur für queere Flüchtlinge und alleinstehende Frauen entstehen.
Kontenlöschungen bei Meta

Queere Gruppen und Frauen betroffen

Meta steht massiv in der Kritik, zahlreiche Konten mit queeren Inhalten sowie zu Frauenrechten und Abtreibung gelöscht oder stark zensiert zu haben.
Neue Diskriminierung

Keine HIV-positiven US-Soldaten

Das US-Verteidigungsministerium will HIV-positive Soldaten entlassen. Ob das gelingt, ist derzeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung.
Klage gegen Erzbistum Köln

Vorwurf von sexuellem Missbrauch

Ein 70-jähriger Mann hat jetzt das Erzbistum Köln wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch in seiner Jugend auf eine Million Euro Schmerzensgeld verklagt
Hassdelikt: Polizei ermittelt

Ein gezielter Tritt gegenLGBTIQ+

Ein Postbote in Belfast wurde entlassen, weil er einen Gartenwichtel in Regenbogenfarben samt Pride-Flagge mutwillig umstieß.