Direkt zum Inhalt
Sichere Herkunftsstaaten

Sichere Herkunftsstaaten Queer-Beauftragter Lehmann kritisiert Entscheidung der Bundesregierung

ms - 16.11.2023 - 17:25 Uhr
Loading audio player...

Der Bundestag hat heute mit den Stimmen der Ampel-Koalition beschlossen, dass Georgien sowie die Republik Moldau auf die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen – mehrere LGBTI*-Verbände wie der Lesben- und Schwulenverband hatten das Vorhaben zuletzt mehrfach scharf kritisiert. Die Zustimmung des Bundesrats gilt derweil nur noch als reine Formsache.

Mit der jetzt verabschiedeten Änderung wird es vielen Menschen nach Angaben des LSVD nahezu unmöglich gemacht, aufgrund ihrer LGBTI*-Zugehörigkeit erfolgreich einen Asylantrag stellen zu können. Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand hatte bekräftigt, dass beide Länder zudem für LGBTI*-Menschen nicht sicher seien: „Die Einstufung des eigenen Herkunftslands als ´sicher´ trifft LSBTIQ* Geflüchtete dabei besonders hart." Bei der Expertenanhörung im Innenausschuss des Bundestages letzte Woche hatte sich allerdings die deutliche Mehrheit der geladenen Fachleute für die Einbindung der beiden Ländern als sichere Herkunftsstaaten ausgesprochen.  

Lehmann kritisiert Ampel-Entscheidung

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann erklärte jetzt dazu: „Diesem Gesetzentwurf habe ich nicht zugestimmt, da dieses Vorhaben weder mit meinem Gewissen noch mit meinem Amt als Queer-Beauftragter der Bundesregierung vereinbar ist. Länder, in denen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen nicht ausreichend geschützt werden, dürfen nicht als sicher gelten. Das Bundesverfassungsgericht hat 1996 geurteilt, dass für die Bestimmung eines Staates zum ´sicheren Herkunftsstaat´ Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen muss (…) Maßstab für die Einschätzung eines Verfolgungsrisikos ist ein offenes und geoutetes Leben. Das ist für LSBTIQ* als soziale Gruppe in Georgien und Moldau nicht möglich.“ Die Zustimmung des Gesetzes seitens seiner Parteikollegen von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen kommentierte Lehmann nicht.    

Entscheidung verschlechterte LGBTI*-Asylverfahren

Indes wies der Queer-Beauftragte auf die jüngsten LGBTI*-feindlichen Vorfälle in Georgien hin, beispielsweise die Erstürmung des Pride-Festivals in Tiflis in diesem Jahr. „Der georgische Staat hat mehrmals gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, LSBTIQ* ausreichend vor nichtstaatlicher Verfolgung zu schützen. Stattdessen beteiligen sich Teile der Regierung sogar an der Hetze. Zudem sind Teile des Landes von Russland kontrolliert“, so Lehmann weiter. Er hoffe nun, dass sich die Lage vor Ort durch eine Beitrittsperspektive der zwei Länder zur EU verbessere. 

Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ sei dabei deswegen besonders problematisch, weil die Asylverfahren aus diesen Ländern bevorzugt bearbeitet werden, womit auch die Ausreisefrist auf eine Woche verkürzt wird. Auch eine Klage gegen die Entscheidung ist innerhalb einer Woche zu erheben. „Gerade geflüchtete LSBTIQ* brauchen aber Zeit, um sich gegenüber staatlichen Behörden zu outen und ihre Fluchtgründe vorzubringen. Mit der Einstufung als ´sichere Herkunftsstaaten´ verschlechtert sich folglich die Chance auf ein faires Asylverfahren für LSBTIQ*-Geflüchtete aus Georgien und Moldau“, so Lehmann abschließend.

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Schwuler Masterplan enthüllt

Neuste Thesen aus Russland

Wir sind aufgeflogen! Ein russischer Wissenschaftler und Putin-Freund hat nun erklärt: Die LGBTIQ+-Community plant das Ende der Menschheit.
Streit über queeres Radio

Zu wenig schwul für die Hörer?

Ein Lokalradiosender für LGBTIQ+ in Nordirland ist nicht schwul genug, erklärte jetzt die Aufsichtsbehörde. Die Betreiber vermuten homophobe Motive.
Kleinkrieg eines Kleingeistes

Regenbögen auf Floridas Straßen

Erneut hat Floridas Gouverneur DeSantis einen Regenbogen-Zebrastreifen überpinseln lassen. Die Aktionen verkommen zum Kleinkrieg eines Kleingeistes.
STI-Anstieg in Italien

Massive Zunahme in Bella Italia

Wie in ganz Europa vermeldet jetzt auch Italien einen massiven Anstieg bei Geschlechtskrankheiten, teilweise über 80 %, gerade bei schwulen Männern.
EU-Gleichstellungsstrategie

Heiße Luft in der EU-Kommission?

Die EU hat heute ihre neue LGBTIQ+-Gleichstellungsstrategie 2026-2030 vorgestellt. Nichts Verbindliches und viel heiße Luft – so die queere Kritik.
Debatte über EU-Chatkontrolle

LSVD+ betont Gefahr für Grundrechte

Die geplante EU-Chatkontrolle sieht vor, alle Chats mittels KI mitzulesen, das Ende der Privatsphäre. Vereine wie der LSVD+ warnen eindringlich davor.
Raub der „Queer-Bibel“

Homophober Diebstahl in Luzern

In der Schweiz wurde erneut die einzigartige "Queer-Bibel" gestohlen, ein Manifest, das queere Lebensweisen in den alten Texten hervorhebt und betont.
Kehrtwende in Vietnam?

Rückentwicklung bei LGBTIQ+

Vietnam hat sich in puncto LGBTIQ+ zuletzt stetig weiterentwickelt. Droht jetzt der Rollback? Mindestens sechs große Pride-Events wurden nun abgesagt.
Notlandung wegen LGBTIQ+

Bedrohung durch queere Passagiere?

Skurriler Vorfall: In den USA musste ein Flugzeug letzte Woche notlanden, weil ein Passagier Angst hatte, sich mit „Schwulenkrebs“ anzustecken.