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LGBTI* im Fokus oder nicht?

Wie wählt Niedersachen? Haben LGBTI*-Menschen die Landes- oder Bundespolitik im Blick?

ms - 07.10.2022 - 10:00 Uhr

An diesem Sonntag wählt Niedersachen einen neuen Landtag und für die LGBTI*-Community steht dabei die Frage im Raum, wie wichtige Ziele vor Ort mit welcher Partei am besten umgesetzt werden könnten. Wie immer stellt sich dabei auch die Frage, ob lokale Aspekte, die Bundespolitik oder derzeit akute Fragen rund um Energiekosten oder ähnliches stärker priorisiert werden. Der Lesben- und Schwulenverband Niedersachsen-Bremen hat für Unentschlossene deswegen bereits im September die Wahlprüfsteine veröffentlicht, ähnlich wie beim Wahl-O-Mat können hier Schwule, Lesben und queere Menschen einen Blick darauf werfen, wie die einzelnen Parteien vor Ort zu lokalen LGBTI*-Projekten stehen.

Die Wahl in Niedersachen hat dabei auch eine Signalwirkung, die über die Landesgrenzen hinausgehen dürfte – zum einen ist diese mit Sicherheit auch ein Stimmungsbarometer für ganz Deutschland sowie auch für LGBTI*. Viele queere Themen wurden von der neuen Ampel-Koalition versprochen, darunter ein Nationaler Aktionsplan gegen Hasskriminalität und mehr Vielfalt an Schulen, eine Änderung des Abstammungsrechts bei Regenbogenfamilien oder auch eine Ergänzung des Grundgesetzes, um LGBTI*-Menschen künftig auch rechtlich ein Stück besser schützen zu können. Konkret passiert ist bisher noch wenig, viele Projekte befinden sich allerdings gerade in der Entwicklungsphase, so soll beispielsweise sowohl der Aktionsplan wie auch das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz im kommenden Jahr umgesetzt werden. Zeigt sich die Community in Niedersachen geduldig oder hat sie mehr in kürzerer Zeit erwartet? Auch ein Aspekt, der am Sonntag wichtig sein kann. Zum anderen ist die Wahl auch deswegen spannend, weil es die letzte in diesem Jahr ist und sich dabei die SPD sowie die CDU ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, während gleich drei weitere Parteien (FDP, Linke, AfD) überhaupt darum kämpfen müssen, nochmals in den Landtag einziehen zu können. Seit 2013 regiert der Jurist Stephan Weil (SPD) als Ministerpräsident das Bundesland – in den vergangenen Jahren hat er sich immer wieder für die LGBTI*-Community ausgesprochen und sich auch klar gegen die Hasskriminalität gegenüber LGBTI*-Menschen positioniert. Aktuell regiert er in der Koalition mit der CDU.

Bei den Wahlprüfsteinen zeigte sich bereits im Vorfeld, für wie wichtig einzelne Parteien die LGBTI*-Community nehmen. Nur die FDP, die Grünen und die Linken haben durchwegs die Fragen des Vereins beantwortet, AfD und CDU lieferten nur teilweise konkrete Aussagen oder gaben Antworten “wie vom Fließtext“, so Benjamin Rottmann, Vorsitzender des LSVD Niedersachsen-Bremen. Die SPD Niedersachsen hat trotz mehrmaliger Erinnerung gar nicht geantwortet. Mit Blick auf die Situation vor Ort hält Rottmann zudem fest: „Erfreulich ist, dass sowohl die FDP als auch die Grünen und die Linke dafür sorgen wollen, dass in Niedersachsen endlich ein Aktionsplan zur Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt auf den Weg gebracht wird. Bei der Absicherung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen sind sich die drei Parteien ebenso einig wie bei der Forderung, LSBTIQ* endlich auch in die Landesverfassung und ins Grundgesetz aufnehmen zu wollen. Die CDU schweigt zu diesen Themen. Im Kampf gegen LSBTIQ*-feindliche Hassgewalt wollen Grüne und Linke dafür sorgen, dass bei der Landespolizei und den Staatsanwaltschaften hauptamtliche LSBTIQ*- Ansprechpersonen etabliert werden. Die CDU hat sich dazu nicht positioniert, ebenso wie die FDP. In Schule und Unterricht wollen Grüne und Linke dafür eintreten, dass sexuelle und geschlechtliche Vielfalt fächerübergreifend thematisiert wird und vielfaltsabbildende Unterrichtsmaterialien verstärkt den Weg in die Klassenzimmer finden. Den Ausbau von Fortbildungsangeboten, um die Regenbogenkompetenz von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften zu erhöhen, und die finanzielle Stärkung queerer Bildungsprojekte will auch die FDP mittragen. Bei der Frage, wie ein sach- und zeitgemäßer Umgang mit Regenbogenfamilien in Niedersachsen gefördert werden kann, zeigen sich die drei Parteien ebenfalls unterstützend. Im Bereich der Altenhilfe und -arbeit wollen FDP, Linke und Grüne durch Fortbildungen sowie durch verpflichtende Ausbildungsmodule den professionellen und diskriminierungsfreien Umgang mit Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt voranbringen. Die FDP will prüfen, ob sie eine landesweite Fachstelle zur Sensibilisierung, Beratung und Schulung in diesem Bereich auf den Weg bringen kann.“

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