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ARD und ZDF erteilen Gender-Debatte Absage

Streit über Sprache im TV 125 Wissenschaftler fordern ein Umdenken bei der Gender-Sprache

ms - 02.08.2022 - 14:30 Uhr
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Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF haben jetzt erklärt, dass sie weiter an der Gendersprache festhalten wollen beziehungsweise es den einzelnen Redaktionen überlassen, wie diese damit umgehen – dem Aufruf von über 125 Sprachwissenschaftlern erteilten sie damit eine klare Absage. Zuvor hatte zuletzt eine TV-Sendung des Bayerischen Rundfunks für Aufsehen gesorgt, in der für die Gender-Sprache geworben wurde – bei der anschließenden Umfrage unter Schulklassen erklärte trotzdem die große Mehrheit ähnlich wie bei Umfragen in der Gesamtgesellschaft, dass sie das Gendern auch weiterhin ablehnen und für unnötig empfinden würden. Moderatorin Claudia Stamm, ehemalige Politikerin der Grünen, zeigte sich sichtlich erschüttert über das Ergebnis und erklärte während der Sendung, man müsse hier noch einmal eine Diskussion führen, „wie wir die Veränderung weiter kriegen, also wie wir sie schneller voranbringen“ und zwar so, dass es dann auch unten ankommt – damit meinte Stamm wohl Menschen ohne Universitätsabschluss. Die BILD hatte daraufhin erklärt, der Bayerische Rundfunk habe sich mit dieser Sendung blamiert. Florian Herrmann (CSU), der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Minister für Medien, bezeichnete die Sendung als „gebührenfinanziertes Zwangsgendern“.

In diese Diskussion schalteten sich zuletzt nun auch mehr als 125 Sprachwissenschaftler und Linguisten ein und forderten in einem öffentlichen Aufruf, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht am Gendern festhalten solle: „Ausgangspunkt dieser Sprachpraxis ist die Bewertung des generischen Maskulinums als diskriminierende Sprachform, die wir als Sprachwissenschaftler und Philologen zurückweisen. Wir fordern eine kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage. Die Sprachverwendung des ÖRR ist Vorbild und Maßstab für Millionen von Zuschauern, Zuhörern und Lesern. Daraus erwächst für die Sender die Verpflichtung, sich in Texten und Formulierungen an geltenden Sprachnormen zu orientieren und mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei umzugehen. Mehr als drei Viertel der Medienkonsumenten bevorzugen Umfragen zufolge den etablierten Sprachgebrauch – der ÖRR sollte den Wunsch der Mehrheit respektieren.“

Mit Fakten und wissenschaftlichen Beweisen untermauert erklärten die Sprachwissenschaftler zudem, dass mit der Verwendung genau das Gegenteil von dem geschehe, was eigentlich bezweckt werden solle – eine Inklusion von Frauen oder queeren Menschen finde so in der Sprache gerade nicht statt: „Wir weisen auch darauf hin, dass Gendern zu einer ausgeprägten Sexualisierung der Sprache, also zu einer permanenten Betonung von Geschlechterdifferenzen führt. Daher wird das wichtige Ziel der Geschlechtergerechtigkeit konterkariert und Gendern von einigen Debattenteilnehmern auch als sexistisch bezeichnet.“

Eine ZDF-Sprecher erklärte jetzt daraufhin gegenüber der BILD-Zeitung:  „Es steht den Redaktionen sowie Moderatorinnen und Moderatoren frei, sprachliche Mittel für eine diskriminierungsfreie Ansprache zu finden“. Und die ARD erklärte gegenüber der Presse: „Das Thema gendergerechte Sprache wird bei den neun unabhängigen ARD-Landesrundfunkanstalten – und auch innerhalb derselben – durchaus unterschiedlich diskutiert und gehandhabt. Das funktioniert unserer Überzeugung nach bei diesem Thema nicht mit einer einheitlichen strikten Vorgabe – weder in die eine noch in die andere Richtung –, sondern durch eine pragmatische, zielgruppenorientierte Praxis“. Die rund 125 Wissenschaftler widersprechen dieser Handhabung und setzen dem abschließend ein Zitat des berühmten Journalisten und Tagesthemen-Sprechers Hanns Joachim Friedrichs entgegen: “Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.”

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