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Beziehungen mit großem Altersunterschied // © CasarsaGuru
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Beziehungen mit großem Altersunterschied Der ist doch viel zu jung / zu alt für dich!

vvg - 20.06.2022 - 09:00 Uhr

Reiner: Wir sind seit 11 Jahren zusammen und altersmäßig 28 Jahre auseinander; ich bin also fast doppelt so alt wie Kris. Ich war vorher 14 Jahre mit meinem Ex zusammen, in dessen Betrieb Kris als Azubi anfing. Damit begann unsere Beziehung als verhängnisvolles Spiel. Zuerst sind wir zu dritt ausgegangen, dann nur noch zu zweit. Irgendwann gab es Ärger, weil uns ein bekanntes Pärchen verpetzte. Ich wurde daraufhin aus der Wohnung geworfen und brauchte eine Schlafgelegenheit und Kris brauchte nicht mehr zur Arbeit kommen, woraus folgte, dass wir zusammenkamen und aus einem freundschaftlichen Verhältnis Liebe wurde.

Meine Mutter freute sich, dass die alte Geschichte vorbei war, heute vergöttert und liebt sie den Kris. Die Reaktionen von damaligen Freunden waren anfangs schwieriger. Da hörte man es munkeln, was denn das Jüngelchen von dem Älteren wollte – der will den doch nur ausnehmen. Wir vernahmen schon Worte wie „Sugar Daddy" und Sätze wie "So eine Beziehung funktioniert doch eh` nicht - nach drei Monaten ist das durch." Es wollten sich sogar einige mit: „Was willst du denn mit dem? Nimm doch lieber mich!“, zwischen uns drängen.

Wir haben allerdings auch viel Positives erfahren und alle unsere jetzigen Freunde finden, dass wir gut zusammenpassen.

Kris: Reiner stand nie auf Jüngere und ich hatte schon immer Freunde, die älter sein mussten. Mit 15 hatte ich einen Freund, der 21 war; mit den Jahren hat sich das so entwickelt, das meine Beziehungspartner mindestens zehn Jahre älter waren. Gleichaltrige waren mir vom Verstand und Wesen her nicht erwachsen genug. Reiner und ich ergänzen uns trotz Altersunterschied und das ist die Kraft unserer Beziehung.
Kris & Reiner  
 

Kris & Reiner // © vvg

Den Spruch habe ich oft gehört; nicht nur in der Szene, sondern sogar von meiner Mutter. Ich hatte einen zehn Jahre älteren Freund, da hörte ich oft: „Der ist ja viel älter als du!“, „Das geht gar nicht!“, „Das passt altersmäßig nicht!“ Ich kann verstehen, dass sich meine Mutter Sorgen gemacht hat, denn ich war damals erst 18. Aber selbst wenn er doppelt so alt gewesen wäre, ich hatte ihn mir ausgesucht, weil ich ihn gut fand und mich mit ihm verstand. Mein Bruder hatte sogar vier Jahre lang eine Beziehung zu einem dreißig Jahre älteren Mann; das fand meine Mutter noch schrecklicher. Aber man sucht sich doch keinen Freund nach Alter, sondern nach Sympathie aus. Für mich waren zehn Jahre Altersunterschied kein Problem: Ich wirkte älter und er kindlicher. Dass es irgendwann auseinanderging, lag daran, dass er fremdging.

Ich stehe weder auf ältere noch auf jüngere Männer. Mir ist es wichtig, dass der Mensch zu mir passt und wie er mit mir umgeht. Das Alter spielt eine untergeordnetere Rolle.

Warum die Szene immer darüber diskutiert, mit wem man zusammen ist und sich erlaubt, den Partner als zu „alt, jung, dick, dünn, groß, klein oder zu eingebildet" beurteilt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Leute haben doch so oder so irgendetwas auszusetzen. Natürlich darf jeder eine Meinung haben und ich habe auch nichts dagegen, wenn sie Empfehlungen geben; aber wenn eine Person mit dem von ihr ausgesuchtem Partner glücklich ist, sollte man ihr das nicht ausreden. Wenn zwei Personen glücklich miteinander sind – und sie noch so verschieden sind - lass sie glücklich sein.
Leiko aus Frankfurt
 

Leiko // © vvg

Ich kenne ein Paar, bei denen der Altersunterschied bei mehr als dreißig Jahren liegt. Der Jüngere hatte vorher Beziehungen mit Gleichaltrigen, was nicht funktioniert hat. Seitdem er mit dem Älteren zusammen ist, blüht er förmlich auf, ist ausgeglichen und mega glücklich. Wenn man die beiden zusammen sieht, hat man den Eindruck, als wären sie schon seit zehn Jahren zusammen; dabei kennen sie sich gerade ein halbes Jahr. Der Jüngere lernt vom Älteren Verantwortung und viel vom Leben. Der Ältere bleibt zumindest im Kopf jugendlich und setzt sich mit der Sichtweise der Jüngeren auseinander. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die beiden von der Szene belächelt werden. Leider ist das aber nicht die Norm, denn in der Szene ist es oft so, dass man über altersunterschiedliche Paare herzieht. Meistens kommt das von Alleinstehenden, weil sie selber keine Beziehung haben, deswegen vielleicht neidisch sind und anderen ihr Glück nicht gönnen. Gerade Schwule, die von ihren Mitmenschen Toleranz und Akzeptanz einfordern, sind meist die intolerantesten und respektlosesten Menschen, die es gibt. Wo generell die Vorurteile und die Altersdiskriminierung herkommen, liegt wahrscheinlich in der Erziehung begründet. Früher war ein Paar maximal fünf Jahre altersmäßig auseinander. Wenn man einen Partner hatte, der wesentlich älter war, hatte das sofort einen negativen, ja fast unsittlichen Beigeschmack. Das ist wie mit der Homophobie: Ob man das irgendwann komplett wegbekommt, wage ich zu bezweifeln.

Meine eigene Meinung zum Thema: Gefühle sind Gefühle und haben nichts mit dem Alter zu tun. Es gibt Jungs, die mit 20 Jahren komplett reif wirken und ebenso gibt es 50jährige, die durch ihre Ausstrahlung und Aktivität viel jünger sind.
Marcel aus Bonn
 

Marcel // © vvg

Alter spielt bei Schwulen eine wirklich große Rolle, mit 40 ist man für die Jüngeren gefühlt schon „tot“ und es fällt oft schwer in Würde zu altern. Altern gehört zum Leben.

Aber zur Frage: Für mich persönlich sollte der Partner mehr oder weniger gleichaltrig sein, also plus/minus fünf Jahre. Auch sind fünf Jahre Altersunterschied bei Twens sicher anders zu bewerten, als bei Vierzigern, da in der Jugend die Entwicklungssprünge viel größer sind.

Allerdings habe ich kein Problem, wenn Paare zusammenfinden, die einen größeren Altersunterschied haben. Ich kann da aus der Familie berichten: mein Großvater hatte eine sechzehn Jahre jüngere Frau. Bei den beiden hat es wunderbar funktioniert. Auch die Auffassung der Vergangenheit, dass die Frau immer jünger als der Mann zu sein habe, hat sich verändert, auch wenn da heute das Vorurteil des Toy-Boys im Raum steht. Das Klischee des Sugar Daddys hält sich ja ebenso. Die Vorurteile stehen erst einmal im Raum, aber auch das, denke ich, wird sich normalisieren.

Wenn die Liebe zwei Menschen für einander bestimmt, oder auch der Verstand Jung und Alt zusammenbringt, ist nichts dagegen einzuwenden. Vielleicht bringt es dem Jüngeren monetäre Sicherheit und der Ältere kann Erfahrungen weitergeben, bleibt selber jung oder erhält Hilfe im Alltag bei gesundheitlichen Einschränkungen.

Persönlich bei mir hätte ich die Sorge, dass sich mit fortschreitendem Alter unterschiedliche Bedürfnisse herausbilden. Der jüngere Partner ist zum Beispiel noch aktiver und will etwas unternehmen, während der andere vielleicht auch noch möchte, aber z.B. gesundheitlich nicht mehr kann. Wenn sich die Prioritäten verschieben, sähe ich da eine Gefahr für eine glückliche Beziehung.
Sascha aus Hennef
 

Sascha // © vvg

Für mich gibt es „zu jung“ bzw. „zu alt“ nicht als Thema. Wenn zwei Menschen intellektuell zusammenpassen, geht alles. Da spreche ich auch aus eigener Erfahrung. Ich komme gerade aus einer Beziehung mit meiner Ex-Freundin, wir waren 21 Jahre auseinander. Unsere Beziehung hat fast 14 Jahre wunderbar funktioniert. Leider ist der Altersunterschied dann doch zu einem Problem geworden. Es lag an Unterschieden im Gefühlsleben, an Lebenserfahrungen und auch am unterschiedlichen Blickwinkel aufs Leben, der sich mit höherem Alter verändert. Gott-sei-Dank haben wir die Kurve gekriegt, sind im Guten auseinandergegangen und werden in Zukunft hoffentlich auch freundschaftlich verbunden bleiben.

Am Anfang unserer Beziehung vor 14 Jahren mussten wir uns schon sehr mit den Klischee-Meinungen aus unserem Umfeld auseinandersetzen. Einige waren sichtlich entsetzt über den Altersunterschied und dachten, dass es sowieso nicht funktioniert. Dies war so die allgemeine Reaktion, die da auf uns niederprasselte. Ein paar gute Freunde haben es jedoch gar nicht beurteilt und haben einfach die Situation so betrachtet, wie sie war und sich entwickelte. Sie haben wohl gedacht, die beiden werden schon wissen, was sie aneinander haben und aneinander schätzen. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich jünger und meine Partnerin älter gewesen wäre. Ich würde mich aber nicht limitieren, ob das eine geht und das andere nicht.

Wir leben heute in einer toleranteren Gesellschaft, vor fünfzig Jahren wären die Reaktionen auf einen zu großen Altersunterschied in einer Beziehung sicher heftiger ausgefallen. Trotzdem ist es auch heute nicht unproblematisch, aber als Paar muss man letztendlich in seinem eigenen Mikrokosmos zu zweit klarkommen, und Meinungen von außen sollten darauf keinen Einfluss haben.
Tom aus Dortmund
 

Tom // © vvg

Ich bin mit meinem Mann Kurt seit elf Jahren verheiratet und wir kennen uns zwölf Jahre. Zwischen uns liegen 27 Jahre Altersunterschied, mein Mann ist 84 Jahre und ich folglich 57. Kurt ist nicht mein erster älterer Mann, aber je jünger ich in meinen vorherigen Beziehungen war, umso stärker war das Gerücht von außen, ich würde meinen älteren Partner ausnutzen. In meiner Kneipe für ältere Männer beobachte ich, dass über „Touristenpaare“ mit großem Altersunterschied nicht geredet wird, aber über die kölschen Paare mit großem Altersunterschied umso heftiger.

Mein Leben lang habe ich Beziehungen mit älteren Männern geführt, der größte Altersunterschied betrug 37 Jahre. Wir waren aber zu dieser Zeit nur selten gemeinsam in der Szene unterwegs, deswegen war das nie ein Thema für andere. Ansonsten bin ich auf meine Beziehungen zu älteren Partnern nur selten direkt angesprochen worden, es wurde, glaube ich, eher hinter dem Rücken geredet. Ich habe mir auch nie Gedanken gemacht, warum ich auf Ältere stehe. In einer Zeitung las ich, dass es auch genetisch bedingt sein soll.

Mir hat es immer große Freude gemacht von meinen älteren Freunden zu lernen, ihnen zuzusehen und zuzuhören und ihren großen Erfahrungsschatz nutzen zu können. Das verkehrt sich mit zunehmendem Alter, wenn das Körperliche und Geistige des älteren Partners nachlässt. Echte Liebe steht trotzdem füreinander ein.

Warum man schlecht über Beziehungen mit großem Altersunterschied redet, ist meiner Meinung nach Neid, weil andere Ältere keinen jüngeren Partner gefunden haben. Hinzu kommen Vorurteile oder schlechte Erfahrungen, weil manche jüngere ihre älteren Partner finanziell ausnutzen.
Uli H. aus Köln 
 

Uli H. // © vvg

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