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Constantin Lücke // © vvg

Im Interview Constantin Lücke

vvg - 31.05.2021 - 09:00 Uhr

ist einer der 185 Erstunterzeichner des #actout–Manifestes. Die gesellschaftspolitische Initiative möchte mehr Sichtbarkeit und Verständnis für Diversität schaffen und auch innerhalb von Filmen und Serien im Sinne sozialer Inklusion mehr „Facetten“ aufzeigen.

Der Schauspieler ist dem Publikum vor allem aus Serien „Verbotene Liebe“ und „Rote Rosen“ bekannt. Seit 2020 spielt er den Till Weigel in „Unter uns“.

Nach dem Abitur machen viele eine „Weltreise“ – Du hast etwas ganz Außergewöhnliches gemacht …
Ja, eine Reise nach England, wo ich ein Praktikum in einem Kinderheim geplant hatte, um mein Englisch aufzubessern. Da mir mein polizeiliches Führungszeugnis fehlte, vermittelte mich meine dort lebende Großtante an einen Freund, der eine riesige Schaffarm besitzt und Schäfer suchte. So zog ich mit meiner Hündin Anna und 100 Schafen drei Monate durchs Land, ohne mein Englisch zu verbessern.

Wodurch erfolgte der Sprung in die Herde der Schauspieler?
Schon als Kind liebte ich Kino und Theater. Eigentlich wollte ich Regisseur werden, aber schon im Laientheater während meiner Schulzeit machte mir Schauspiel auch viel Spaß. So machte ich ein Praktikum bei „Cobra 11“, absolvierte eine erfolgreiche Schauspielprüfung und bekam nach dem Studium Engagements für Bühnen und Film. Heute bin ich aktuell als Tim Weigels bei „Unter uns“ dabei, den Wunsch als Regisseur eigene Projekte zu machen, habe ich aber immer noch.

Du hast in Klassikern wie „Die Räuber“, „Harold & Maude“ und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ gespielt: wie kam der Wechsel zu TV und Film?
Nach der Schule wollte ich erst einmal auf die Bühne. In diesen zehn Jahren gab es aber auch immer wieder Episodenrollen in Krimi- oder Krankenhausserien. Der richtige Wechsel in die TV-Serienwelt kam durch das Engagement in „Rote Rosen“.

Würdest du Bühne oder Film favoritisieren?
Ich mag beides, es sind aber schon verschiedene „Berufe“. Vor der Kamera muss man sehr präzise spielen, im Theater oft sehr groß, damit man die Geste auch noch in der sechzehnten Reihe sieht. Im Theater spielt man drei Stunden hochkonzentriert, im Film springt man von Szene zu Szene und hält die Figur über Wochen am Leben. Im Theater spürt man den Moment und den direkten Kontakt zum Zuschauer. Ein Film wird eine Konserve, die jederzeit abrufbar ist.

Im TV warst du in „Verbotene Liebe“, „Alles was zählt“, „Rote Rosen“, „Dr. Klein“ oder "Der Bergdoktor" zu sehen. Constantin heißt ja der Beständige, bei TV-Serien warst du das aber bisher nicht?
Das stimmt, meine Rollen sind eigentlich sehr unterschiedlich, was aber wiederum gut ist. Ich liebe es, wenn die Rolle ambivalent ist: also wenn der liebevolle Typ von nebenan auch dunkle Abgründe offenbart, wenn er etwas erreichen will.

Seit September bist du bei „Unter Uns“ dabei. Du übernahmst von deinem Ex-Kollegen Ben Rüdiger die Rolle des Tim Weigels, nur mit „neuem Gesicht“.
Als die Anfrage kam, wollte ich das zuerst nicht machen. Ich wollte keine Rolle übernehmen, die vorher schon zwei andere Kollegen spielten. Meine Agentin überzeugt mich aber, die Herausforderung anzunehmen und die Rolle anders umzusetzen. Für die Fans war das ein Schock und ich habe anfangs ganz unsägliche Reaktionen erhalten. Aber der Produktion gefiel mein Spiel und die Wogen bei den Fans haben sich mittlerweile geglättet.

Haben die Rollen Patrick Mielitzer, Till Haller oder Till Weigel etwas mit Constantin Lücke gemeinsam?
Ja immer, schon allein mit meinem Äußeren, meinem Charakter und Wesenszug, die in die Rollen einfließen. Natürlich spiele ich jede Rolle anderes und bringe neue Sachen ein. Patrick und Till sind sich sehr ähnlich, weil sie als Familienmenschen relativ wesensgleich sind. Vielleicht sehen das die Caster in mir und ich werde deswegen besetzt. Auch privat bin ich ein Familienmensch: Ich bin mit zwei Brüdern aufgewachsen und bin Patenonkel von zwei Neffen. Das prägt.

Was sind deine Stärken, deine Schwachpunkte?
Ich könnte noch an meiner Geduld arbeiten, aber dass hat sich schon wesentlich gebessert. Meine Stärken? Ich bin ehrlich und verlässlich auch im Sinne von Pferde stehlen - oder Schafen (lacht). Ich kann gut mit Kritik umgehen, aber auch verteilen. Solche Fragen könnten Andere aber sicher besser beantworten.

Wohnst du lieber im „Fucking Berlin“ oder lebst du lieber „Unter Uns“ in Köln?
Ich bin in Köln gut aufgenommen worden, kenne die rheinländische Fröhlichkeit und freue mich, wenn die nach den Corona-Einschränkungen wieder richtig auflebt. Szenemäßig hat Berlin Köln den Rang abgelaufen. Aber beide Städte bieten kulturelle und geschichtliche Highlights, dabei ist Köln überschaubarer. Kölner sind offener, herzlicher. In Berlin ist das Klima rauer und es nervt mich, dass ich so oft angepampt werde. Trotzdem fühle ich mich in beiden Städten gleich wohl.

In der Serie „Akte Ex“ hieß eine Folge „Zieht euch aus“. Was würdest du für eine Rolle nie tun?
Mit Nacktheit habe ich überhaupt kein Problem, es muss nur begründbar sein. Allein als Regiekonzept macht es keinen Sinn, es braucht die Idee dahinter. Im Schauspielhaus Chemnitz war ich in „König Lear“ drei Stunden am Stück nackt auf der Bühne. In den ersten Minuten war es für die Zuschauer sicher befremdlich, dann gewöhnten sie sich daran. Je älter ich werde, desto weniger mache ich mir Gedanken, was ich darf und was nicht. Was ich nicht machen würde, wären Schönheits-OPs, das würde ich doch lieber die Maskenbildner machen lassen.
 

Constantin Lücke // © vvg

Wenn man die Rollen und die Daily Soaps wechselt, hat man nicht Angst irgendwann „verbrannt“ zu sein?
Die habe ich total, obwohl ich gerade gegenwärtig froh bin, dass ich jeden Tag arbeiten darf. Der „Abnutzungscharakter“ schwirrt schon ab und zu herum, da habe ich aber eine gute Agentin als Gesprächspartnerin.

Du bist kein ängstlicher Mensch?
Ich hätte Angst davor, dement zu werden. Meine Patentante ist dement und ich beobachte seit Jahren den Verfall. Davor habe ich richtig Angst, wenn man sein Umfeld nicht mehr erkennt und man nicht mehr weiss, wer man ist.

Kannst du weinen?
Ich hatte erst vor kurzem bei „Unter uns“ sehr dramatische Szenen, die mir persönlich nahegingen. Erstaunlicherweise fällt mir das Weinen im Film leichter als auf Knopfdruck zu lachen.

Was ärgert dich?
Unprofessionalität. Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand unvorbereitet zum Set kommt. Und ich mag Arroganz nicht, also wenn mich jemand von oben herab behandelt. Das ist mir schon einige Male beim Film passiert und da reagiere ich sofort drauf.

Du hast dich zusammen mit 184 anderen Filmschaffenden unter #actout geoutet. Was war schwieriger: das private Outing im Freundes- und Familienkreis oder das große öffentliche?
Das private, weil es bei mir lange nicht eindeutig war und ich mehrere Freundinnen hatte. Als mir klar wurde, dass das Pendel doch Richtung Mann ausschlägt, habe ich eine Weile gebraucht und mich erst Mitte Zwanzig geoutet. Die Familie war überrascht, weil ich aus einer langjährigen Beziehung mit einer Fau kam. Sie gingen aber erstaunlich gut damit um. Das öffentliche Outing lag schon vor #actout, damals gab es eine kleine vergleichbare Aktion in einem Gay-Magazin, aber damals war ich noch relativ unbekannt.

Was hat sich seit #actout verändert?
Anfangs haben wir mit 50 Leuten gerechnet, um Aufmerksamkeit und Strahlkraft zu erzeugen. Die Tage nach der Veröffentlichung habe ich tausende Reaktionen und Anfragen bekommen, womit ich nicht gerechnet hatte. Der überwiegende Teil war wohlwollend,  ca. zwei Prozent der Reaktionen waren aber auch richtig böse. Mittlerweile hat die Aktion fast 400 TeilnehmerInnen. Durch unsere Kampagne hat sich #teachout für LehrerInnen gegründet. Bei Fußballern wäre es ebenso toll, aber das dauert wohl noch eine Weile. Mein Wunsch wäre, dass unsere Themen beiläufiger erzählt werden und nicht immer als Problem dargestellt werden.

Dein privates Leben ist tabu, trotzdem ist bekannt, dass du deinen Lebenspartner geheiratet hast …
Ich möchte meinen Mann aus der Öffentlichkeit raushalten und unsere Geschichten nicht an die Yellowpress verkaufen. Unser Privatleben bleibt privat. Wir haben im letzten Jahr in kleiner Runde geheiratet, eben Corona-konform. Durch meine Arbeit in Köln und die sogenannte Fernbeziehung, die wir führen, hat sich nichts verändert. Ich war auch vorher beruflich ständig unterwegs.

Was stört dich an der Community?
Mich stört, dass wir nicht wirklich solidarisch miteinander sind. Alles ist sehr oberflächlich, es geht mehr um das äußere Erscheinungsbild als um gemeinsame Inhalte. Ich finde es auch gut, wenn jemand sportlich ausschaut, aber ich glaube, dass der Druck gleichzeitig sehr hoch ist, um dazuzugehören.

Dein privater und beruflicher Wunsch für die Zukunft.
Ich möchte weiterhin von der Schauspielerei leben dürfen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, in dem Beruf regelmäßig arbeiten zu können. Film- und Fernsehschauspieler können gegenwärtig arbeiten, die Kollegen - vor allem von den freien Theatern - stehen gegenwärtig vor riesigen Problemen, wie es weitergeht.

Privat wünsche ich mir, gesund zu bleiben. Ich möchte wieder mehr meine Freunde, meine Familie und meinen Mann ohne Einschränkungen treffen dürfen. Und dass auch alle gesund bleiben.

Und ich würde auch noch einmal als Schäfer arbeiten, dann würde ich allerdings meinen Mann mitnehmen -  für die „Schäferstündchen“!

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