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Markus Majowski // © vvg

Im Interview Markus Majowski

vvg - 01.01.2015 - 09:00 Uhr

Markus Majowski kennt man(n) aus dem TV, wo er in „Höllische Nachbarn“ und „Die Dreisten Drei - die Comedy WG“ glänzte. Er spielte in der Serie „Die rote Meile“ und stapfte als Cookie in „7 Zwerge - Männer allein im Wald“ durch unsere Kinos, er brillierte in unzähligen Theaterproduktionen, wie z. Zt. im Kölner Theater am Dom, wo er noch bis Anfang Februar im Fummel als „Charlys Tante“ Begeisterungsstürme auslöst. Zwischen zwei Vorstellungen fand er auch Zeit für uns.

In der Klamotte „Charly`s Tante“ schlüpfst du wie Peter Alexander oder auch Tony Curtis & Jack Lemmon der Liebe wegen in Frauenklamotten. Wie kommt es, dass das Publikum Männer in Frauenkleidern so aufregend findet?
Weil die Leute einen guten Geschmack haben. Die Klamotten, die man als Frau anziehen kann, sind gewöhnlich spektakulärer. Und dann kommt beim Mann vielleicht das Weibliche durch, was mancher gerne sieht. Ich finde aber, dass das Stück keine Klamotte ist: Wenn es um Liebe geht, kann es nur etwas Tiefgründiges sein.

Stecken nicht in jedem Mann frauliche Anteile?
Definitiv, aber die meisten Männer verleugnen das, deswegen haben sie auch Probleme damit. Das Feminine ist viel wichtiger geworden. Ein Mann, der das verleugnet, kann heutzutage vielleicht noch Banker werden und die Börse an die Wand fahren, hat aber doch damit kein tolles, erfülltes und fröhliches Leben. Das ist aber keine Wertung! Man kann doch trotzdem Mann sein, auch wenn man stark und kräftig oder ein Gentleman ist. Sensibilität, Empathie und Mutterinstinkt gehören einfach dazu. Ich bin ein ausgesprochener Fan von Mutterinstinkten: Wenn ich Besuch habe, kommt meine innere Hildegard durch. Da wird meine Stimme etwas höher und ich binde mir eine Schürze um. Solange ich nicht den kurzen Rock anziehe, finden das alle toll und sagen: Ach, der Markus verwöhnt uns wieder.

Du bist in die unmöglichsten Rollen geschlüpft. Welche war die anstrengendste und welche machte am meisten Spaß?
Am anstrengendsten: Da sollte ich einen Mann auf einer Polizeiwache spielen, der verhört wird, weil er Probleme mit einer Stripteasetänzerin bekommen hatte. Ich hab das in der Rolle missverstanden und habe dem Kommissar die Szene als Stripperin vorgespielt. Ich bin also auf den Tisch geklettert und habe Hose und Oberteil ausgezogen. Es war entsetzlich kalt, ich musste mir die Musik von Nora Jones vorstellen und am Ende sagte mein Produzent zu mir: „Ich hätte nie gedacht, dass du das machst, das war ja total peinlich“. Ich habe nur mit: „Du A****, hättest du mir das nicht vorher sagen können?“ reagiert.

Am witzigsten: Ich hatte die Rolle eines verrückten, durchgeknallten Pfarrers. Irgendwann sagte meine Oma: „Markus, ich wünsche mir, dass du den blöden Pfarrer nicht mehr spielst. Du bist Christ und verletzt die Gefühle von Gläubigen“. Ich besprach das mit dem Chef und bekam dann die Rolle der Olivia. Das war eine Transe, die immer, wenn sie sich beleidigt fühlte, die Leute gleich verprügelte. Bei der ersten Ausstrahlung von Olivia hatte meine Großmutter alle ihre Freundinnen eingeladen. Sie rief an und sagte, alle Freundinnen seien gegangen. Markus, du musst nicht mit Männern rumknutschen, wenn du Geld brauchst, ruf mich doch an.

Wie bereitest du dich auf Rollen vor, wie z.B. im Film „Die rote Meile“, wo es um Prostituierte und Zuhälter geht?
Beim Uli in der roten Meile bin ich weit übers Ziel hinausgeschossen. Das Publikum hat mich zwar geliebt, aber ich bin auf eine Sache hereingefallen: die Maskenbildnerin hat mich gleich in der ersten Folge überredet, dass ich mich übermäßig schminke, mit Lidschatten usw. Das war kurz vor der Diskriminierung; zu klischeehaft. Heute bereite ich mich darauf vor, indem ich mich mit schwulen Freunden berate, mir Meinungen einhole, was gerade angesagt ist. Ich gehe in mein Unterbewusstsein und aktiviere den Schauspieler. Ich habe viele Schwule gespielt, weil ich das gut kann; musste aber irgendwann den Riegel vorschieben. Nach längerer Pause bin ich jetzt wieder im Fach: als Dennis in den Verfilmungen von Dora Heldt oder hier in Köln als „Charly‘s Tante“.

Du hast auch keine Scheu, dich mal nackt zu zeigen. Frei erzogen, Rampensau oder zeigefreudig?
Eine Rampensau war ich früher eher als heute. Heute weiß ich es zu schätzen, wenn ich Instanzen wahrnehme, die mir sagen: Weniger ist mehr. Ich hab eine starke Präsenz und bin schon ein Vordrängler, da brauche ich mal diese Hinweise. Zeigefreudig? Nun, ich geh gern mit meiner Frau in die Sauna. Da gewöhnt man sich an, darüber hinwegzusehen, dass man nicht so der Adonis ist. Ich hab halt ein Bäuchlein, bin sehr behaart, hab ein bisschen Brüste und die Leute finden das lustig. Warum sollte ich mich dafür schämen? Meine Frau liebt mich so; vielleicht bin ich auch deswegen ein bisschen schamlos. 

„Die Dreisten Drei“ ist eine Comedy-WG. Bist du privat ein WG-Typ oder brauchst du deine eigenen vier Wände?
Um Himmels Willen, ich glaube, man kann mich heute nicht mehr in eine WG stecken. Vorrübergehend vielleicht schon, aber ich habe meine Eigenarten und bin ein ziemlicher Kauz. Ich brauche meine Räume, denn ein Clown hat auch seine traurige Seite. Ich muss den ganzen Tag lachen und die Leute glücklich machen, da werd ich doch auch mal traurig sein dürfen. Ich will und muss jede Seite leben. So war es übrigens auch mit der Homosexualität. Ich musste meine Bisexualität ausleben. Ich hatte drei Jahre eine Beziehung zu einem großen Dichterfürsten. Als das vorbei war, habe ich meine Frau kennengelernt. Ich habe beide einander vorgestellt; ich hätte es doof gefunden, wenn meine Frau es erst hinterher erfahren hätte. Meine Mutter mochte es gar nicht, dass ich das in der Öffentlichkeit ausgebreitet habe. Die Freunde waren erstaunt, dass ich heirate; die dachten, ich sei schwul. Andere meinten, ich sei ein guter Typ, hätte aber sehr viel Weibliches an mir. Die fanden das irre und selten, dass jemand so dazu steht.

Die nächste Frage ist wie der Titel deiner Autobiografie: „Markus, glaubst du an den lieben Gott?“
Ich glaube an den lieben Gott, absolut, denn der hat mir meinen Arsch gerettet. Ich habe irgendwann vor meinen großen Ego und all den Problemen, die ich mir aufgehalst habe, kapituliert. Ich habe versucht, für jedes Problem, das mir begegnete, eine Lösung zu finden, habe mir den Chef-Kopf aufgesetzt. Ich habe mich zu viel um Probleme anderer Leute gekümmert und mich dabei selbst verloren. Ich war der Überflieger und das dazugehörende Partyleben hat dazu geführt, dass ich am 4. August 2008 kapituliert habe. Erst habe ich es „Higher Power“ genannt, bevor ich es „Gott“ nannte.

Du hattest den Mut, deine Vergangenheit öffentlich zu machen. Wie war das Outing?
Es werden ja momentan auf allen Kanälen wieder Drogengeschichten ausgepackt. Als das mit Jenny Elvers herauskam, war ich bereits seit fünf Jahren clean und mein Buch war schon erschienen. Durch Jenny wurde das wieder ein Riesenthema. Was ich damals vermieden habe, ist: in jede Talkshow zu gehen. Ich war zwar auch in Sendungen, hätte mich aber in den ersten zwei Jahren gar nicht vor eine Kamera getraut. Damit konnte ich ausstrahlen, dass der Weg, den ich gegangen bin, ein Weg der Genesung war.

Möchtest du heute noch einmal Teenager sein?
Nein, das möchte ich nicht. Ich konzentriere mich lieber auf meinen Sohn; beobachte und begleite ihn. Er wird jetzt elf Jahre. Nein. Ich finde es total geil, festzustellen, dass da eine andere Generation heranwächst. Die Kinder heute haben meines Erachtens einen tollen Evolutionssprung gemacht. Die können viel mehr als wir. Die haben eine viel größere Aufgeschlossenheit. Und Verständnis, auch gegenüber Randgruppen. Und meistens läuft es immer auf Gerechtigkeit hinaus. Ich bin so voller Hoffnung, dass wir in eine schöne Zeit hineingehen.
 

Markus Majowski // © vvg

Was wolltest du früher werden?
Ich wollte sehr gerne Arzt werden, deswegen habe ich Biologie-Leistungskurs gewählt. Dann habe ich kurz vor dem Abitur festgestellt, dass ich auch Menschen zum Lachen bringen kann und habe mich für den Beruf des Schauspielers entschieden.

Kann jemand, der immer lustig ist, auch weinen?
Ich habe neulich erst von Dieter Wedel gehört, dass gute Schauspieler nicht auf der Bühne weinen, sondern eher ihr Publikum zum Weinen bringen. Innerlich läuft zwar eine kleine Träne mit, aber man sollte es darauf anlegen, Leute zu bewegen. Aber natürlich kann ich privat auch weinen.

Wovor hast du Angst?
Vor meinen Suchtverlagerungen und dass ich irgendwann nicht mehr den Mut habe, meinen besten Freund anzurufen, um ihn, auch in der späten Stunde der Nacht, um Hilfe zu bitten. Wenn ich dabei bin, die dritte Tafel Schokolade zu vernaschen. Erstens wird mir davon schlecht und zweitens macht das krank. Wenn er dann sagt „Meine Erlaubnis hast du nicht!“, halte ich mich daran.

Was bringt dich zur Weißglut?
Ignoranz von Wirtschaftsleuten, die glauben, sie könnten sowohl Politiker als auch uns Verbraucher permanent verarschen. Wenn sie Transparenz in der Wirtschaft vermeiden und es ablehnen, dass sie auch gewissen Kontrollen unterliegen, damit unsere Rechte geschützt sind; das bringt mich total zur Weißglut.

Du sprichst ganz offen über Bi-Sexualität. Erinnerst du dich an dein „erstes Mal“?
Ausprobieren tun es ja viele Jungen im Teenageralter; mein erstes echtes Erlebnis war mit 23 Jahren.

Bist du davon ab?
Ja, weil ich inzwischen lieber Freundschaften mit Männern pflege. Das macht mich nicht mehr an; das Thema ist offensichtlich durch.

Wie ist dein Verhältnis zu Schwulen/zur schwul-lesbischen Szene?
Ich haben viele gute Freunde in Berlin, die schwul sind: Klaus Wowereit, Heinz Schlicht, Udo Walz. Aber ich treibe mich nicht mehr in der Ansbacherstraße oder im Kiez herum und gehe auch nicht in die Bars zum Feiern. Was sicherlich daran liegt, dass ich ohnehin, wenn Alkohol getrunken wird, nicht mehr so in Feierlaune bin. Ich habe aber absolut keine Berührungsängste zur Szene. Nur wenn es mir zu sehr Subkultur wird – Hardcore mag ich nicht so gerne – erschreckt es mich eher.

Was ist, wenn dein Sohn später mit einem Freund nach Hause kommt?
Dann werde ich das mit meiner Frau so nehmen, wie es ist und ihm keine Regeln in sein Leben schieben oder Barrieren aufbauen. Wenn es so sein soll, muss er es ausprobieren.

Welche aktuellen Projekte stehen momentan an und was kannst du uns für 2015 verraten?
Ich spiele ja noch bis zum 8. Februar 2015 in Köln im Theater am Dom „Charly‘s Tante“. Am 8. März ist dann in Berlin im Theater am Kurfürstendamm die Premiere des Stückes „Der Kredit“ von Jordi Galceran, eines erfrischend komischen Psychoduells. Das wird ein richtiger Thriller. Ich bin und bleibe weiterhin Dieter Wedel eng verbunden. Und werde mit 99%iger Wahrscheinlichkeit noch einen Shakespeare spielen. Und ich habe in diesem Jahr die Drehbuchwerkstatt mit 51 Jugendlichen aus der ganzen Bundesrepublik abgeschlossen, in der wir die Story und den Text für meinen ersten Kinofilm erarbeitet haben. Der entsteht dann 2016 und heißt: „Das blaue Flüstern“.

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Markus Majowski im Dezember 2014 geführt.

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