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Lutz Johannsen: Auszeichnung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse
Regional

Lutz Johannsen Bundesverdienstkreuz für nie endendes Engagement

km - 07.03.2020 - 12:00 Uhr

„Ich hätte mir das nie vorstellen können. Ich bin gelernter Koch, ich habe Hauptschulabschluss – nicht studiert“

Lutz Johannsen wurde mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet und erhielt damit die zweite Auszeichnung dieser Art. In der Begründung heißt es unter anderem: „Trotz erheblicher eigner gesundheitlicher Einschränkung als Schmerzpatient engagiert sich Herr Johannsen herausragend. Er leistet einen beispielhaft langjährigen, kontinuierlichen und bedeutsamen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von LGBTI* und Menschen, die von HIV betroffen sind.“
SCHWULISSIMO spricht mit dem fast 60-jährigen gelernten Koch über sein Leben.

Du engagierst Dich seit 1989. Wie fing das bei Dir an?
Es fing an, dass wirklich viele meiner Bekannten und Freunde von dieser Krankheit betroffen waren und auch in der damaligen Zeit auch ganz schnell von uns gegangen sind auf eine ganz harte Art und Weise.

Zudem habe ich eine Ausbildung als Buddy gemacht und wenn du das erlebt hast, wirst du das nicht vergessen. Da habe ich einen Mann begleitet, der konnte nicht mehr reden. Also haben wir uns nur noch mit Augenkontakt und Händedruck verständigt. Ich habe ihm einen Teddy geschenkt. Diesen Teddy hat er bis zum letzten Atemzug in der Hand gehalten. Das ist ein Bild, das mich meine ganze Ehrenamtszeit begleitet hat.

Ein Mann voller Engagement: Lutz Johannsen

Wie bist du dann weiter vorgegangen, als du wusstest du musst was tun?
Da kam eben big spender mit der ersten „red hot & dance“ im Curio Haus. 100.000,- DM wurden damals gesammelt, alles ehrenamtlich organisiert. Und das war die erste Startfinanzierung für „Hamburg Leuchtfeuer“. 11 Mal wurde „red hot & dance“ in den verschiedensten Räumlichkeiten veranstaltet. Im Curio Haus waren 1.300 Leute gewesen. Die größte Veranstaltung dieser Art, war mit 5.000 Menschen im Congress Centrum Hamburg. Mit Künstlern wie Jimmy Somerville, Erasure, Weather Girls... ich kriege die gar nicht mehr alle zusammen. Da hat niemand Geld bekommen, das war der Grundgedanke – wir zahlen kein Geld. Wir haben ebenfalls alles umsonst gemacht.

Auf diesen Veranstaltungen hast du dann auch deinen Mann kennengelernt.
Ich stand oben auf der Bühne mit den anderen Rednern. Einer war im Tütü, einer in Lack und Leder und ich im Frack gekleidet. Ich war am Zittern und mir lief die Soße von der Stirn. Ich war schweißgebadet und er kam danach und sagte „Das hat man dir angesehen, dass du ganz schön aufgeregt warst. Aber ich fand es toll das du es gemacht hast – trotzdem.“ Das war meine erste Rede überhaupt vor irgendjemandem. Vor 1.300 Leuten da zu stehen, war eine Herausforderung par excellence. Und da hat er mich angesprochen und seitdem sind wir zusammen. 28 Jahre jetzt im November – genial – besser kann es doch nicht sein.

Lutz mit seinem Ehemann

Schöne Geschichte
Und dann kam die Politik. Henning Voscherau brauchte einen Wahlkampfleiter und dann wurde in der SPD-Zentrale gesagt wir kennen da einen Genossen, der denkt, er kennt ganz viele Menschen, der kann organisieren – das war ich. 1997 habe ich den Wahlkampf für Henning Voscherau gemacht und der hat damals gesagt, er möchte einen offenen Schwulen-Kandidaten haben, der sich den Schwulen- und Lesbenthemen annimmt. Und viele bei den Schwulen damals wollten das nicht – ich war der Einzige.

Die wollten damals nicht ihr Gesicht zeigen, das war eine ganz andere Zeit. Offen schwul zu sein, damals in der Firma und in seinem Umfeld sich zu outen war 1997 nicht so wie jetzt. Das kann man sich heute nicht mehr so vorstellen. Aber ist ja zum Glück wesentlich einfacher geworden– da haben wir ja dran gearbeitet. Und ich habe gesagt ich mach das und damit war ich Deutschlands erster offen schwuler Landtagsabgeordneter für eine SPD-Landtagsfraktion.

Das erste worum wir uns damals in Hamburg kümmerten war das Auskunftsrecht im Krankenhaus. Auch binationale Paare - es brauchte ein Aufenthaltsrecht. Hamburg hat für schwul-lesbischen Tourismus geworben. Das Hamburg eine offene Stadt ist, dass man als Schwuler oder Lesbe hier einen schönen Urlaub verleben kann und offen hier leben kann. All solche Geschichten, die habe ich als Abgeordneter u.a. gemacht. Das war nach 8 Jahren dann zu ende.
Der Geschäftsführer der Aidshilfe hat gesagt, wenn du nicht mehr Politik machst, dann kommst du wieder zurück. Nun bin ich ja fast 12 Jahre Aufsichtsratsmitglied in der Aidshilfe und 2014 wurde die Stiftung gegründet: Die Hamburgische Regenbogenstiftung und da bin ich seit fünf Jahren sozusagen der Vorsitzende.

Hamburgische Regenbogen Stiftung von der AIDS Hilfe Hamburg

Wie hast du dich gefühlt, als dein Engagement für die AIDS Hilfe Hamburg, sowie der Hamburger Regenbogenstiftung geschätzt und ausgezeichnet wurde?
Sowas an die Brust zu bekommen ist unglaublich, einfach Wahnsinn. Ist schon das zweite Mal, das erste Mal am 06.12.2002 von Johannes Rau. Übergeben 2003 von Ole von Beust – das war phänomenal. Aber jetzt nochmal – das war ganz anders. Dieses Mal hat die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank mir das Verdienstkreuz im Rathaus vergeben, es war wirklich eine sehr schöne Verleihung. Am 31. Januar gab es dann den Empfang mit circa 60 Leuten in der Aidshilfe. So viele Gänsehautmomente habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehabt. Wirklich fantastische Reden und eine ganz besondere, respektvolle Stimmung im Raum.

Voller Stolz und Freude: Lutz Johannsen und sein BVK

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