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Nachhaltiger Unternehmer

Mathyas Lopez „Viele denken, dass der Erfolg von einem Start-up von der Idee abhängt“

km - 07.03.2022 - 10:00 Uhr

Mathyas kommt aus Mexiko und ist mit 18 Jahren nach Deutschland gekommen. Er lebt inzwischen in Hamburg und begeistert sich für neue Technologien und nachhaltige Ideen sowie Start-ups, die beides kombinieren. Auf seinen Social Media Kanälen (@startuptogo) beschäftigt er sich deshalb mit Start-ups, neuen Technologien und Nachhaltigkeit. Er selbst hat bereits zwei Unternehmen gegründet: „Opposite of Boring“ und „el origen food“. SCHWULISSIMO berichtete er was Nachhaltigkeit für ihn bedeutet, was auf einen Gründer zukommt, seine Heimat und vieles mehr.

 

Nachhaltigkeit scheint etwas seinen Wert und Bedeutung verloren zu haben, da inzwischen sogar Erdgas und Atomkraft von der EU so eingestuft wurde. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich? Warum ist Nachhaltigkeit so wichtig?
Das stimmt, Nachhaltigkeit steht voll im Trend und der Begriff wird dementsprechend sehr gerne überall eingesetzt und man muss genau hingucken, was die einzelnen Unternehmen damit meinen. Für mich bedeutet es, die Sachen, die wir bisher immer so gemacht haben zu hinterfragen und neue, bessere Lösungen für unsere Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu finden. Nach diesem Ansatz habe ich zwei Unternehmen gegründet. Das erste ist die Opposite of boring GmbH, eine Werbeagentur, die sich darauf spezialisiert hat Unternehmen, die nachhaltig agieren (oder die, die es machen möchten) zu unterstützen. Das zweite Unternehmen ist die el origen food GmbH. Wir produzieren Lebensmittel in Lateinamerika und unterstützen dabei die biologische Landwirtschaft vor Ort, somit werden keine Pestizide eingesetzt und die Natur, Tiere und Menschen der Region werden geschützt. Darüber hinaus fördern wir faire Arbeitsbedingungen für die Farmer:innen vor Ort.

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© Aljosha Muttardi 

Was macht ein Start-up nachhaltig?
Als Start-Up hat man eine sehr tolle Chance den Status-Quo zu challengen. Es gibt unterschiedliche Ansätze, die man hier verfolgen kann, aber was ein Start-up aus meiner Perspektive nachhaltig macht ist, dass Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmens-DNA aufgenommen wird und nicht als eine Marketing-Taktik eingesetzt wird. Somit wird grundsätzlich darauf geachtet, dass alle Entscheidungen, die man trifft, einen positiven Impact haben. Auch wenn man in gewissen Bereichen vielleicht noch nicht die optimale Lösung hat, bedeutet diese Ausrichtung, dass man daran weiterarbeiten und nach einer besseren Lösung suchen wird.

Welche Verantwortung haben Unternehmen heutzutage beim Thema Nachhaltigkeit?
Eine sehr große! Das betrifft sowohl Start-ups als auch große Unternehmen. Wir brauchen eine Veränderung, Unternehmen können nicht einfach so weitermachen, wie sie es bisher gemacht haben. Sie haben einen großen Einfluss auf soziale und ökologische Bedingungen auf der Erde und müssen dieser Verantwortung gerecht werden.

Welche Power haben Konsumenten und auf was sollten sie beim Einkauf achten?
Der Markt regelt sich nach einer einfachen Regel: Angebot und Nachfrage. Konsument:innen haben dementsprechend eine enorme Kraft, wenn es darum geht, zu entscheiden was die Unternehmen produzieren und wie sie handeln sollen. Ganz einfach gesagt, wenn wir als Konsument:innen am Regal zur nachhaltigen Alternative greifen und nicht zur konventionellen, werden auch die größeren Unternehmen reagieren und nachhaltige Produkte anbieten. Ziel der Unternehmen ist es zu verkaufen und die werden ihr Angebot darauf ausrichten, was wir tatsächlich möchten. Jeder einzelne Kauf gibt ein Signal an Unternehmen, was wir möchten und was wir bereit sind zu unterstützen. Und je mehr Menschen sich der Kraft ihrer Entscheidung bewusst werden, desto größer wird die Veränderung sein, die wir sehen werden.

Beim Einkauf kann man auf viele Sachen achten, je nachdem was für einen selbst wichtig ist z.B. Produkte die bio (keine Pestizide), Direct / Fair Trade (besser für die Farmer:innen), vegan (besser für die Umwelt und kein Tierlied), plastikfrei, regional oder klimaneutral sind.

© Aljosha Muttardi
© Aljosha Muttardi

Du beschäftigst dich auf deinem TikTok- und YouTube-Kanal unter anderem mit dem Thema NFTs und Blockchain: Krypto und Co. liegt in der Kritik nicht besonders nachhaltig zu sein – warum ist das so?
Bitcoin und andere Kryptowährungen erfordern Mining. Das ist in Bezug auf die Umwelt ein großes Problem, da das digitale Schürfen mit einem hohen Stromverbrauch einhergeht.

Wie kann man Krpto/Blockchain nachhaltiger gestalten?
In erster Linie wird sehr viel Strom durch das Mining erfordert, das heißt man könnte weniger energieintensive Berechnungsmethoden nutzen, um Rechnerpower zu sparen. Das ist ein Ansatz der aktuell auch von einigen Anbietern verfolgt wird. Außerdem könnte der Strom, der benötigt wird aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind-, Solar, und Wasserkraft bezogen werden. Es gibt aber auch andere Ideen, wie ein Projekt in Schweden, die die Wärme, die bei dem Krypto-Mining entsteht zum Beheizen von Gewächshäusern benutzen wird und somit die Ressourcen effektiver genutzt werden.

Wieso hast du ein Start-up gegründet und worum geht es bei deinem Start-up?
Ich habe lange Zeit in der Werbung gearbeitet und habe irgendwann gemerkt, dass ich nicht mehr an das, was ich gemacht habe, geglaubt habe. Oder besser gesagt, für welche Unternehmen und für welche Zwecke ich das gemacht habe. So ist die Idee für mein erstes Unternehmen entstanden: Opposite of boring GmbH – eine Werbeagentur, die Unternehmen unterstützt, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander setzen. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht und ich konnte dadurch meine Werte und Interessen mit meiner Arbeit vereinbaren. Als nächstes wollte ich etwas Neues ausprobieren. Lebensmittel waren schon immer meine Leidenschaft und ich bin sehr stolz auf meine Herkunft (Mexiko). Somit kam kurz danach auch die Gründung von el origen food GmbH – ein nachhaltiges Start-up, welches Geschmackserlebnisse aus Lateinamerika nach Europa bringt.

Auf was bist du als Gründer am meisten stolz?
Ich habe in den letzten Jahren sehr stark nach der Sinnhaftigkeit in meiner Arbeit gesucht und bin unglaublich stolz, dass ich durch meine Projekte einen positiven Beitrag leisten kann und mich mit den Unternehmen für die Umwelt, die Tiere und Menschen einsetzen kann. Außerdem habe ich hier den Bezug zu Lateinamerika, was mich auch stolz macht.

© Aljosha Muttardi
© Aljosha Muttardi

Was kommt alles auf Menschen zu, die ein Start-up gründen wollen?
Gründen ist nicht einfach. Ich glaube eine Sache, die man oft unterschätzt ist, dass man sich nicht nur um die Umsetzung der Idee bzw. Entwicklung und Vertrieb von dem Produkt kümmern muss, sondern um alles, um das überhaupt zu ermöglichen. Also damit meine ich die rechtlichen Voraussetzungen, Zertifizierungen, Buchhaltung, Steuern und vieles mehr. Wenn man von der Festanstellung kommt hat man meistens in dem Unternehmen Spezialist:innen, die sich um seine / ihre Gebiete kümmern. Bei der Gründung ist man auf einmal zuständig für alles und das ist eine große Herausforderung.

Was benötigt man für ein erfolgreiches Start-up?
Viele denken, dass der Erfolg von einem Start-up von der Idee abhängt. Natürlich ist diese sehr wichtig und oft auch der erste Schritt für so eine Unternehmung, aber ich bin der Meinung, dass es viel mehr um die Umsetzung geht als um die Idee. Viele Menschen haben tolle Ideen, doch nicht alle können diese umsetzen oder schaffen es ein erfolgreiches Start-up daraus zu machen. Daher rate ich denjenigen, die ein Start-up gründen möchten, dass sie offen über ihre Idee sprechen. Je mehr man darüber spricht, desto mehr Meinungen bekommt man dazu und kann somit viele unterschiedliche Aspekte von Anfang an berücksichtigen.

Hast du in der Business-Welt schlechte Erfahrungen oder Diskriminierungen erfahren aufgrund deiner Sexualität oder Herkunft?
Die Probleme oder die Herausforderungen in der Berufswelt, die ich in dem Zusammenhang am meisten erlebt habe, waren in der Zeit als ich noch nicht geoutet war und Menschen eher unüberlegte Kommentare von sich gegeben haben. Ich glaube, wir alle haben schon häufiger blöde Sprüche abbekommen, die nur „nett gemeint“ waren. Sowas kam hin und wieder auch noch nach meinem Outing vor. Aber ich hatte grundsätzlich das Glück mit sehr tollen Menschen zusammenzuarbeiten, bei denen weder meine Sexualität noch meine Herkunft eine Rolle gespielt haben.

Wie kann man als Unternehmen Vielfalt und Diversität fördern?
Es gibt sehr viel, was man machen kann. Ich glaube aber einer der wichtigsten Sachen, die man für seine Mitarbeiter:innen machen kann, ist das der Arbeitsplatz ein Safe-Space ist, wo es kein Raum für Diskriminierung gibt. Indem man zum Beispiel Anlaufstellen für Betroffene von Diskriminierungen bietet, Pride Flaggen als Symbol können helfen, aber auch queere Repräsentanz im Unternehmen ist wichtig. Das ist ein guter und wichtiger Start. Man kann aber auch nach außen viel machen, und zwar mit der Art und Weise, wie man als Unternehmen kommuniziert und der Werbung, die man macht. Denn diese Kommunikation repliziert und verstärkt Stereotypen und kann sogar Vorurteile festigen. Daher feiere ich immer Unternehmen, die auch ihre Kommunikation und die Bilder, die sie nutzen vielfältiger und inklusiver gestalten.

© Aljosha Muttardi
© Aljosha Muttardi

Wie queer ist Hamburg?
Hamburg ist eine offene und tolerante Stadt und ich bin sehr glücklich hier zu sein. Es gibt aber noch viel Arbeit, die wir machen müssen. Ich kann mich an einer Situation erinnern, als ich mit meinem damaligen Partner Händchen haltend durch die Stadt gelaufen bin und uns eine Person angeschrien hat, wie eklig das wäre. Das passiert nicht immer, aber es passiert leider immer noch und das zeigt, dass wir noch einen weiten Weg als Gesellschaft und Stadt vor uns haben.

Was schätzt du besonders an dieser Stadt?
Die Menschen. Bevor ich nach Hamburg kam, habe ich oft gehört, dass die Menschen im Norden etwas verschlossener sein sollen und war etwas nervös, wie leicht oder schwer es mir fallen würde hier Fuß zu fassen. Ich war sehr positiv überrascht, schnell viele tolle Menschen kennenzulernen, die mir geholfen haben, Hamburg zu meiner Heimat zu machen. Aber nicht nur die Menschen weiß ich zu schätzen, sondern auch die Stadt selbst. Aus meiner Perspektive ist das eine der schönsten Städte in Deutschland. Die Kombination aus der schönen Architektur, den unterschiedlichen Stadtteilen und so viel Wasser, machen Hamburg wirklich einzigartig.

Der Bezug zur Heimat ist dir wichtig. Was liebst du an deinen mexikanischen Wurzeln?
Für uns Mexikaner ist Familie sehr wichtig und wir sind sehr stolz auf unser Land, Kultur und Essen. Das sind alles Punkte, die auch für mich eine große Rolle spielen. Ich finde es sehr schön, dass wir so einen großen Wert auf Familie und Gemeinschaft legen. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Familie, auch wenn wir sehr weit voneinander wohnen. Wir schreiben uns täglich Nachrichten und versuchen uns regelmäßig zu besuchen. Als ich hier in Hamburg ankam, hat mich die mexikanische Community auch hier mit offenen Armen empfangen und es war sehr schön, direkt Bezugspersonen zu haben, die mir die Stadt gezeigt und bei so vielen Sachen geholfen haben. Das hat mir den Start hier in Hamburg eindeutig erleichtert. Außerdem bin ich ein sehr großer Fan der mexikanischen Küche und mein Koffer ist immer zur Hälfte gefüllt mit Saucen, Tortillas und Tequila, wenn ich aus Mexiko zurückkomme.

© Christian Lopez
© Christian Lopez

Hast du in Mexiko bereits deine Sexualität offen gelebt? Wie queer ist Mexiko?
Ich war in Mexiko noch nicht geoutet. Ich hatte in meiner Jugend auch in meinem Umfeld keine Person, die queer war, das hat meine ganze Findungsphase deutlich schwieriger gemacht. Mit 18 Jahren bin ich dann nach Deutschland gekommen, um zu studieren und habe sehr viele und sehr unterschiedliche Menschen kennengelernt. Durch diese neuen Einblicke und Menschen, die ich kennengelernt habe, habe ich auch mich besser kennengelernt und angefangen mich in meiner Haut wohlzufühlen. Geoutet habe ich mit in meinen Zwanzigern hier in Deutschland.

Ich besuche jedes Jahr meine Familie und Freunde in Mexiko und habe eine sehr tolle Entwicklung der Gesellschaft in dem Land gesehen, die viel offener und toleranter ist als die, dich in meiner Jugend kennengelernt habe.

Auf eurer Seite steht „Gründung bedeutet Mut und Durchhaltevermögen.“ Und ich finde, dieser Satz lässt sich auch perfekt auf die LGBTI*-Community übertragen. Denn es erfordert für viele leider Mut die Person zu sein, die sie sein möchte und Durchhaltevermögen, bis es auch die letzte Person verstanden hat. Hat dich deine Sexualität als Gründer empowert?
Absolut, wie du schon sagst, sich zu Outen und ein authentisches Leben zu führen, erfordert viel Mut und Durchhaltevermögen. Man braucht aber auch viel Kraft und Ehrlichkeit zu sich selbst. Das sind alles Eigenschaften und Erfahrungen, die mich als Person und als Gründer geprägt und stärker gemacht haben. Wir sind es eben gewohnt, gegen den Strom zu schwimmen und für das, was wir möchten zu kämpfen.

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