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MKSM „Bei meiner Oma durfte ich immer so sein wie ich bin - auch ihre hohen Schuhe durfte ich tragen“

km - 03.06.2021 - 10:00 Uhr

Maksim, der durch den Ausfall von Leuchtaufstellern auf der Bühne zu seinem Künstlernamen MKSM inspiriert wurde, ist ein talentierter Musiker aus der LGBTI*-Community. Der 32-jährige Sänger und Violinist unterrichtet momentan an der Music Academy Berlin – und veröffentlichte dank der Initiative Musik seine EP „High on Lows“. Er spielte bei der Global Pride 2020, die zehn Millionen Zuschauer*innen verzeichnet konnte. Kürzlich hat er zusammen mit Leopold für die queere Aktion „I am not an Ideology“ den Kampagnensong beigesteuert.
Die großen Diven haben ihn zur Musik gebracht. Im Interview mit SCHWULISSIMO spricht der Musiker über seine Herkunft, seinen aktuellen Hit, übers Stottern und die Zusammenarbeit mit Drag Queen Bambi Mercury.

 

In Russland geboren – in der Ukraine aufgewachsen bis du 10 Jahre alt warst – studiert in Frankfurt – gelebt in London – und jetzt wohnst du in Berlin. Was bedeutet für dich als Globetrotter das Wort Zuhause?
Auch wenn das super kitschig klingt, aber Zuhause ist da, wo mein Mann ist. Wo wir als Paar sind, denn er ist für mich auf jeden Fall mein Zuhause. Es ist für mich eher ein Gefühl als ein Ort.

Hattest du Probleme mit Akzeptanz in Russland oder gab es sogar Schwierigkeiten mit Verwandten?
Ich war davon relativ verschont. Das Bewusstsein, dass es LGBTI* überhaupt gibt, kam bei vielen Russen erst mit dem Propaganda-Gesetz 2013 auf. Ich war das letzte Mal 2010 dort, das war zur Zeit meiner Selbstfindungsphase und ich habe optisch viel ausprobiert. Ich hatte sehr viel Pinkes an, ich habe mich stark geschminkt, hatte weißblonde Haare und konnte mich zu dieser Zeit relativ entspannt in Russland aufhalten und wohlfühlen.
Meine Großeltern waren super entspannt, als ich mich geoutet habe. Es war ihnen erstens schon relativ klar und zweitens völlig egal. Ich hatte schon damals - als Kind - die hohen Schuhe von meiner Oma getragen und konnte immer sein wie ich wollte. Aber ein zweiwöchiger Familienbesuch ist natürlich nicht mit dem echten Leben von LGBTI* in Russland zu vergleichen und ich kann mir nur vorstellen, wieviel Mut ein Outing in Russland erfordert. Ich ziehe den Hut vor allen Aktivisten*innen, die dort auf die Straße gehen und demonstrieren.


Als ich mich gegenüber meinen Eltern geoutet habe, war es anfangs schwierig. Aber gerade mein Vater war da extrem vorbildlich. Er hat sich die Zeit genommen, sich das erste Mal in seinem Leben mit dem Thema LGBTI* zu beschäftigen. Nachdem er ein Jahr lang Bücher, Filme usw. zu diesem Thema verschlungen hat, kam er auf mich zu und erklärte mir, dass er mich so liebt wie ich bin. Er konnte alles nachvollziehen und hat es verstanden und das war wundervoll.

Man sagt, dass man unterschiedlich denkt und fühlt in unterschiedlichen Sprachen – wie siehst du das als Mehrsprachler (englisch, russisch, deutsch)? Du schreibst Songs in Englisch, hat das einen bestimmten Grund?
Das ist eine gute Frage. Was ich auf jeden Fall weiß, ist, dass mich die russische Sprache in Liedern ganz anders berührt. Ich liebe die englische Sprache, sie ist eine sehr prädestinierte Sprache für Songs, da sie gesungen wunderschön klingt. Alle meine musikalischen Vorbilder singen größtenteils in Englisch. Ob ich anders denke, kann ich nicht genau sagen. Im Russischen und Englischen brauche ich ein bisschen mehr Zeit, um in die Sprache reinzukommen.

Die Grundidee zu meinen Songs entsteht in der Regel auf Deutsch, wenn ich Songs schreibe, da ich auf Deutsch denke. Ich will auf gar keinen Fall, dass ich mich eingeschränkt fühle, wenn es um den Inhalt meiner Musik geht. Erst wenn die Botschaft ganz klar herausgearbeitet ist, fange ich an, den Songtext auf Englisch zu designen.

MKSM

Dein erster Song der EP und erfolgreiche Singleauskopplung ist „Hold Me Down“. Worum geht es in dem Song?
Es geht um meinen eigenen Kampf mit Höhen und Tiefen, mit Ängsten und vor allem darum, wie ich diese annehme und lerne damit umzugehen. Ich fühle immer sehr extrem, also die höchsten Höhen, aber auch die tiefsten Tiefen. Das gehört zu einem und man muss aufkommende Gefühle und Emotionen dann auch zulassen.

In deinem neuen Video zu deiner Single „Hold Me Down“ ist auch Bambi Mercury mit von der Partie – wie kam es dazu?
Ich hatte eine Christmas EP Ende November veröffentlicht und sie wurde auf einen der zwei Songs aufmerksam und hat dazu etwas geteilt. Ich verfolge Bambi schon seit zwei Jahren und liebe was Mercury macht und für was sie steht. Ich hatte mir schon immer überlegt, wie cool es wäre mal zusammenzuarbeiten. Allerdings hatte sich das nie ergeben und ich hatte noch nicht den passenden Song dafür. Als ich aber wusste, dass ihr gefällt was ich tue, habe ich die Gelegenheit genutzt und den Kontakt über Instagram aufgenommen. Sehr schnell haben wir uns dort auf „Hold Me Down“ geeinigt, da dieser einen 80er Vibe hat. Wir haben uns dann dazu entschieden, dass sie meine Innenwelt darstellt. Dabei haben wir zwei Looks gewählt. Der Eine steht für diese Unsicherheit und der Andere steht dafür, dass man sich fühlt und weiß wer man ist. Ich liebe alles was sie tut und bin super glücklich mit dem Endergebnis und dazu ist sie noch nett ohne Ende. Die Zusammenarbeit war so entspannt und unkompliziert, wie man sich das nur wünschen könnte.

Was fasziniert dich an Drag?
Das es da keine Regeln gibt. Jeder kann sich da ausleben wie er möchte und dabei gibt es nie „zu viel“. Ich finde es toll, wenn man überhaupt kein Gefühl mehr dafür hat, was dargestellt wird. Ist es eine sie oder ein er, es ist es völlig unklar und ich liebe es. Es regt dazu an, seine eigenen gesellschaftlichen Bilder nochmal zu überdenken. Es ist eine Kunstform, die etwas in Menschen auslöst und ein wichtiger Eyecatcher für die Community. Dazu kommt, dass es nicht nur Kunst ist, sondern auch ein politisches Mittel um Aufmerksamkeit auf wichtige Themen zu lenken.

Welches Thema oder Gefühl ist dir am wichtigsten, um es mit deinen Songs zu transportieren?
Das man so sein kann wie man ist. Das man nicht überlegt, was irgendwelche gesellschaftlichen Normen davon halten würden, wenn man sich so verhält, anzieht, gibt oder ausdrückt wie man es tut.

Ich hatte vor unserem Interview gelesen, dass du stotterst. Als ich mir deine Live-Auftritte angeschaut habe, konnte ich das gar nicht glauben. Hast du Techniken auf der Bühne oder ist es die Musik, die einen davon befreit?
Erstmal vielen Dank. Das es so ist wie es heute ist, war schon jede Menge Arbeit. Aber meine Erkenntnis ist, je besser es mir psychisch geht, desto besser funktioniert das auch mit meiner Sprache. Deswegen habe ich auch in den letzten Jahren versucht darauf zu achten, dass alles was ich tue mir auch guttut. Das ich auf mich achte, authentisch auf der Bühne bin und mit meiner Musik wirklich ausdrücke was ich fühle – sonst komme ich sprachlich leichter ins Straucheln. Auf der Bühne überlege ich mir eben auch genau was ich am Anfang bzw. zwischen den Songs sagen möchte und sobald ich dann nach ein paar Songs drin bin, ist das Thema Sprache auch gar kein Thema mehr.

Anfangs fielen mir Interviews schwer und auch heutzutage bin ich aufgeregt vor Interviews, da es eine höhere Herausforderung für mich ist als für Menschen, die nicht stottern. Das Problem war damals auch, dass ich nicht mehr das gesagt habe, was ich eigentlich meinte, da ich Sätze umformuliert habe, um die Aussprache zu erleichtern.

Ich finde das sehr inspirierend, dass du trotz des Stotterns Musiker bist und live performst.
Ich möchte auf gar keinen Fall darüber definiert werden, aber ich merke ganz klar, dass der Austausch mir, meinem Umfeld und meinen Zuhörer*innen guttut. Es wird vermutlich nie perfekt werden mit meiner Sprache, aber das ist auch okay und sich das einzugestehen ist eben auch wichtig für ein besseres Wohlgefühl. Wo wir eben beim Thema waren: Das bin eben auch ich – Punkt.

HIGH ON LOWS_COVER

Du hast schon auf vielen CSD-Bühnen gestanden, wie war es im Vergleich auf der GLOBAL PRIDE?
Der Unterschied war natürlich, dass es nur eine virtuelle Bühne war und dass der Auftritt von mir bereits einen Monat vorher aufgezeichnet wurde. Es war kein normaler Auftritt, weil an dem Tag als das Ganze ausgestrahlt wurde, meine Performance schon lange hinter mir lag. Besonders fand ich allerdings, dass man den ganzen Tag Musik, Reden und Videos aus der ganzen Welt schauen konnte. Dadurch habe ich erkannt wie privilegiert wir im Gegensatz zu anderen Ländern sind – auch wenn wir hier noch viel vor uns haben und alles noch nicht bei weitem so ist, wie es sein sollte. Ich fand es wirklich beeindruckend zu sehen wie ein CSD weltweit aussieht. Außerdem war es mir natürlich eine absolute Ehre, als einer der wenigen deutschen Acts auftreten zu dürfen.

Gehst du davon aus, dass du CSD Auftritte dieses Jahr haben wirst?
Ich bin mit vielen Veranstaltern im Kontakt und hoffe, dass man mit entsprechender Flexibilität wieder die Bühne betreten kann. Wir müssen uns natürlich an die Maßnahmen halten, aber ich würde mir wünschen, dass wir Wege finden Kultur trotzdem leben zu können.

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