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Nino de Angelo // © Franz Schepers/Sony

Nino de Angelo Biografie: „Gesegnet und verflucht“

ks - 24.03.2021 - 15:15 Uhr

Nino de Angelo war im Schlager-Paradies und stürzte dann böse ab. Auf frühen Erfolg und Ruhm folgten Drogensucht, gescheiterte Beziehungen und sogar ein Suizidversuch. In seiner Biografie „Gesegnet und verflucht“ räumt der 57-Jährige auf mit seiner Vergangenheit. Der perfekte Zeitpunkt, denn als Künstler ist er nach musikalischer Neuerfindung wieder ganz oben: Bis auf Platz 2 der Charts schaffte er es jüngst mit seinem Album, das so heißt wie das Buch. Im Interview erzählt er, wie Instagram Schicksal spielte, wieso er in den Achtzigern so androgyn aussah und wie er trotz Lungenerkrankung auf Tour gehen will.

Herr de Angelo, mit „Jenseits von Eden“ sind Sie ein Teil deutscher Musikgeschichte.
Ja, der Song hat der Neuen Deutschen Welle 1983 richtig schön die Stirn geboten! Damals gab es gar keinen richtigen Schlager. Ich erinnere mich an die Super-Hitparade: Da war Trio, da war Nena, da war Hubert Kah – und wer gewinnt? Nino de Angelo. Das war schon außergewöhnlich.

Ich habe mir noch mal den Auftritt angeguckt, den mit den engen Hosen.
Oh, mein Gott, ja. Ich war damals schon Trendsetter. Dieses Babyface, androgyn, viel zu hübsch für einen Jungen, ich hätte auch ein Mädchen sein können mit dem Gesicht, die schwarzen Haare mit den Locken, der Vokuhila. Das war damals alles modern.

„Ich war der hübsche Junge“

Imagemäßig wurden Sie als Typ netter Schwiegersohn und Latin-Lover verkauft. Davon haben Sie sich meilenweit entfernt. Waren Sie doch eher der Wolf im Schafspelz?
Ich war der hübsche Junge. Vielleicht wollte ich das aber nie sein. Eigentlich ging mir das irgendwann auf den Sack. Der Milchbubi, der Weichkeks, das ging mir tierisch auf die Kante! Ich wollte immer härter sein. Aber das ist mir erst nach vielen, vielen Jahren gelungen.

Fühlten Sie sich als Außenseiter, wenn Sie in einer Schlagersendung von Florian Silbereisen auftraten?
Ja, so habe ich mich aber immer gefühlt, nicht nur in Schlagersendungen. Jetzt bin ich endlich da, wo ich immer sein wollte. Ich habe immer gelebt wie ein Rockstar und Schlager gesungen. Eigentlich ist es jetzt fast umgekehrt: Jetzt mache ich Rockmusik und lebe wie ein Schlagersänger. Mit Pferden und Hunden mitten in den Bergen in einem 3000-Seelendorf im Allgäu.

Mit Ihrem neuen Album sind Sie auf Platz 2 der Albumcharts eingestiegen. Wie fühlt sich das an, nach 37 Jahren wieder ganz oben zu sein?
Sensationell. In der heutigen Zeit sowieso. Mit dem Studioalbum „Jenseits von Eden“ war ich damals auch auf Platz 2. Es ist Wahnsinn, wie sich der Kreis schließt. Das neue Album ist so gut, es wäre schön, wenn wir noch ein paar Monate in den Top 100 bleiben würden.

Hätten Sie damit gerechnet, dass Ihnen solch ein Erfolg noch mal passiert?
Nach dem letzten Album, das eher ein Misserfolg war, nicht. Ich hatte mich schon damit abgefunden, wollte eigentlich gar kein Album mehr machen. Das Ganze ist durch Chris Harms entstanden, den ich vor anderthalb Jahren zufällig kennengelernt habe. Er kommt aus einem ganz anderen musikalischen Bereich, nämlich dem Dark-Metal, hat selber eine Band. Ich dachte erst, die wollen mich wohl verarschen, das kann ja nicht sein, dass der mit mir eine Platte machen will!

Sie haben sich über Instagram kennengelernt, oder?
Ja, er ist in die Studios eingezogen, in denen ich damals „Jenseits von Eden“ aufgenommen habe – das Chameleon-Studio in Hamburg. Dort hing eine Goldene Schallplatte von mir an der Wand, die wir damals dem Tonmeister Klaus Bohlmann überreicht haben. Und Harms machte daraus einen Post auf Instagram, so nach dem Motto: „Guckt mal, wie lustig: Nino de Angelo hat hier auch aufgenommen – ‚Jenseits von Eden’. Wie toll.“ Ich habe darauf geantwortet, und am nächsten Tag hatte ich ihn an der Strippe. Es ist verrückt, wie sich die Dinge entwickelt haben. Da kann man an Schicksal glauben.

Wie war es, nach so vielen Jahren in das Studio zurückzukehren?
Damals war ich keine 20 und total aufgeregt. Es ist ein Riesen-Studio, dort haben viele Rockbands und internationale Stars aufgenommen. Als ich den Flur entlang ging und die ganzen Goldenen- und Platin-Schallplatten hängen sah, war das für mich ungefähr so wie für andere Leute die Abbey Road Studios in London. Die großen Mischpulte waren schon ziemlich genial. Das Studio hat sich seither gar nicht verändert. Da steht immer noch der Billardtisch, an dem ich damals gespielt habe. Es war wirklich ein tolles Wiedersehen. Chris hatte am Telefon gesagt: „Mensch, komm doch mal in deine alte Wirkungsstätte, wo du deinen größten Hit gemacht hast. Und bring mal zwei, drei Songs mit, und dann schauen wir mal, was wir daraus machen können.“

Und das haben Sie dann getan.
Ja, ich hatte „Gesegnet und verflucht“ mitgebracht. Und knapp zwei Wochen später bekam ich dann das erste Ergebnis. Er hat ein paar Sachen verändert und einen komplett anderen Sound gemacht. Das hat mir gefallen, ich dachte nur: Boah, ich glaub, ich mach doch noch mal ’ne Platte. Dann musste ich zehn Songs schreiben. Dank der Pandemie hatte ich genügend Zeit dazu, mich mit mir selber zu beschäftigen, ganz tief in mich reinzugehen und das alles rauszuholen. So ist der Rest des Albums entstanden. Wir haben die Platte dann letztes Jahr produziert. Jetzt haben wir den Erfolg, den wir uns vielleicht erträumt haben, aber gerechnet haben wir damit nicht.

Wie haben Sie den Triumph gefeiert?
An dem Wochenende, als das Album in die Charts gegangen ist, fing ich Freitag an ein bisschen was zu trinken und war sonntags wieder nüchtern.

Ich hatte gehofft, Sie wären mit einem O-Saft zu Bett gegangen.
Nein, nicht Nino de Angelo. (lacht)

Und vor dem nächsten Höhenflug sind Sie gefeit?
Ich denke schon. Ich bin jetzt auch schon im gesetzten Alter. In 2023 werde ich 60. Das wird noch mal gebührend gefeiert, dann noch ein paar Jahre arbeiten – mit diesem Erfolg im Rücken ist das möglich. Und wenn’s dann am Schönsten ist, sollte man aufhören.

Sie singen im Song „Equilibrium“ vom Deeskalieren mit Whiskey und Koks. Was war das für eine Zeit, in der das zu Ihrem Lifestyle gehörte?
Die schlimmsten Jahre waren zwischen 1990 und 2010, eigentlich ging es sogar bis 2015. Da war ich halt verloren, ne? Ich und die Mutter meiner Kinder haben uns 1998 getrennt und scheiden lassen. Damit ging quasi der freie Fall los, und der dauerte locker 25 Jahre.

„Es waren harte, aber sehr wertvolle Jahre“

Würden Sie das als verlorene Jahre bezeichnen?
Nein, es waren Jahre, die mich zu dem gemacht haben, der ich heute bin: Ein Mensch, der über das Leben Bescheid weiß, der sich selber kennengelernt hat, der sich selber gelernt hat zu akzeptieren, und der das Optimalste versucht hat aus sich herauszuholen und am Ende nie aufgegeben hat. Es waren harte Jahre, aber sehr wertvolle Jahre im Nachhinein gesehen. Sonst hätte ich das, was ich jetzt gerade mache, nicht hinbekommen.

Sie meinen die Tiefgründigkeit der neuen Songs?
Ja, richtig.
 

Nino de Angelo // © instagram.com/ninothevoicedeangelo

„Ich war schon fast tot“

Ihr Buch fängt an mit einem versuchten Suizid. War das ein Hilfeschrei oder wollten Sie sich wirklich umbringen?
Ich war ja eigentlich schon weg, ich war schon fast tot, nur Sekunden davon entfernt. Wenn die Mutter meiner Kinder nicht zufällig ins Zimmer gekommen wäre und im letzten Moment den Strick durchgeschnitten hätte, dann wäre ich heute nicht mehr da.

„Ich bin genetisch depressiv“

Hatten Sie längere depressive Phasen?
Ich bin genetisch depressiv. Das habe ich von Geburt an. Die Depressionen sind in unserer Familie, damit musste man auch erst mal zurecht kommen. Ich nehme jetzt seit zehn Jahren Medikamente dagegen, seitdem ist es besser. Vorher wusste ich nicht, dass es etwas gibt, womit man so etwas überhaupt einigermaßen in den Griff bekommt, so dass man nicht mehr in diese tiefen Löcher fällt. Seitdem ich Medikamente dagegen nehme, komm ich klar.

Im Buch versuchen Sie zu ergründen, warum das so ist und Sie zu Exzessen neigen. Was haben Sie für sich herausgefunden?
Auf der einen Seite spielt die Depression dabei eine große Rolle, auf der anderen Seite die Labilität. Ich bin ein sehr leidenschaftlicher Mensch, ein sehr offener Mensch, also immer mit offenem Visier, dann bist du auch sehr verletzlich – das hat alles damit zu tun. Und wenn du damit nicht umgehen kannst, wenn du jeden Scheiß persönlich nimmst, den man über dich schreibt, gerade in diesem Geschäft, dann kann es schon dazu führen, dass du nicht mehr leben kannst. Es gibt viele Menschen, die damit überhaupt nicht zurecht kommen. Solche Phasen hatte ich auch. Bis ich an einem Punkt war, wo ich aufgehört habe, es persönlich zu nehmen. It’s all a fucking business. Ich habe mir dann selber gesagt: Du musst egoistischer werden, dich schützen. Du darfst das nicht an dich ranlassen. Du musst vor allen Dingen rauslassen, sonst implodierst du. Deswegen auch die Ventile wie die Alkoholexzesse. Man wird dann auch egozentrisch, teilweise auch zum Arschloch, aber es ist nun mal so.

Können Sie frühmorgens noch in den Spiegel schauen?
Ja, das kann ich. Aber es nützt ja nichts, leidend in den Spiegel zu gucken. So leidend wie das Leiden Christi und sich immer nur selbst bemitleidend. Nein, du musst auch austeilen. Es geht nicht anders.

Ihren Humor haben Sie offenbar nicht verloren: Als ein Konsument Ihr Album jüngst als grottenschlecht bezeichnete, konnten Sie drüber lachen.
Natürlich lache ich darüber! Man darf das alles nicht so ernst nehmen. Da sind 100 gute Kommentare und eine sagt: „Das ist der letzte Scheiß.“ Was soll’s. Dann sag ich: „Sprich mich ruhig an, wenn du mich mal siehst, ich gebe dir das Geld zurück. Kein Problem!“ Bis heute hat sie sich leider nicht gemeldet.

„Selbst mein Therapeut hat sich betrunken“

Sie schreiben über die Retterrolle, die Sie von Ihrem Elternhaus unbewusst zugeteilt bekamen, weil Sie die Lücke Ihres verstorbenen Bruders füllen mussten. Haben Sie das mal therapeutisch aufgearbeitet?
Ja, ich habe viele Therapien gemacht. Mich hat das auch interessiert, wie Menschen und die Psyche funktionieren. Ich beschäftigte mich viel mit Philosophie, Psychologie und Familienaufstellungen. Ich war oft alleine, habe mit 30 das erste Mal beim Therapeuten gesessen, um meine Kokainsucht loszuwerden. Das hat natürlich nicht funktioniert – im Gegenteil: Spätestens als einer meiner Therapeuten eine Stunde zu spät sturzbetrunken zu unserem Termin kam, hörte ich auf, daran zu glauben. Ich bin untherapierbar. Ich mache sogar meinen Therapeuten fertig, der sich erst mal einen ansaufen muss, bevor er mit mir spricht. Irgendwann habe ich mit den Sitzungen aufgehört und quasi angefangen, mich selbst zu therapieren.

Und Frieden damit geschlossen, dass es nie ganz weg geht?
Ja, man muss Frieden mit sich schließen. Man muss sich akzeptieren mit allen Fehlern, die man hat. Und allen Wunden, allen Narben, das ist ganz wichtig. Und so sollten einen die Menschen, die einen lieben, auch annehmen. Denn nur so kann Harmonie entstehen. Man darf Leute nicht verbiegen, man muss sie lassen, wie sie sind. Und wenn sie dir nicht gefallen, dann gehe ihnen aus dem Weg.

Sie geben solche Lebenstipps auch jeweils am Ende eines Buchkapitels.
Aber immer aus meiner Sicht heraus, so wie ich es erlebt habe. Vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen. Wenn ich nur einer Person einen guten Tipp geben kann, und diese ist danach zufriedener oder glücklicher, dann hat sich das Schreiben schon gelohnt.
 

Nino de Angelo // © Franz Schepers

„Immer, wenn es bei mir gerade aufwärts ging, kam wieder ein Dämpfer“, heißt es in Ihrer Biografie. Wie groß sind Ihre Sorgen derzeit?
Ich glaube, diesmal wird es nicht so sein. Ich gehe da auch ganz anders ran. Ich bin jetzt gefestigt, und der derzeitige Erfolg ist nicht auf Sand gebaut, sondern auf Musikalität und meiner musikalische Weiterentwicklung. Ich habe keine Angst, dass um die Ecke wieder dunkle Wolken aufziehen. Ich habe eh schon das erreicht, was ich erreichen wollte: Ich wollt noch mal einen raushauen – das habe ich gemacht. Selbst wenn es morgen zu ende wäre, hätte ich immer noch ein Grinsen im Gesicht.

Sie schreiben, dass Sie sich immer unterschätzt gefühlt haben, vielleicht waren Sie es tatsächlich?
Ja, man hat mich unterschätzt. „Der ist ein ganz guter Sänger“, hieß es oft. Aber ich hätte viel früher ernsthaft mit den richtigen Musikern zusammen kommen müssen. Dass es nicht passiert ist, lag ein bisschen an meiner Faulheit und dass ich mich auf meinen Lorbeeren, auf meinem Gesang, ausgeruht habe. Ich bin ins Studio gegangen, habe gesungen, alle machten große Augen und große Ohren und fanden das toll. Damit war mein Job wieder erledigt. Es war alles ziemlich easy für mich. Richtig gearbeitet wie bei diesem Album habe ich zuvor noch nie.

Immerhin, Drafi Deutscher hat Sie offenbar nicht unterschätzt, sonst hätte er Ihnen nicht „Jenseits von Eden“ anvertraut.
Der hat meine Stimme geliebt! Drafi wusste ganz genau, dass es keinen gibt, der den Song einigermaßen so singen kann wie ich. Das hat einfach gepasst. Er war natürlich auch ein bisschen crazy privat. Er lebte exzessiv, was Alkohol und Koks anging. Vielleicht war er da nicht das beste Vorbild. Ich habe mir damals jedenfalls gedacht: Wenn du gute Songs schreiben willst, musst du auch saufen und Kokos konsumieren.

Die Neuversion von „Jenseits von Eden“ steht hinter dem Umwelt-Song „Denn wir wissen nicht, was wir tun“ am Schluss Ihrer neuen Platte. Der Hit von 1983 ist immer noch allgemeingültig.
Das wird er auch bleiben. Denn die Botschaft des Songs, dass wir nicht die Liebe verlieren dürfen, nicht die Werte verlieren dürfen, dass sonst die Erde und die Menschheit dem Untergang geweiht sind, wird immer aktuell sein. Weil es nur um Geld geht und um Macht, aber so war es schon immer. Es ist ja nicht erst seit Mitte der Achtziger so. Es war im alten Rom so und bei den Ägyptern auch schon.

Ihr jetziger Sound erinnert an Unheilig. Ist das die Musik, die Sie auch privat gehört haben in den letzten Jahren?
Für den Sound ist Chris Harms verantwortlich. Aber Unheilig fand ich damals toll. Als „Geboren um zu leben“ rauskam, dachte ich nur: Das wäre mein Song gewesen! Wenn ich den Song gesungen hätte, hätte ich jetzt mein zweites „Jenseits von Eden“! Als Unheilig dann aufhörte, dachte ich insgeheim immer, dass sich da eine Riesenlücke auftut, wo eigentlich nur ich rein kann. Als ich dann Chris kennenlernte, sah er das auch so. Deswegen klingt das Album wie es klingt. Aber wir sind teilweise schon härter als Unheilig.

„Ich wünsch mir ein Duett mit Till Lindemann“

Gehen Sie sonst auf Rammstein-Konzerte?
Nee, aber ich würde gerne mal ein Duett mit Till Lindemann machen!

Tatsächlich?
Natürlich. Sofort! Das Lindemann-Projekt ist total geil. Die Poesie und das alles – dass er auf solche Sachen steht, finde ich klasse. Und Rammstein-Konzerte sind genial. Ich sag mal, wenn ich auf Tour gehe, muss es mindestens so laut sein wie Metallica. Pyrotechnik inklusive.

Sind Sie Till Lindemann schon begegnet?
Noch nicht, aber ich bin dran. Ein guter Freund von mir ist ein sehr guter Freund von ihm. Und wir sind schon so halb in Kontakt.

Sie erwähnten Ihre Tournee: Wie können Konzerte mit der Lungenkrankheit COPD klappen?
Eine Show von zweieinhalb Stunden kriegen wir total gut hin. Es kommt auf die Dramaturgie an: längere Intros zu den Liedern, ein paar Pausen oder einen Special Act einbauen, zwei Minuten zwischen den Songs lassen, um Geschichten aus meinem Leben zu erzählen – dann funktioniert das. So lange ich noch so viel Pfund im Hals habe, ist es kein Problem. Ein bisschen darauf vorbereiten würde ich mich konditionstechnisch.

Ich hörte, dass Sie etwas immun gegen Ärzte sind. Würden Sie dann doch mal einen konsultieren?
Das habe ich schon. Nur zu dem Zeitpunkt im vergangenen Jahr, als die Schlagzeile durch die Presse ging, war ich seit vier Jahren nicht mehr beim Arzt gewesen. Während der Pandemie hatte ich plötzlich richtige Atemprobleme, schlimmer als sonst, da ging mir schon ein bisschen die Muffe. Ich bin in die Klinik gefahren und ließ das alles mal checken. Die Krankheit schreitet ganz langsam voran. Mein System mit ab und zu mal einen Rotwein und ab und zu mal einen Whiskey funktioniert wunderbar.

Hat Roland Kaiser Ihnen die Hand gereicht und Ihnen Tipps gegeben?
Nein, ich kenne Roland schon lange, mit dem spreche ich nicht über Krankheiten.

„Dieter Bohlen war penetrant“

Eine amüsante Stelle im Buch ist die mit Dieter Bohlen. Sie beschreiben, wie Sie aus Loyalität zu Volker Lechtenbrink das Tape von Dieter durchs Autofenster nach draußen befördern und im Nachhinein annehmen, es handle sich dabei um die ersten Demos für die späteren Modern Talking.
Ja, da war ich vielleicht etwas zu vorschnell. Aber so bin ich nun mal gewesen. Ich kannte Dieter, aber er war damals immer so penetrant. Volker sagte zu mir: „Wenn du mit dem arbeitest...“ Und ich meinte: „Mach dir mal keine Sorgen...“ Das Bündnis hat acht Jahre gehalten, dann habe ich Volker aus den Augen verloren. Bohlen hatte es immer mal wieder bei mir versucht, mir gefiel es auch irgendwie, dass er so hartnäckig war. Er hatte mir „Midnight Lady“ angeboten. Er meinte: „Du, ich hab das jetzt mit Roland Kaiser aufgenommen, aber ich hätte gerne, dass du das singst.“ Aber ich sagte „nö“ – das hat er gar nicht verstanden. (imitiert Bohlen) „Der Song ist ’ne Nummer 1. Wie kannst du das ablehnen?“, fragte er. Und ich antwortete: „Ich habe nun mal keinen Bock, Dieter, was willst du denn?“ Damals ging’s mir auch finanziell noch supergut. Der Titel ist dann tatsächlich eine Nummer 1 für Roland Kaiser geworden. Aber wie gesagt, es stand ja immer noch die Loyalität zu Volker im Weg. Irgendwann kam Dieter dann mit dem Titelsong zu „Rivalen der Rennbahn“ an und dem Song „Flieger“ für den Grand Prix. Da dachte ich: Komm, scheiß drauf. Das machen wir jetzt einfach mal.

Aber es ist nicht gut ausgegangen, die Sache mit dem Grand Prix.
Nein, leider nicht. Aber das zeigt nur, dass meine anfängliche Eingebung nein zu sagen, doch richtig war. Weil es nie wirklich funktioniert hat. Ich weiß noch, wie Dieter zu mir meinte, nachdem ich den Vorentscheid zum Grand Prix mit doppelt so vielen Stimmen wie der Zweitplatzierte gewonnen hatte: „Jetzt verkaufen wir zwei Millionen Alben!“ Keine 100.000 haben wir verkauft! Es war wirklich ernüchternd.

Vielleicht wären Sie doch noch anstelle von Thomas Anders bei Modern Talking gelandet, wenn Sie das Tape nicht weggeworfen hätten?
Nein, um Gottes Willen! Das hätte ich nicht gewollt. Das war genau die Rolle für Thomas Anders. Das passte einfach. So wie Thomas Anders nicht „Jenseits von Eden“ hätte singen können, hätte ich nicht Modern Talking singen können.

Und wie stehen Sie heute zu Dieter? Haben Sie noch Kontakt?
Ja, ich hatte ihm zu seinem Rauswurf bei DSDS gratuliert. Da hat er gar nicht drauf geantwortet. Dann fragte ich ihn, ob er mir nicht endlich mal gratulieren will zu meinem Erfolg. Das hat er dann auch gemacht: Das wäre mega-geil, und er hätte auch immer hinter mir gestanden – was auch stimmt. Das hat er wirklich. Er hat mich immer hochgehalten bei DSDS und gesagt: „Nino ist der geilste Sänger in Deutschland.“

Für ihn wird’s jetzt wohl nicht mehr so laufen, wenn ihm die DSDS-Plattform fehlt, um seine Musik an die Leute zu bringen.
Musikalisch ist das mit Dieter langsam ausgelutscht. Nach 50 Millionen verkauften Schallplatten hat das auch mal ein Ende. So war’s auch bei Frank Farian. Irgendwann hat man keine Lust mehr oder nicht mehr den Biss. Die 18 Jahre DSDS hätte Dieter aber gar nicht gebraucht.

Sie haben zwei Mal beim Grand Prix teilgenommen: Was sagen Sie denn zu Jendrik, dem diesjährigen Teilnehmer für Deutschland? Da sind die Meinungen ja durchaus geteilt.
Ich habe den Titel gehört. Ich denke mal, wir landen wieder auf einem der letzten drei Plätze.

„Gesegnet und verflucht“ // © Franz Schepers/Sony

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