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Ade Affenpocken?

Ade Affenpocken? Fachärzte berichten von Beruhigung der MPX-Lage

ms - 19.10.2022 - 10:00 Uhr

Ade Affenpocken? Ist die Situation im Griff oder doch nicht? Auf Rückfrage bei mehreren HIV-Schwerpunktpraxen in Berlin scheint sich die Lage aktuell beruhigt zu haben. Die am meisten gefährdeten schwulen und bisexuellen Männer sind inzwischen geimpft oder genesen, Wartelisten gibt es nur noch sehr wenige und die Rückfrage ist vielerorts auf dem Nullpunkt angekommen. Während noch im August viele schwule Männer mehrfach Arztpraxen und Anlaufstellen wie den Checkpoint in Berlin anschrieben, dreht sich die Situation langsam um. Ein Facharzt gegenüber SCHWULISSIMO: „Inzwischen muss ich meine Patienten aus der Risikogruppe fragen, ob sie sich schon gegen MPX haben impfen lassen. Bis vor einigen Wochen war die Situation noch anders herum. Mich erreichten täglich mindestens zwanzig E-Mails.“

In Berlin scheint der vorläufige Bedarf bei den meisten Praxen und Vergabe-Einrichtungen weitestgehend erreicht, Ärzte bekommen auf Anfrage die bestellten Menschen des Impfstoffes. Anfang des Monats wurden schrittweise etwas weniger als insgesamt 150.000 Impfeinheiten auf die sechzehn Bundesländer verteilt, wann die zudem bestellten 50.000 weiteren Einheiten eintreffen werden, kann die Bundesrepublik auf Rückfrage noch nicht sagen. Die Panikwelle, die anfangs in der Gay-Community offensichtlich grassierte, scheint nun aber vielerorts in ganz Deutschland abgeebbt zu sein, zudem sinken die Fallzahlen weiter, auch jene der täglich Neu-Infizierten. Aktuell vermeldet das Robert-Koch-Institut rund 3.600 Fälle, etwa 1.600 davon nach wie vor in Berlin. „Seit August 2022 war die Zahl der wöchentlich ans RKI übermittelten Fälle rückläufig, seit Anfang September stagniert sie auf niedrigem Niveau, aktuell bei unter 50 Fällen pro Woche. Seit der zweiten Oktoberwoche werden die Fallzahlen an dieser Stelle nur noch einmal wöchentlich aktualisiert“, so das RKI.

Für die Ärzte einiger Berliner Schwerpunktpraxen ist zudem klar, dass die Ausbreitung der Virusinfektion beinahe ausschließlich unter schwulen Männern während eines Sexualkontaktes auch damit zu tun hat, dass mehrere schwule Sex-Partys in Europa als Super-Spreader-Events gewirkt haben. Wäre ein Ausbruch zu Beginn der MPX-Verbreitung in einem sex-positiven Club wie dem Berliner KitKat mit einem gemischten Publikum erfolgt, wäre auch der Kreis der Infizierten deutlich durchmischter. So allerdings stellte das RKI in dieser Woche fest, dass bislang in Deutschland nur 18 weibliche Fälle, drei Fälle bei männlichen Jugendlichen und zwei Fälle bei Kindern unter 14 Jahren übermittelt worden waren, ansonsten handelt es sich bei den Infizierten durchwegs um schwule und bisexuelle Männer. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt in diesem Zusammenhang trotz rückläufiger Zahlen vor einem leichtfertigen Umgang mit dem Virus. Laut WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus könne ein neuer Ausbruch dadurch umso gefährlicher sein: „Das kann uns dazu verleiten, zu glauben, die Krise sei vorüber, und dass wir nicht mehr wachsam zu sein brauchen.“

In anderen Ländern steigen die Fallzahlen aktuell wieder an, vor allem auch in Süd- und Mittelamerika. Insgesamt wurden der WHO weltweit mehr als 70.000 Infektionen und 26 Todesfälle gemeldet. Auch in Deutschland wurde zuletzt Kritik laut, die queer-politische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, warnte davor, dass der Impfstoff immer noch knapp werden könnte: „Das Bundesgesundheitsministerium stützt sich bei den georderten Liefermengen auf die deutlich geringere Schätzung des Robert Koch Instituts von 130.000 Personen mit Indikation für die Impfung und beschafft 261.000 Impfdosen statt die von der Deutschen Aidshilfe geforderten eine Million Impfdosen, deren Schätzung sich auf die wissenschaftliche Erhebung der EMIS-Studie aus dem Jahr 2017 stützt. Bisexuelle und schwule Männer mit wechselnden Sexualpartnern stehen so bei wieder ansteigenden Fallzahlen im Regen.“ Zudem sei wissenschaftlich noch unklar, ob es nicht zukünftig schlimmere Krankheitsverläufe geben könne – auch die Ärzte in den Berliner Schwerpunktpraxen blicken vorsichtig auf die aktuell entspanntere Lage.

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