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Jagd auf Homosexuelle

Jagd auf Homosexuelle Ägypten stellt gezielt homosexuellen Männern via Dating-Apps nach

ms - 01.02.2023 - 11:00 Uhr

Die digitale Welt ist längst kein geschützter Raum mehr für Homosexuelle und queere Menschen – seit geraumer Zeit mehren sich die Hinweise darauf, dass gerade in arabischen Staaten gezielt auch durch Algorithmen oder ganz direkt über Dating-Apps wie Grindr Jagd auf homosexuelle Menschen gemacht wird. Jetzt hat BBC News erstmals Beweise für das Vorgehen in Ägypten gesammelt. Dabei zeigte sich, dass die Polizei es bewusst auf homosexuelle Einwohner wie aber auch auf schwule Touristen abgesehen hat.

Die Taktik wird immer brutaler

Und noch eines stellt die BBC fest: Die Atmosphäre sei in letzter Zeit sehr viel brutaler geworden und die Taktik, homosexuelle Männer aufzuspüren, noch ausgefeilter. Der BBC liegen viele Protokolle und Gesprächsverläufe von Dating-Apps vor, die belegen, dass die Polizei Schwule immer wieder geschickt dazu anstiftet hat, alle Vorsichtsmaßnahmen zu ignorieren und sich mit dem vermeintlichen Date-Partner zu treffen – in der Realität warteten dann staatliche Ermittler auf ihre Opfer.

In Ägypten gibt es zwar kein ausdrückliches Gesetz gegen Homosexualität, aber schwule Männer werden gerne mit Hilfe des Straftatbestandes der "Ausschweifung", ursprünglich ein Gesetz über Sexarbeit, kriminalisiert und schlussendlich inhaftiert. Eine andere Möglichkeit für eine Verurteilung ergibt sich bereits durch die Nutzung von Dating-Apps wie Grindr, die als “Anstiftung“ gedeutet wird, um gegen die öffentliche Moral zu verstoßen.

Perfide Methoden, erzwungene Geständnisse

Die Protokolle halten dabei nach Angaben der BBC auch die ganze Perfidie der polizeilichen Vorgehensweise fest: Einem jungen schwulen Ägypter, der noch bei seinen Eltern lebte, schrieben die Beamten so zum Beispiel: „Komm schon, Süßer, sei nicht schüchtern, wir können uns in der Öffentlichkeit treffen und dann zu mir nach Hause gehen.“

In einem anderen Fall hackten sich die Polizisten in das Mobiltelefon eines schwulen Mannes und schrieben in dessen Namen seine Freunde an, sie mögen zu einem Treffpunkt kommen – die Männer, die kamen, wurden verhaftet und nach eigenen Angaben im Gefängnis gefoltert, um weitere Schwule zu denunzieren oder ein umfassendes Geständnis abzulegen, sie seien illegale Sexarbeiter.

App-Anbieter können nur bedingt schützen  

Vereinzelte App-Anbieter wie Grindr arbeiten zwar inzwischen mit ägyptischen LGBTI*-Aktivisten, internationalen Menschenrechtsverfechtern und sicherheitsorientierten Technologieanbietern zusammen, um die Nutzer bestmöglich zu schützen – doch all das greift nicht, wenn einheimische Homosexuelle auf die raffinierten Methoden der Polizei reinfallen. LGBTI*-Organisationen raten homosexuellen und queeren Touristen inzwischen, am besten gar nicht mit dem Smartphone online zu gehen.   

 Auch Touristen sind nicht sicher

Eines ist dabei nämlich klar: Die Polizisten machen auch vor ausländischen Touristen nicht Halt; so dokumentiert die BBC auch den Fall eines jungen schwulen Touristen namens Matt, der über Grindr Bilder von sich verschickte und damit nach Angaben der ägyptischen Ermittler die “Bereitschaft zur Perversion“ darlegte. Matt wurde verhaftet, angeklagt und konnte schlussendlich glücklicherweise das Land verlassen. Andere Touristen sollen auch bereits in einheimische Gefängnisse gekommen sein. Besonders gefährlich ist dies für jene Touristen, die bereit sind, tatsächlich Geld für Sex zu bezahlen. Eine solche digitale Zusage reicht für eine Verurteilung bereits aus.

Sexualität als Waffe

Die britische Abgeordnete Alicia Kearns, Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, erklärte gegenüber der BBC, sie wolle, dass mehr getan werde, um LGBTI*-Reisende vor den Risiken in Ländern wie Ägypten zu warnen, "wo ihre Sexualität als Waffe gegen sie eingesetzt werden könnte". Weiter erklärte Kearns: "Ich möchte die ägyptische Regierung auffordern, alle Aktivitäten einzustellen, die sich gegen Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung richten!“ Die ägyptische Regierung hat auf das Schreiben bisher nicht reagiert, ebenso nicht auf Rückfrage seitens der BBC. Die Berichterstattung über das Thema ist in Ägypten selbst bereits 2017 vom Obersten Rat für Medienregulierung verboten worden.

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