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Kündigungsgrund: Homosexualität // LAURA KALA
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Kündigungsgrund Homosexualität Darf im Namen der Religion so offenherzig LGBTI* diskriminiert werden?

ms - 22.03.2022 - 14:14 Uhr

Erst vor kurzem sorgte das Citipointe Christian College in Brisbane für internationale Schlagzeilen, weil es in einem Rundschreiben an alle Eltern Homosexualität als unmoralisch bezeichnete und versuchte, neue Schüler dazu zu zwingen, mit dem Besuch der Bildungseinrichtung auch ein Glaubensbekenntnis zu unterzeichnen, das trans-Menschen nicht anerkennt und homosexuelle Handlungen als „Beleidigung Gottes“ bezeichnet. Nach massiven Protesten hatte sich die Schulleitung halbherzig dann dafür entschuldigt – schlussendlich musste auch der Schulleiter zurücktreten. Nun allerdings gerät das College abermals in die Presse, weil die Schulleitung ihren eigenen Lehrern mit Entlassung droht, wenn diese sich zu ihrer Homosexualität bekennen oder generell über das Thema sprechen sollten.

Das religiöse Citipointe Christian College hat deswegen extra neue Arbeitsverträge aufgesetzt, die alle Lehrer nun unterschreiben sollen – darin findet sich der Vermerk über das Thema Homosexualität. In einem Fall hat sich bereits ein Lehrer geweigert, das Dokument zu unterschreiben und wurde daraufhin tatsächlich entlassen. Das College selbst bestreitet den Kündigungsgrund. Pikant an der ganzen Sache ist zudem, dass die neuen Verträge datiert sind und so belegen, dass die Dokumente nach der Rücknahme der angedachten Glaubensbekenntnisse für neue Schüler erstellt worden sind.

Von Reue also keine Spur, auch nicht bei der neuen stellvertretenden Schulleiterin Ruth Gravestein. Konkret steht dort unter anderem mit Bezug auf die Lehrer geschrieben:

"Nichts in seinem bewussten Verhalten sollte mit dem eigentlichen Charakter seiner Position unvereinbar sein, insbesondere, aber nicht nur, in Bezug auf den Ausdruck der menschlichen Sexualität durch heterosexuelle, monogame Beziehungen, die durch die Ehe zum Ausdruck kommen.“

Immer wieder läuft es in solchen Fällen auf die eine Frage hinaus, was religiöse Einrichtungen in Queensland und ganz Australien tun dürfen. Ein heikles Thema, denn Diskriminierung ist unter dem Mantel der Religionsfreiheit durchaus in Teilen gestattet. Kernpunkt ist dabei der Abschnitt 25 des Antidiskriminierungsgesetzes von Queensland, dass es religiösen Einrichtungen erlaubt, zu diskriminieren, wenn eine Person "offen in einer Weise handelt, von der die Person weiß oder vernünftigerweise wissen sollte, dass sie den religiösen Überzeugungen des Arbeitgebers widerspricht."

Der Streit, ob ein solcher Arbeitsvertrag nun im konkreten Fall tatsächlich rechtskräftig ist, beschäftigt abermals australische Juristen und ist umstritten. Matilda Alexander vom LGBTI*-Rechtsdienst fasst das gegenüber dem Guardian so zusammen:

"Meiner Meinung nach ist dieser Vertrag nach den Antidiskriminierungsgesetzen von Queensland wahrscheinlich rechtswidrig. Er zielt darauf ab, ein Verhalten zu verbieten, das nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz steht, indem er einen Angestellten daran hindert, in einer Weise zu handeln, die den religiösen Überzeugungen der Hochschule zuwiderläuft, unabhängig davon, ob dies offen geschieht oder nicht. Es ändert das Mantra 'don't ask, don't tell' in 'don't do it'. Dies liegt weit jenseits der Macht eines jeden Arbeitgebers in Queensland. Wir alle haben das Recht, zur Arbeit zu gehen und unser eigenes Privatleben außerhalb der Arbeit zu führen, auch wenn wir für eine religiöse Schule arbeiten."

Eine solche Einstellung würde die Schüler zudem nicht auf die reale Welt vorbereiten, kritisieren auch immer mehr Lehrer in diversen australischen Medien. Man sei angewidert von dieser Art von Intoleranz und Diskriminierung, die sich hinter dem Namen Gottes verstecke. Das habe nichts mehr mit dem Christentum zu tun. Ob es nun tatsächlich zu Klagen vor Gericht kommen wird, ist noch offen – die Chancen dazu sind ebenso nicht wirklich berechenbar. Die gesamte Problematik brachte die Direktorin der Diversity-Organisation Inclusivity Quotient (InQ) so auf den Punkt:

„96 Prozent der unabhängigen Schulen sind religiös gebunden und glauben, dass sie das Recht haben, ihre eigenen Regeln aufzustellen, trotz der Finanzierung durch den Steuerzahler und der Unterstützung der Mehrheit der Australier für Inklusion. Was denken die sich?“

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