Direkt zum Inhalt
Psychische Erkrankungen

Psychische Erkrankungen Erneuter Anstieg von stationären Behandlungen bei Jugendlichen - besonders betroffen sind LGBTI*s

ms - 06.08.2024 - 10:00 Uhr
Loading audio player...

LGBTI*-Beratungseinrichtungen wie der Coming Out Day Verein, anyway oder auch Lambda sind sich einig darin, dass Depressionen und Angstzustände gerade bei jungen LGBTI*-Menschen in den letzten Jahren massiv zugenommen haben. Untermauert wird diese Einschätzung immer wieder von mehreren Studien der letzten Jahren – Covid wirkte dabei wie ein Brandbeschleuniger, doch auch nach dem Ende der Pandemie bleibt die Situation kritisch. Die neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik belegen nun ebenso erneut, wie schlecht es um die Jugend bestellt ist. 

81.000 Jugendliche in der Klinik

Demnach stellten psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen im Jahr 2022 nach Verletzungen und Vergiftungen die zweithäufigste Ursache für stationäre Krankenhausbehandlungen von Kindern und Jugendlichen dar. Gut 81.000 der rund 436.000 Krankenhauspatienten im Alter von 10 bis 17 Jahren wurden aufgrund von psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen stationär behandelt. Jeder fünfte Heranwachsende (19%) ist also aufgrund psychischer Probleme im Krankenhaus. Rund 22 Prozent dieser Jugendlichen (Gen-Z) definieren sich inzwischen als LGBTI* (Ipsos Studie 2024). 

„Insgesamt werden seit einigen Jahren anteilig immer mehr Kinder und Jugendliche wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen stationär behandelt“, so das Fazit des Statistischen Bundesamtes in Deutschland. Im Jahr 2012 wurden „nur“ 13 Prozent der jungen Klinikpatienten aufgrund von psychischen Erkrankungen stationär behandelt.

Depression bleibt Spitzenreiter

Die häufigste Diagnose dabei ist ganz klar die Depression, über 22.600 Jugendliche kamen deswegen im Jahr 2022 in Deutschland in eine Klinik. Dazu kommen Verhaltensstörungen, die durch Alkohol bedingt oder verstärkt wurden – davon betroffen waren rund 8.800 Jugendliche. Es stellt damit die zweithäufigste Diagnose dar. 

Weitere psychische Erkrankungen sind Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Diese können durch das Eintreten von „außergewöhnlich belastenden Lebensereignissen“ hervorgerufen werden oder durch „besondere Veränderungen im Leben“, die zu einer anhaltend unangenehmen Situation führen – ein Paradebeispiel dafür ist das selbst- oder fremdbestimmte Coming Out sowie Mobbingerfahrungen aufgrund der sexuellen Orientierung in der Schule. 

Negativtrend hält an

Der grundsätzliche Negativtrend setzt sich damit weiter fort – erst im Juni zeigte eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung auf, dass vor allem junge Menschen im Alter zwischen 19 und 22 Jahren auch besonders von Einsamkeit betroffen sind. Rund 35 Prozent fühlen sich dabei „moderat einsam“, elf Prozent sind „stark einsam“. Dazu kommt in der gesamten Altersgruppe von 16 bis 30 Jahren eine mäßige Lebenszufriedenheit. 

Auch Laut Sven Norenkemper vom Coming Out Day Beratungsverein befinden sich die LGBTI*-Jugendlichen nach wie vor im dauerhaften Krisenmodus: „Queere Jugendliche sind oft mit mehreren Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert. Einerseits gibt es die allgemeine Unsicherheit und Identitätssuche, die alle Jugendlichen durchmachen. Andererseits müssen LGBTI*-Jugendliche zusätzlich mit Diskriminierung, Ablehnung und manchmal auch Gewalt umgehen. Diese Mehrfachbelastung kann dazu führen, dass sie sich isoliert fühlen, defacto es auch nicht selten sind. Ein weiterer Faktor ist das Fehlen von Vorbildern und sicheren Räumen, in denen sie sich frei und akzeptiert fühlen können. Die gesellschaftliche Akzeptanz ist an vielen Stellen zwar gestiegen, aber in vielen anderen Bereichen nehmen Vorurteile und Ausgrenzung erschreckenderweise wieder stark zu.“

 

Hier gibt es Hilfe

Die Berichterstattung über Depressionen und psychische Erkrankungen ist ein überaus sensibles Thema. Wenn es dir nicht gut geht, versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Verein via Messenger oder E-Mail unter www.coming-out-day.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Mehr Schutz in Rheinland-Pfalz

Ausweitung bei Anti-Diskriminierung

In Rheinland-Pfalz sollen LGBTIQ+ und andere Minderheiten künftig besser gegen Diskriminierung geschützt werden, so ein Gesetzentwurf der Regierung.
Opfer mit Böller angegriffen

Verdächtige 16 und 18 Jahre alt

Vor zwei Monaten kam es im Hamburger Stadtpark zu einem schwulenfeindlichen Angriff. Zwei Brüder wurden nun als Hauptverdächtige festgenommen.
Bilanz ESC 2025

Mehrwert für die Schweiz

Die Schweiz zieht ein positives Fazit über den ESC 2025 in Basel: Die Kassen klingelten und das Image hat sich deutlich verbessert.
Schwules Paar überfahren

Homophober Angriff in London

Mordprozess in London: Am Weihnachtsabend 2024 raste ein 30-Jähriger in eine Menschenmenge, darunter ein schwules Paar. Ein Mann starb dabei.
Lügen vor Millionenpublikum

Anti-LGBTIQ+-Rhetorik von rechts

In der „Tucker Carlson Show“ mit dem rechten Aktivisten Milo Yiannopoulos entlud sich wieder einmal eine Welle LGBTIQ+-feindlicher Rhetorik.
Lynchversuch an Universität

Student in Uganda angegriffen

Eine Gruppe homophober Studenten versuchte an der größten Universität in Uganda einen Kommilitonen zu ermorden. Jetzt hat der Fall erste Konsequenzen.
Neue Vorwürfe in England

Homophobie unter Polizisten

Erneut steht die britische Polizei in der Kritik: Verschleppte sie die Aufklärung von Raubüberfällen auf Schwule aufgrund von Homophobie?
Italiens neue Zensur

Verbotspläne schreiten voran

"Gott, Vaterland und Familie“: Nur Sexualkunde und LGBTIQ+ soll es an vielen Schulen Italiens bald nicht mehr geben, beschlossen die Parlamentarier.