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Werbung für Pubertätsblocker?

Werbung für Pubertätsblocker? Shitstorm löst Panik-Reaktion bei Bundesbehörde aus

ms - 13.10.2022 - 10:00 Uhr
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Das Regenbogenportal des Bundesfamilienministeriums soll junge interessierte Menschen über Themen zu LGBTI* aufklären und informieren, unter anderem auch über Transsexualität. Hier nun entbrannte ob einiger Aussagen online ein Shitstorm, der inzwischen auch innerhalb der politischen Parteien für Fassungslosigkeit sorgt – an mehreren Stellen verharmloste das Bundesministerium unter Ministerin Lisa Paus (Grüne) offenbar sowohl eine Transition wie auch die Einnahme von Pubertätsblockern, die nach den jüngsten Forschungsdaten erhebliche Neben- und Langzeitwirkungen aufweisen können. Die Reaktion des Bundesfamilienministeriums? Zuerst wurden offenbar einzelne Passagen panisch geändert, schlussendlich ging die Seite komplett offline – und das ist sie bis jetzt.

Eine offizielle Stellungnahme von Seiten des Ministeriums zu den Aussagen, die sich explizit an Kinder und Jugendliche richten, gibt es nicht. So findet sich auf die Frage, ob man trans-geschlechtlich sein könnte, das Statement: „Wichtig ist: Es soll dir jetzt gut gehen. Wie du in 10 Jahren leben wirst, ist egal.“ Im weiteren Verlauf ist auf der Seite des Bundesfamilienministeriums zu lesen: „Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät? Dann kannst du Pubertäts-Blocker nehmen. Pubertäts-Blocker sind besondere Medikamente. Das Wort Blocker heißt: etwas stoppen. Diese Medikamente sorgen dafür, dass du nicht in die Pubertät kommst.“ Im gesamten Text findet sich kein Hinweis über die teils massiven und lebenslangen Spätfolgen, die die Einnahme von Pubertätsblockern mit sich bringen kann, beispielsweise der dauerhafte Verlust der Libido, eine massive Abnahme der Knochendichte bis hin zum Auftreten von Osteoporose in jungen Jahren sowie auch eine mögliche Minderung der Denkleistung.

"Männer können sich die Brust operieren lassen. Bevor man 18 ist.“

Unter der Rubrik Hormone war auf dem Regenbogenportal zu lesen: „Vielleicht sagst du auch: Nein, ich bin mir ganz sicher. Dieser Körper passt wirklich nicht zu meinem Gefühl. Dann kannst du bestimmte Hormone bekommen. Diese Hormone machen dich männlicher. Oder sie machen dich weiblicher. Sie verändern zum Beispiel deine Stimme. Oder du bekommst mehr Busen. Oder einen Bart. Je nachdem, welche Hormone du nimmst.“ Besonders heikel ist der Passus über Operationen: Obwohl immer wieder zum Beispiel auch vom Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, darauf hingewiesen wurde, dass Operationen zur Geschlechtsanpassung nicht bei Jugendlichen unter 18 Jahren angedacht sind, war auf der Informationsseite des Bundesfamilienministeriums unter anderem zu lesen: „Männer können sich die Brust operieren lassen. Damit sie flach wird. Das geht auch schon früher. Bevor man 18 ist.“ Zuvor im gleichen Text war noch darauf hingewiesen worden: „Hormone können aber nicht alles. Manches geht nur mit einer Operation. Zum Beispiel die Geschlechts-Teile verändern. Für eine Operation musst du aber mindestens 18 Jahre alt sein.“

Nicht nur digital sorgte ein massiver Shitstorm unter Usern dafür, dass das Bundesfamilienministerium inzwischen wohl kurzerhand die Seiten offline gestellt hat, im Archiv des Regenbogenportals ist das Angebot allerdings noch immer zu finden. Auch mehrere Politiker äußerten sich inzwischen entsetzt und kritisch über die leichtfertige Berichterstattung über Pubertätsblocker und eine Transition ganz ohne sachlich fundierte Gegenstimmen. Auch über das Thema De-Transition findet sich beim Regenportal nichts. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann erklärte dazu: „Ich finde es schlimm und kindeswohlgefährdend, wenn eine Bundesregierung insbesondere Kinder in solch einer Form adressiert und sich lebenslang auswirkende Medikamente wie Pubertätsblocker bagatellisiert.“ Der Trans-Mann, Autor und Diversity-Fachmann Till Randolf Amelung erklärte zur offensichtlich panischen Abschaltung der Homepage: „Wenn man nicht ausschließlich die aktivistische Seite verbreitet hätte, müsste man nicht hektisch alles deaktivieren. Es ist ja nicht so, dass man es nicht hätte anders machen können.“ Die ehemalige Bundesministerin der CDU, Julia Klöckner, erklärte: „Das ist doch irre – sollte das kein Fake sein: Bundesregierung empfiehlt sehr jungen, unsicheren Menschen Pubertäts-Blocker.“ Und der ehemalige BILD-Chef Julian Reichelt schreibt: „Wir leben in einer Zeit, in der unsere wahnsinnige Bundesregierung medikamentöse Experimente an Kindern empfiehlt. Man kann nur noch Angst vor diesen Leuten haben.“

Lehmann spricht von reiner "Textsammlung"

Der Queer-Beauftragte Sven Lehmann indes erklärte mit Blick auf die Äußerungen von Julia Klöckner: „Schäbige Stimmungsmache auf Kosten von trans Kindern, Frau Kollegin Klöckner. Das Regenbogenportal ist eine Text-Sammlung, keine Empfehlung der Bundesregierung. Übrigens steht der Text da schon länger – nämlich etwa seit der Zeit, als Sie Ministerin waren.“ Die Aussagen sorgen online vor allem auf Twitter für viele eher spöttische Kommentare, vor allem, weil Lehmann die Informationen des Bundesfamilienministeriums als reine “Textsammlung“ definiert. Das überrascht auf der einen Seite, weil kurzfristig offenbar noch versucht worden war, einen Satz einzufügen, der bei Pubertätsblockern auf Ärzte verweist, und auf der anderen Seite auch deswegen, weil das Regenportal sich selbst als „Informationspool der Bundesregierung zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen und geschlechtlicher Vielfalt“ definiert. Weiter steht dort: „Es wird herausgegeben vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und redaktionell betreut vom Bundesamt für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben.“ Ein User fragt Lehmann ganz direkt: „Was ist denn der Unterschied zwischen einer ´Textsammlung´, in der ein Text die Einnahme von Präparaten (Kannst du nehmen) empfiehlt, und einer Empfehlung?“ Eine Antwort von Seiten Lehmanns gab es darauf bisher nicht.

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