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Ungarns wirre Weltsicht
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Ungarns wirre Weltsicht Orbán spielt auf Zeit: Ändern sich 2024 die EU-Machtverhältnisse zum Nachteil für die LGBTI*-Community?

ms - 25.07.2023 - 10:00 Uhr

Einmal mehr hat der ungarische Premierminister Viktor Orbán die Europäische  Union angegriffen – in einer Rede in Rumänien erklärte er, die EU führe eine breit angelegte „LGBTQ-Offensive“ in Europa durch, die er nicht mitmachen werde. Seine nationalistische Regierung werde alles dafür tun, die „christlichen Wurzeln des Landes“ zu schützen und zu verteidigen.

Größtes Menschenrechtsverfahren gegen Ungarn

Dabei dürfe ihm aktuell auch das europäische Verfahren gegen Ungarn ein besonderer Dorn im Auge sein: In dem bisher größten Menschenrechtsverfahren dieser Art wurde im Frühjahr dieses Jahres Ungarn von der Europäischen Kommission aufgrund seines Anti-LGBT-Gesetzes vor dem Europäischen Gerichtshof angeklagt, dem Verfahren schlossen sich 15 EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Österreich, Irland, Dänemark, Malta, Spanien, Schweden, Finnland, Slowenien, Frankreich, Deutschland, Griechenland) sowie in einer bisher einmaligen Entscheidung auch das Europäische Parlament an.

Seit 2021 verbietet das Gesetz alle Themen rund um Homosexualität und Transsexualität an Schulen und in den Medien – mit teilweise absurden Auswirkungen. Zuletzt wurde eine Buchhandelskette zu einer Strafzahlung von 32.000 Euro verurteilt, weil sie die Comic-Buchreihe „Heartstopper“ über die erste schwule Liebe zweier britischer Schuljungen ohne explizite Warnung angeboten hatte.  

Ändern sich 2024 die Machtverhältnisse in der EU?

Orbán spielt indes offenbar bewusst auf Zeit – in seiner Rede erklärte der ungarische Ministerpräsident jetzt weiter, dass er auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im nächsten Jahr hoffe. Sein konkretes Ziel dabei ist es, den von Deutschland und Frankreich vertretenen „Föderalismus“ klar abzulehnen. Und in der Tat sind einige Länder in der EU zuletzt politisch nach rechts gerückt und vertreten eine Anti-LGBTI*-Politik, beispielsweise Italien.

Mit Spannung blickt man in diesen Tagen auch nach Spanien, aktuell hat weder die linksliberale bisherige Regierung noch das Bündnis aus Konservativen und Rechtsextremisten nach der Wahl am vergangenen Wochenende eine Mehrheit, sodass derzeit völlig offen ist, wie das Land tatsächlich weiter regiert wird – kommen die Rechtsextremisten mit der Partei Vox an die Macht wie befürchtet, dürfte dies auch das Ende für die LGBTI*-Politik im Land bedeuten.

Starkes Bündnis mit Polen

Orbán bekräftigte so auch sein Bündnis mit Polen – beiden Ländern sei zu eigen, dass die EU ähnlich eines „Imperiums“ versuchen würde, konservative Regierungen zu verhindern: „Wir sollten uns keine Illusionen machen: Die Föderalisten versuchen, uns zu verdrängen“, so Orbán weiter. In Polen finden im Herbst Parlamentswahlen statt, bei denen die konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine dritte Amtszeit anstrebt.

Die PiS-Partei vertritt in vielen Bereichen eine ähnliche Politik wie Orbán, beide Länder befinden sich zudem in einem Rechtsstaatlichkeitsstreit mit der EU, der zur Aussetzung bestimmter EU-Mittel geführt hat. In Polen sorgten dafür unter anderem die „LGBT-freien Zonen“, die rund ein Drittel der polnischen Gemeinden ausgerufen hatten.

Dabei zeichnete Orbán verbal ein Bild, im dem er Polen und Ungarn als die wichtigsten Kämpfer der antiföderalistischen Haltung darstellte. „Die EU lehnt das christliche Erbe ab, ersetzt ihre Bevölkerung durch Migration und führt eine LGBTQ-Offensive durch. Wir haben keine andere Wahl, als zu kämpfen.“

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