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Folter an Homosexuellen

Folter an Homosexuellen Der Genozid an LGBTI*-Afghanen geht mit aller Härte weiter

ms - 18.01.2023 - 14:00 Uhr

Die Lage für schwule Männer in Afghanistan verschlimmert sich immer weiter – das Oberste Gericht des Landes hat jetzt bestätigt, dass es gestern zu öffentlichen Auspeitschungen von neun schwulen Männern in einem Sportstadion gekommen ist. Mehrere hundert Zuschauer sollen vor Ort dabei gewesen sein, wie der Nachrichtensender AMU-TV berichtet. Nach Aussage der Taliban hätten die Homosexuellen sich auch des Diebstahls schuldig gemacht – Beweise dafür gibt es keine. Jedes Opfer erhielt im Durchschnitt rund 40 Peitschenhiebe.

Folterungen an der Tagesordnung

Immer wieder kommt es seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 zu Folterungen sowie Steinigungen, öffentlichen Auspeitschungen und Morden von schwulen Männern. Zuletzt im Oktober erschütterte der Fall eines schwulen Medizinstudenten die Weltpresse – der 22-Jährige war drei Tage lang gefoltert und schlussendlich mit einem Kopfschuss getötet worden. Ein Video der Gräueltaten hatten die Taliban online verbreitet und auch an die Familie geschickt. Zahlreiche Berichte von Amnesty International, Human Rights Watch oder auch Out Right Action International zeigten, wie grausam und furchtbar die Lage für schwule Männer von Tag zu Tag immer mehr wird.

Kritik an der Bundesregierung

Immer wieder war auch Kritik an der deutschen Bundesregierung aufgekommen, trotz massiver Interventionen seitens LGBTI*-Verbänden wie dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland hatte die Ampel-Regierung über ein Jahr lang gar nicht reagiert, bevor Außenministerin Annalena Baerbock schlussendlich letztes Jahr angekündigt hatte, dass Deutschland LGBTI*-Flüchtlinge aufnehmen wolle. In der Realität zeigte sich allerdings, dass die bürokratischen Hürden seitens der Bundesregierung wie aber auch die Fluchtmöglichkeiten so begrenzt sind, dass es kaum ein schwuler Mann bis nach Deutschland schaffen wird. So müssen LGBTI*-Flüchtlinge beispielsweise nachweisen, dass sie individuell gefährdet sind, um Asyl zu bekommen – eine reine Zugehörigkeit zur LGBTI*-Community reicht nicht aus.

Bald sind alle schwulen Afghanen tot

Soziologe Dr. Jörg Hutter, der zusammen mit seinem Bremer Verein Rat und Tat seit der Machtübernahme der Taliban rund 200 Anträge im Namen von LGBTI*-Afghanen bei den Ministerien eingereicht hat, erklärte dazu gegenüber SCHWULISSIMO: „Das zu belegen, ist für beinahe alle LGBTI*-Menschen vor Ort extrem schwierig, denn diese Personen haben ja die letzten Monate und auch Jahre vor der Machtergreifung der Taliban alles getan, um eben nicht als LGBTI* aufzufallen. Es droht, dass viele von Ihnen auch jetzt wieder durchs Raster fallen, wenn sie beweisen sollen, als LGBTI* persönlich gefährdet zu sein. So einen Nachweis zu verlangen, ist realitätsfremd, absurd und zeugt von einem hohen Maß an Menschenverachtung oder komplettem Unverständnis der Situation vor Ort gegenüber. Bald wird gar keine Hilfe mehr nötig sein, denn dann werden alle LGBTI*-Menschen in Afghanistan zu Tode gefoltert sein.“

Suizidwelle unter schwulen Afghanen

Ein weiteres Problem ist die Ausreise selbst, denn LGBTI*-Afghanen können nur über das Nachbarland Pakistan ausgeflogen werden, wobei die Taliban alle Grenzen seit Monaten dicht gemacht haben. Die gestern stattgefundenen öffentlichen Auspeitschungen sollen so zudem den Druck auf Homosexuelle vor Ort weiter erhöhen – immer mehr LGBTI*-Afghanen begehen Suizid, da sie keinen Ausweg aus der Situation mehr sehen, wie auch Hutter im Interview bestätigte: „Mit jedem Tag, der vergeht, wird die Situation dramatischer. Die Taliban verfolgen alle LGBTI*-Afghanen ohne Erbarmen. Nach ihrer Verhaftung werden sie in der Regel brutal gefoltert und vergewaltigt. Wer nicht entkommen kann, der wird hingerichtet, zum Beispiel durch zu Tode peitschen, durch das Verbrennen mit glühendem Eisen oder offenem Feuer, durch Köpfen, Steinigung oder die Opfer werden direkt lebendig begraben. Die Lage spitzt sich immer weiter zu, weil die Taliban im ganzen Land große Razzien in allen Ortschaften durchführen. LGBTI*-Menschen finden kaum noch einen Platz, wo sie sich verstecken können, meistens verweilen sie nur kurz an einem Ort, fast alle hungern inzwischen.“

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