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Über 1.000 queere Buchtitel vernichtet // © fmajor

Größte Verbannungin der US-Historie „Wenn wir alles streichen oder zensieren, was Menschen als beleidigend empfinden, wird nichts mehr übrig bleiben!“

ms - 08.04.2022 - 17:00 Uhr

Es macht unfassbar, betroffen und irritiert stark – die Schriftstellerorganisation PEN America hat jetzt bekanntgegeben, dass über 1.150 verschiedene Buchtitel mit LGBTI*-Inhalten in den letzten neun Monaten aus amerikanischen Klassenzimmern und Schulbibliotheken entfernt worden sind. Nebst LGBTI*-Themen wurden zudem auch Bücher vernichtet, die das Thema Rassismus offen behandelten.

Die bisher einzigartige Zensuraktion fand auf Druck konservativer Eltern und Behörden statt, so PEN America in einem offiziellen Statement weiter. In den letzten Monaten hätten sich so viele konservative Eltern in zahlreichen Bundesstaaten an die Schulaufsichtsbehörden gewandt, um Bücher entfernen zu lassen, die ihrer Ansicht nach sexuell zu explizit sind oder Rassismus in einer Weise thematisieren, die weißen Kindern ein „schlechtes Gewissen“ einjagen würde. Nebst den Büchern von mehreren Nobelpreisträgern verschwanden so beispielsweise auch die Memoiren des schwulen Schauspielers (Star Trek) und LGBTI*-Aktivisten George Takei, der darüber berichtet, wie er als japanisch-amerikanisches Kind während des Zweiten Weltkriegs in ein Internierungslager in Kalifornien geschickt wurde. Besonders gerne auf dem Index landen auch Bücher, die von Schwarzen Autoren geschrieben worden sind, die über queere oder rassistische Themen schreiben.

"Die Anfechtung von Büchern, insbesondere von Büchern nicht weißer männlicher Autoren, ist so hoch wie nie zuvor. Was in diesem Land in Bezug auf das Verbot von Büchern in Schulen geschieht, ist in seiner Häufigkeit, Intensität und seinem Erfolg beispiellos", so Jonathan Friedman von PEN America.

Dabei kommen die Zensurversuche nicht ausschließlich von Seiten konservativer Hardliner – auch einige LGBTI*-Gruppen und linksgerichtete Politiker fordern vehement die Verbannung von Büchern, die in ihren Augen nicht mehr politisch korrekt geschrieben sind. Im US-Kongress gab es diese Woche auch eine lebhafte Debatte über Buchverbote und akademische Zensur. Dem demokratischen Abgeordneten Jamie Raskin platzte dabei irgendwann der Kragen – wütend feuerte er sowohl den Konservativen als auch den Liberalen entgegen: "Lernen Sie, die Sprache, die Sie verabscheuen, ebenso zu tolerieren wie die Sprache, der Sie zustimmen. Wenn wir alles streichen oder zensieren, was Menschen als beleidigend empfinden, wird nichts mehr übrig bleiben!“

Raskin verwies in diesem Zusammenhang auf die Forderung, den Mark Twain-Klassiker "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" entfernen zu lassen, weil darin eine rassistische Beleidigung verwendet würde, obwohl sich das Werk insgesamt gegen Rassismus und Sklaverei richtet. Nach Angaben von PEN America  wurden bereits in 86 Schulbezirken landesweit die Buchregale „gesäubert“, mehr als zwei Drittel der verbotenen Bücher waren Belletristik, andere dagegen auch Sachbücher, darunter Biografien für Kinder über Rosa Parks, Martin Luther King Jr., Duke Ellington und Nelson Mandela.

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