Missbrauch von LGBTI* in Großbritannien „Versteckte Epidemie“ aus Gewalt und Hass vor allem gegenüber queeren Jugendlichen
Es sind erschütternde Zahlen, die eine neue Umfrage der Anti-Missbrauchs-Organisation Galop jetzt offenbaren: Jeder dritte britische LGBTI*-Mensch wird aufgrund seiner Sexualität oder Geschlechtsidentität von seinen eigenen Verwandten misshandelt. Die von YouGov im Auftrag von Galop durchgeführte Studie befragte 5.000 queere Britten. Ziel der Untersuchung war es, genauer zu beleuchten, was hinter „den verschlossenen Türen“ im Vereinigten Königreich passiert.
Die jetzige Auswertung der Ergebnisse erschüttert dabei auch die Anti-Missbrauchs-Organisation selbst, dabei reichen die Formen der Angriffe von queeren Menschen von verbaler Belästigung bis hin zur Androhung von Obdachlosigkeit und körperlicher Gewalt. In den meisten Fällen sind die Täter die eigenen Eltern oder ansonsten nahe Verwandte aus dem Familienumfeld. In zwei Drittel aller Fälle waren die LGBTI*-Menschen noch Minderjährige, als sie das erste Mal damit konfrontiert wurden, 30 Prozent waren sogar jünger als 11 Jahre.
Leni Morris, die Geschäftsführerin von Galop, dazu: "Wenn jemand missbraucht wird, weil er im Grunde genommen so ist, wie er ist, vor allem in einem so prägenden Alter und durch eine so einflussreiche Person, bleiben die Folgen oft ein Leben lang bestehen. Dieser Bericht spiegelt die Schwere und Komplexität der Fälle wider, die wir bei Galop tagtäglich erleben, und in denen die Opfer oft nie jemandem von ihren Erfahrungen erzählt haben. Es ist eine versteckte Epidemie."
Die queeren Opfer erzählten im weiteren Verlauf erschütternde Erlebnisse, wie beispielsweise, dass Verwandte oder die Eltern alle Interaktionen mit Freunden überwacht haben oder dass sie von einem Geschwisterteil geoutet und aus dem Haus der Familie geworfen wurden und die Eltern ihnen verboten hätten, jemals wieder zu Besuch zu kommen.
Am stärksten betroffen von den Misshandlungen sind dabei nach Auswertung der Studie trans- und nicht-binäre Menschen, beinahe jeder Zweite von ihnen (43 Prozent) erlebte Angriffe durch die eigenen Familienmitglieder. Rund 60 Prozent aller Befragten, die von ihrer Familie misshandelt wurden, gaben an, dass ihre LGBTI*-Identität hauptursächlich dafür war. Rund 5 Prozent der befragten queeren Britten sagten zudem, dass sie Konversionspraktiken ausgesetzt waren oder eine „Heilung“ ihrer Sexualität versucht wurde – das sind rund 250.000 Menschen.
Die Situation ist in Großbritannien auch deswegen besonders schwierig, weil insbesondere junge und minderjährige LGBTI*-Menschen kaum eine Chance haben, der Situation zu entfliehen, so Morris im Interview mit dem Guardian weiter: "Anti-LGBTI*-Missbrauch durch Familienmitglieder wird von den gesetzlichen Diensten oft als ´Generationsunterschied´ fehlinterpretiert, anstatt ihn als das zu sehen, was er wirklich ist - häuslicher Missbrauch!
Dies führt dazu, dass viele LGBTI*-Personen keinen Zugang zu der Unterstützung und Hilfe haben, die sie benötigen, um diese missbräuchlichen Situationen sicher zu verlassen.“ Zudem, so Morris, ist es für viele queere Jugendliche auch schwierig, von zu Hause wegzurennen, denn „LGBTI*-Personen, die versuchen, vor Missbrauch zu fliehen, haben im Vereinigten Königreich nicht genügend geeignete Unterkünfte, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Wir erleben regelmäßig, dass LGBTI*-Opfer von Missbrauch und Gewalt gezwungen sind, zwischen einer potenziell gefährlichen Notunterkunft, Obdachlosigkeit oder dem Verbleib bei ihren Peinigern zu wählen."
Aufgrund der erschreckenden Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass Galop eine schnelle und langfristige Bereitstellung von mehr Mitteln zur Unterstützung von queeren Überlebenden dieser Misshandlungen von der britischen Regierung fordert. Zudem müsse dringend das grundsätzliche Verständnis für die Problematik bei der Polizei und britischen Behörden geschult und besser vermittelt werden.