Direkt zum Inhalt
Protest von 4.000 trans-Aktivisten in London // IMAGO / ZUMA Wire
Rubrik

Protest in London Juristische Fragen stoppen vorerst Verbot von Konversionstherapien für trans-Menschen

ms - 11.04.2022 - 13:20 Uhr

Mehrere tausend trans-Aktivisten demonstrierten am gestrigen Sonntag in der berühmten Downing Street in London, um gegen die Entscheidung der britischen Regierung zu protestieren, trans-Menschen beim geplanten Verbot von Konversionstherapien in einem ersten Schritt auszuklammern. Nach Auskunft von LGBTI*-Aktivist Peter Tatchell trafen sich gestern rund 4.000 trans-Personen, Aktivisten und Unterstützer vor dem offiziellen Amtssitz des britischen Premierministers Boris Johnson. Via Twitter ließ Tatchell zudem verlautbaren: „Boris Johnson hat uns reingelegt! Kein Verbot ohne Trans!“

Nach einer jahrelangen Verzögerungstaktik und einem politischen Zick-Zack-Kurs für und gegen ein Verbot der gefährlichen „Therapieangebote“ für queere Menschen hatte sich die britische Regierung schlussendlich in einem ersten Schritt entschlossen, Konversionstherapien nur für homo- und bisexuelle Menschen zu verbieten. Transsexuelle Personen sollen nach Aussagen der Regierung erst in einem zweiten Schritt möglicherweise mit eingeschlossen werden, wenn komplexe Kritikpunkte gerade auch juristisch geklärt sind.

Einer dieser kritischen Punkte ist beispielsweise die Frage, ob Ärzte und Therapeuten Jugendliche noch untersuchen und ein psychologisches Gutachten erarbeiten dürfen, wenn ein minderjähriger Mensch mit der Selbstdiagnose „transsexuell“ in die Praxis kommt. Der juristische Graubereich zwischen einer nötigen Abklärung, ob tatsächlich eine Geschlechtsdysphorie vorliegt oder nicht und einer möglichen Therapie bei Feststellung einer anderen Ursache geht Hand in Hand mit dem Vorwurf, somit eine Konversionstherapie zu beginnen, also zu versuchen, die trans-Person „umzupolen“, so wie das bereits bei homosexuellen Menschen tausendfach in Großbritannien geschehen ist.

Die Demonstranten gestern in London forderten trotzdem eine sofortige Einbindung von trans-Menschen in das Verbot. Mit Trans-Pride-Flaggen schwenkend skalierten sie: „Keep trans in the ban – LGB with the T!“ Auf Schildern waren zudem Forderungen zu lesen wie „Queerness braucht keine Heilung.“ Auch Johnson selbst steht in der Kritik und es wird offen diskutiert, ob es sich der Premierminister mit Blick auf die anstehenden Wahlen in weniger als einem Monat (05.Mai) schlicht nur einfach machen möchte und die juristischen und gerade auch in Großbritannien von Feministinnen stark umstrittene Selbstdefinition von trans-Jugendlichen somit umgehen will.

Der britische Sonderbeauftragte für LGBTI*, Nick Herbert, hatte sich bestürzt über die Entscheidung der britischen Regierung gezeigt und fordert einen Beschluss der königlichen Kommission, um die gesamte Debatte „zu entgiften“. Allerdings übte Herbert auch Kritik an der queeren Community selbst – aufgrund der Exklusion von trans-Personen beim angedachten Verbot hatten über einhundert LGBTI*-Organisationen ihre Teilnahme an der geplanten, ersten, globalen und weltweit größten Konferenz von queeren Gruppen und Organisationen abgesagt und somit das Vorhaben in London zum Scheitern gebracht. Herbert sprach in diesem Zusammenhang von einem "Akt der Selbstbeschädigung durch die LGBTI*-Lobby." Er beschuldigte dabei konkret auch die LGBTI*-Organisation Stonewall, den Boykott organisiert zu haben und anschließend trotzdem "Krokodilstränen" über die spätere Absage vergossen zu haben.

Herbert weiter: "LGBTI*-Gruppen waren verständlicherweise bestürzt, so wie ich, als ein versprochenes Verbot der Konversionstherapie plötzlich fallen gelassen und nur Stunden später teilweise wieder eingeführt wurde. Der Ausschluss von trans-Personen spiegelt aber die Sorge wider, dass mehr Zeit benötigt wird, um sicherzustellen, dass legitime Therapien zur Unterstützung junger Menschen mit Geschlechtsdysphorie nicht versehentlich kriminalisiert werden. Wir müssen die Bedenken zerstreuen und die Argumente für einen Wandel vorbringen, indem wir die Beweise nutzen und den Parlamentariern versichern, dass ein Verbot, das auch Trans-Personen einschließt, ein sicherer und vertretbarer Weg ist.“

Auch Interessant

Viel heiße Luft

Lügenbaron Santos wird zur Drag-Queen

Er gibt keine Ruhe: Der Ex-US-Kongressabgeordnete George Santos will als Drag-Queen Geld erbetteln, bevor er im Herbst wegen Betrug vor Gericht steht.
Reform im Kosovo?

Chance für das Partnerschaftsgesetz

Klappt es dieses Mal? Der Premierminister des Kosovo will im Mai im zweiten Versuch ein Partnerschaftsgesetz für Homosexuelle verabschieden.
Revolte in Mexiko

Kampf für mehr LGBTI*-Rechte

Tausende Menschen machen gerade mobil für mehr LGBTI*-Rechte vor den Präsidentschaftswahlen in Mexiko. Im Fokus stehen Regenbogenfamilien.
Ende der Homo-Heilung

Mexiko verbietet Konversionstherapien

Der mexikanische Senat hat jetzt ein Verbot von Konversionstherapien beschlossen. Die katholische Kirche versuchte bis zuletzt das zu verhindern.