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Regenbogenfamilie Nawrot bald im TV

Roman und Daniel "Unser Familienkonzept ist ganz normal"

km - 06.01.2022 - 10:00 Uhr

Roman und Daniel waren bei SCHWULISSIMO Paar des Monats März 2020. Das Interview dazu verlief damals noch vor Corona. Die beiden erzählten, wie sie sich 2011 kennengelernt haben. Nämlich über ihren Job. Daniel war Friseur und der acht Jahre ältere Roman arbeitete in einer Haarkosmetikfirma und hat dort ein Seminar gegeben. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie haben geheiratet, ein Unternehmen im Direktvertrieb und eine Familie gegründet. Die perfekte und erfolgreiche Vorstadt-Regenbogen-Familie in der Nähe von München. Nun ist nicht nur Zeit, sondern auch Corona ins Land gezogen. Wie sehr hat Corona, Job, Familie und Liebe durcheinandergewirbelt oder hat sich die Welt ganz normal weitergedreht? Während die Kleinen schlafen, nehmen sich Daniel und Roman die Zeit, um mit SCHWULISSIMO über ihr 10-Jähriges, ein neues Fernsehprojekt und die Folgen von Corona zu sprechen.

 


 

Was waren die größten Herausforderungen bei der Erziehung in der Pandemie?
Daniel: Durch unseren Beruf, den wir ausüben, sind wir vor der Pandemie um die 100.000 Kilometer mit dem Auto gereist. Kinder und Hund konnten wir mitnehmen, trotz der Veranstaltungen, die wir hatten, war es möglich immer alles unter einen Hut zu bekommen. Die Pandemie hat dann dafür gesorgt, dass wir von zu Hause gearbeitet haben und wir die Zeit mit unserer Familie viel intensiver genießen konnten. Vieles hat sich eben auf Zoom-Calls und ins Internet verlagert, die Kilometer im Auto sind rapide gesunken und wir konnten zu Hause eben wirklich die Zeit als Familie verbringen und deshalb war Corona familiär für uns ein Vorteil. Ich denke aber auch, dass es daran liegt, dass unsere Kinder zu der Zeit noch sehr klein waren und auch noch immer sind. Die sind jetzt zweieinhalb und gehen noch nicht in den Kindergarten, so können wir die Zeit natürlich schön nutzen und genießen.
Roman: Wir haben hier einen großen Garten und leben auf dem Dorf – teilweise haben wir die Pandemie gar nicht wirklich bemerkt.

Wollt ihr das so beibehalten? Also auch nach der Pandemie auf die weiten Strecken verzichten und sich mehr auf das Homeoffice fokussieren?
Roman: 2012 haben wir mit unserem Business begonnen. Vor Kurzem habe ich alte Bilder angeschaut und gesehen, dass wir Zoom-Calls schon immer gemacht haben. Damals war das für viele neu und wir haben es bereits genutzt, um die ganzen überall verteilten Vertriebspartner gebündelt zu treffen. Dann gab es eine Phase, wie Daniel gesagt hat, dass wir überall hingefahren sind und immer unterwegs waren. Wir haben das aber auch sehr genossen – wir passen uns an bzw. haben das Privileg, uns gut anpassen zu können. Wenn die Kinder im Grundschulalter sind, ist das Hin- und Hergefahre natürlich nicht mehr so einfach, deshalb ist das schon eine mögliche längerfristige Idee der Arbeitsgestaltung.

© Familie Nawrot
© Familie Nawrot

Habt ihr das Gefühl gehabt, dass die Kinder durch die Pandemie was verpasst haben oder sind sie einfach zu jung, dass sie davon gar nichts merken?
Daniel: Gott sei Dank nicht, das liegt aber auch nur am Alter. Wenn sie zu Beginn der Pandemie zwei Jahre älter gewesen wären, hätten sie mit Sicherheit Einschränkungen erlebt.
Roman: Und auch Fragen, die dann die Kinder stellen, warum sie nicht mit anderen Kindern spielen dürfen oder nicht auf den Spielplatz gehen können. Das blieb uns Gott sei Dank alles erspart. Wir hatten Glück, dass das Timing auf unserer Seite stand. Unser kleiner Mikrokosmus hat gut funktioniert.

Welche Tipps habt ihr an Eltern, da wir auf den nächsten Lockdown zusteuern?
Roman: Das, was wir nicht machen und auch von abraten möchten, ist die einfachste Möglichkeit, das Kind ruhig zu stellen und es vor den Fernseher oder das iPad zu setzen. Man sollte sich mit dem Kind beschäftigen oder es mit einbeziehen. Während des Lockdowns haben viele angefangen, ihre Wohnung zu streichen oder zu tapezieren oder den Boden erneuert – das dann einfach mit den Kindern gemeinsam machen.
Daniel: Das man sich schöne Erinnerungen schafft und die Kinder spielerisch mit einbezieht.
Roman: Das haben wir auch gemacht. Wir haben unser Schlafzimmer neu angestrichen und unsere Kinder haben uns eifrig vom Bett aus beobachtet. Wenn sie älter gewesen wären, hätten sie mitgemalt. Es gibt viele Möglichkeiten, die Kinder abseits von Fernseher und Co. zu beschäftigen.
Daniel: Genau, es ist wichtig, dass man sich mit den Kindern aktiv beschäftigt, Zeit mit ihnen verbringt, versucht Dinge zu erklären und vor allem, weil sie durch Corona soziale Einschnitte haben, ist es umso wichtiger, mit den Kindern Zeit zu verbringen.

Job und Kinder habt ihr immer gut unter einen Hut gebracht, in der Pandemie hat sich scheinbar nicht viel geändert?
Roman: Wir haben gemerkt, was es für ein Luxus ist, so flexibel zu sein und von zu Hause aus arbeiten zu können. Deshalb ist unser Business gut, weil viele Eltern nach einem Nebenjob geschaut haben, den man trotz Kinder – eben von zu Hause aus – steuern kann. Wir arbeiten, wenn die Kinder im Bett sind. Wer sich da informieren möchte oder wer sich das vorstellen könnte – wir haben da ein schlüsselfertiges System, um Eltern, aber auch nicht Eltern zu helfen.

© Familie Nawrot
© Familie Nawrot

Ihr seid bald in einer Fernsehshow. Wie kam es dazu?
Daniel: Wir haben uns vor zwei Jahren dazu verschrieben, als wir überlegten, was wir für unsere Zukunft möchten. Dabei kam eben heraus, dass wir unserer Community etwas zurückgeben möchten – also der LGBTI*-Community. Einfach aus dem Grund, dass unsere Geschichte vielleicht relativ einfach war, im Gegensatz zu vielen anderen Geschichten, die es gibt. Gerade über Social Media merken wir, dass es für viele nicht einfach ist, sei es das Thema Outing, Homosexualität, Trans* und vieles vieles mehr, eben der ganze queere Kosmos. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen etwas zurückgeben und zeigen, dass es nicht nur traditionelle Familienkonzepte geben muss. Familie kann sehr viel mehr sein – ob zwei Männer oder zwei Frauen, Co-Parenting, da gibt es so viele verschiedene Familienmodelle, die wunderschön sind.
Roman: So sind wir dann mit unserem Familienkonstrukt an die Öffentlichkeit gegangen, zum Beispiel auf Social Media und haben nie ein großes Ding daraus gemacht. Unsere Familie haben wir einfach ehrlich abgebildet. Uns sind teilweise die Postfächer explodiert, auch von Heteropaaren, die begeistert waren, weil sie nicht gedacht hätten, dass zwei Männer das so meistern. Dadurch wurde uns erst einmal bewusst, wie viel Öffentlichkeitsarbeit nötig ist, um dahingehend aufzuklären. Unser Ziel ist zu zeigen, dass unser Familienkonzept ganz normal ist und wir auch die gleichen Probleme und Herausforderungen haben wie alle anderen. Dadurch haben wir im Laufe der Zeit dann kleinere Anfragen bekommen zum Beispiel von einem regionalen Fernsehsender und nun ist eine große Produktionsfirma auf uns aufmerksam geworden und hat uns gefragt, ob wir nicht Lust hätten, bei dieser Show mitzumachen.
Daniel: Für uns war die Entscheidung dann schnell gefällt, da wir eh die Menschen für unser Familienkonzept sensibilisieren wollen.

Was kann man in der Show erwarten?
Roman: Wir dürfen leider noch nicht sagen, wie die Sendung heißt, aber sie läuft bei Sat1 zur Primetime um 20:15 Uhr. Es wird mehrere Folgen geben und im ersten Quartal 2022 erscheinen. 

Warum habt ihr euch dazu entschieden, so viel Privates preiszugeben?
Roman: Ein Patrick Lindner wurde damals verurteilt, als er ein Kind aus Russland adoptiert hat, aber damit hat er Weichen für die Community gestellt. Und auch wenn wir im 21. Jahrhundert leben und deutlich weiter sind als damals, gibt es viel aufzuarbeiten. Wir wollen als Pioniere im deutschen Fernsehen queere Familienkonzepte präsentieren. Eine greifbare queere Familie aus Deutschland sein und wir sind auch stolz drauf, diese Chance bekommen zu haben.
Daniel: Außerdem hätten wir uns als Teenager gewünscht, Menschen wie uns jetzt im Fernsehen oder in der Öffentlichkeit zu sehen. Als Vorbildfunktion.
Roman: Und nicht nur über „Verbotene Liebe“.
Daniel: Genau, also nichts gegen Paradiesvögel, das sind auch wundervolle Menschen, aber man hatte so ein spezielles schwules Bild damals im Kopf. Uns hätte das viel gebracht, eine Show zu sehen, die den Alltag von einer queeren Familie zeigt. Nur weil Menschen aus der Community schon früher sich gezeigt haben und Öffentlichkeitsarbeit betrieben haben, können wir uns heute leichter outen und das Leben führen, wie wir es führen. Und jetzt sehen wir uns in der Verantwortung, uns stark zu machen für queere Familienkonzepte, damit die Menschen in der Zukunft es leichter haben.

© Familie Nawrot
© Familie Nawrot

Verspürt ihr Druck oder eher Stolz, da ihr die queere Community in den Medien vertreten werdet?
Daniel: Wir haben sehr viel Verantwortung, weil wir für eine ganze Community stehen und unser Bestes geben und zeigen wollen. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen: Wir zeigen uns auch nur so, wie wir sind. Wenn es dann Menschen gibt, denen das nicht gefällt und das wird es geben, dann können wir da auch nichts dagegen machen. Es wird, denke ich, aus der nicht-queeren Community Menschen geben, die es mögen werden und auch welche, die es verurteilen – das Gleiche gilt für die queere Community.

Roman: Wir haben uns den Stiefel selbst angezogen und uns ist diese Verantwortung bewusst. Wir gehen mit Respekt an die Sache und wissen, was wir für eine große Aufgabe haben. Natürlich kann es immer nach hinten losgehen, aber wir zeigen uns und sind wie wir sind und wir sind davon überzeugt, dass das richtig ist. Von daher feinden wir niemanden an. Was noch dazu kommt, ist, dass der Mann von der Produktionsfirma, der uns kontaktiert hatte, uns unbedingt dabeihaben wollte. Er war schon etwas älter und selbst schwul. „Ich bewundere euch. Euch hätte ich mir vor 30,40 Jahren gewünscht, damit ich das meinen Eltern hätte zeigen können. Dann hätte ich es leichter gehabt“, hat er zu uns am Telefon gesagt. Außerdem führte er fort, dass im Fernsehen oft die überspitzten Schwulen abgebildet werden. Verstehe uns nicht falsch, wir lieben die Community und die schwulen Klischees, aber wenn man im Fernsehen nur diese Seite der Community zeigt, braucht man sich nicht über das falsche Bild wundern, dass nicht-queere Personen über Schwule haben. Wir vertreten eben eine andere Seite, denn außer, dass wir zwei Männer sind, sind wir nicht anders als die Nachbarsfamilie. Wir sind am Ende alle nur Menschen und wen wir lieben, sollte da keinen Unterschied machen.
Daniel: Wir haben bei Produktionen auch eine klare Meinung und Stellung, die wir vertreten und wenn wir das Gefühl haben, das passt nicht, lehnen wir Angebote auch ab. Es geht uns um die Botschaft und nicht darum, berühmt zu werden und in jeder Show aufzutauchen.

© Familie Nawrot
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Ihr beide habt 10-Jähriges – was habt ihr in der Zeit gelernt?
Daniel: Wir hatten unser 10-Jähriges am 7. Oktober und wir haben extrem viel gelernt. Wir können das selbst oft gar nicht glauben. Als es mit uns angefangen hat, hatten wir beide gar nichts. Ich war 18 Jahre alt, der Roman 26 und er hatte mit seinem Bruder am Münchener Hauptbahnhof einen Hot-Dog-Imbiss eröffnet, wo er am Tag 16 Stunden gearbeitet hat. Das hat sich auch abgezeichnet, er sah viel älter aus und das meine ich nicht böse, aber er war schon von der Arbeit geprägt. Ich war bei einem Friseurladen angestellt und bin danach zu ihm. Wir hatten kein Geld, keine Zeit und kaum Möglichkeiten, irgendetwas zu machen. Durch den eigenen Willen und die eigene Kraft haben wir uns dann da rausgeboxt. Wir haben uns dann Ziele gesetzt, zum Beispiel eine Familie gründen zu wollen, den Hot-Dog-Laden irgendwann zu verkaufen, ein großes Haus zu haben und zu heiraten – all diese Sachen.
Roman: Einige Ziele wie das Heiraten waren zu dem Zeitpunkt noch gar nicht möglich, aber wir haben alles Schritt für Schritt in Angriff genommen. Letztens saßen wir mit unseren Freunden zusammen, auch alle schwule Paare, die auch schon viele Jahre zusammenleben. Also auch wenn man vielleicht oft das Gegenteil hört, ist es auf jeden Fall möglich, langfristige und nachhaltige Beziehungen zu führen. Wir haben gelernt, wie schön dieser Zusammenhalt ist.

Was würdet ihr Menschen mit auf den Weg geben, die diese Reise von euch noch vor sich haben?
Daniel: Wir arbeiten beide beruflich und privat an den gleichen Zielen, das ist extrem wichtig in meinen Augen.
Roman: Zum Jahreswechsel konzipieren wir unser gemeinsames Dreamboard. Auf eine Leinwand kleben wir alle unsere Ziele und halten diese im Schlafzimmer fest und können so spezifisch und effizient darauf hinarbeiten, da wir sie immer vor Augen haben. Dabei können es materielle und immaterielle Dinge sein. Das ist auch eine schöne Sache, dass zusammen mit dem Partner zu erarbeiten.
Daniel: Wichtig ist, seine Ziele dann genau zu benennen, auch zu klären, wie man diese erreicht und schlussendlich so leben, dass man auf das Ziel hinarbeitet.

Was liebt ihr an der LGBTI* Community in Bayern?
Roman: Wir lieben an der Community diese Leichtigkeit und die Shows. In München gibt es viele Drag-Shows und das ist so fantastisch – wir kennen die Menschen auch alle.
Daniel: Wir lieben das Leben und das ist für mich so typisch queer. Es ist aber schwierig zu beantworten, was ich im Speziellen an Bayern so liebe.
Roman: Es wird leider immer weniger. In München gibt es das Glockenbachviertel, das schwule Viertel könnte man sagen. Wenn wir ältere Schwule kennenlernen, dann erzählen die, wie das Glockenbach so vor 30 Jahren war. Heute ist nicht mehr so viel los, da leider eine Kneipe nach der anderen dichtmacht.
Aber wir könnten uns vorstellen, selbst irgendwann in München ein Szene-Lokal zu eröffnen mit Drag-Shows für Gays & Friends.
Daniel: Der muss dann aber ganz klischeehaft sein, aber auf edel gemacht.
Roman: Genau. Einfach ein schöner Treffpunkt – das kommt auf jeden Fall auf das Dreamboard.

© Familie Nawrot
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