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BBQ Podcast

BBQ Podcast "Rassismus ist tief in unserer Gesellschaft verankert"

km - 13.01.2022 - 10:00 Uhr

BIPoC und queere Perspektiven finden im öffentlichen Diskurs noch immer wenig Raum. BBQ (BlackBrownQueer) ist der Podcast, der das ändert. Monatlich suchen sich die Hosts Zuher Jazmati und Dominik Djialeu ein Thema, das sie beschäftigt oder die Welt gerade bewegt. Ob queere Bewegung im Osten, BIPoCs in der Politik oder die glamouröse Welt des Ballroom Culture – zu Gast sind immer Betroffene, Aktive und Menschen aus der Szene um ihre Expertise zu teilen. Was BBQ dabei so einzigartig macht? Der nicht-weiße und dazu queere Blickwinkel auf Themen mit gesellschaftlicher Relevanz. SCHWUISSIMO sprach mit Zuher und Dominik über ihren Podcast, die Community und Rassismus.

 

Wie kam es dazu, dass ihr euren Podcast macht?
Dominik: Wir sind schon länger befreundet und leben beide im Berliner Stadtteil Wedding. Das ist ein sehr postmigrantisch geprägter Stadtteil und sehr vielfältig, eine queere Szene gibt es hier aber so gut wie fast gar nicht. In einem Gespräch kamen wir auf die Frage, warum wir als schwule Männer deshalb nicht zum Beispiel in Schöneberg leben, einem Stadtteil, der ein sehr großes schwules Angebot hat. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir als schwule Männer, die eben nicht weiß sind, mehr Rassismus in unserem Leben erfahren haben als Schwulenfeindlichkeit. Und Rassismus widerfährt uns im Wedding einfach weniger, als in einem überwiegend weiß geprägten Stadtteil. Das macht sehr deutlich, dass wir durch unseren Hintergrund andere Erfahrungen als z.B. weiße Schwule machen und damit auch einen anderen queeren Blick auf die Gesellschaft haben. Obwohl unser Land so vielfältig ist, gab es in den Medien bis dato noch keine Plattform, auf der der unsere Stimmen gehört und unsere Themen besprochen wurden. Das haben wir daraufhin mit unserem Podcast geändert und besprechen seit zwei Jahren in lockerer Atmosphäre die Dinge, die uns am Herzen liegen.

BBQ © Ridvan Cavus
BBQ © Ridvan Cavus

Mit welchen Themen setzt ihr euch auseinander?
Zuher: Es gibt nicht das eine Thema, das uns spezifisch interessiert. Wir haben eine Pallette an Interessen, die wir gerne im Podcast mit spannenden Gäst*innen besprechen. Meistens haben sie etwas mit der Intersektion von Queerness und Rassismuserfahrungen zu tun – beispielsweise “Fetischisierung”, die “Ballroom Culture” oder “Colourism”.
Sehr oft sprechen wir aber auch über Themen, die uns einfach interessieren oder betreffen und wo wir sagen, dass wir selbst als Podcast-Hosts die nicht-weiße queere Perspektive hineinbringen, so wie beim Thema “Rassismus beim CSD und Pride”. Wir wollen unangenehme Themen nicht verschweigen, sondern ansprechen, damit sich etwas tut. Das Wichtigste dabei ist nur, dass wir ungerne über, sondern viel lieber mit Menschen reden, die sich mit den Themen auskennen und/oder von bestimmten Identitäten betroffen sind.

Ihr seid ja nicht einfach nur ein „Laber-Podcast, sondern habt ja auch immer viele Fakten und manchmal auch Experten am Start. Wie lange und wie bereitet ihr euch auf die Folgen vor?
Dominik: Das ist super unterschiedlich. Es gibt Folgen, bei denen es für uns wenig Vorbereitung braucht, weil wir uns damit schon vorher gut auskennen. Bei Zuher war das bisher zum Beispiel die „Queernes & Islam“-Folge und bei mir die Folge, in der wir uns mit Hip Hop beschäftigen. Bei anderen Folgen müssen wir natürlich recherchieren: wir lesen Artikel, kramen uns durch Material im Internet und tragen dann unsere Informationen zusammen. Manchmal steht eine Folge in zwei Stunden und manchmal brauchen wir auch ein bis zwei Tage. Bei unseren Gäst*innen kennen wir mit etwas Glück auch in unserem Umfeld geeignete Menschen, die wir dann als Expert*innen einladen oder wir fragen ganz klassisch unsere Wunschkandidat*innen auf offiziellem Wege an. Lange wollen wir eigentlich auch schon eine Folge zu “Nicht-weißem queeren Leben in der DDR“ machen. Bisher sind wir gescheitert, weil uns schlichtweg die Informationen und die passenden Expert*innen fehlen. Das passiert auch.

BBQ © Andreas Domma
BBQ © Andreas Domma

Gibt es Folgen, bei denen Informationen zutage kommen, die euch selbst überraschen? Von welcher Recherche wart ihr am meisten schockiert oder überrascht?
Zuher: Mich überraschen permanent Dinge, die ich in der Vorbereitung für eine Folge lese. Wenn ich beispielsweise in Vorbereitung auf unsere “Chemsex”-Folge lese, wie hoch die Zahl der Drogenkonsument*innen in Deutschland ist und wie viele Menschen auch körperlich darunter leiden – bis hin zum Tod. Oder auch in Vorbreitung auf unsere “Queer Parenthood”-Folge, wo man erst beim Recherchieren merkt, wie rückschrittlich die juristische und legale Lage für queere Eltern und jene, die es werden wollen, immer noch ist. Sehr oft hat man ja das Gefühl, dass in Deutschland alles voll großartig für queere Menschen und BIPoCs sei. Aber dann liest man sich in bestimmte Themen ein oder hört unseren Gäst*innen zu und merkt erst dann, dass da noch echt viel Nachholbedarf besteht.

Die LGBTI*-Community ist immer für Akzeptanz und Gleichberechtigung. Doch wie steht es um das Thema Rassismus in der LGBTI*-Community?
Dominik: Weiß und queer sein schützt leider nicht vor verinnerlichtem Rassismus. Auch wenn in der LGBTI*-Community oft gedacht wird, weil wir ja alle diskriminiert werden und es deshalb automatisch besser machen. Dem ist leider nicht so. Dating Apps machen das z.B. sehr deutlich, wenn Typen in ihre Profile schreiben, dass sie beispielsweise ausschließlich Schwarze oder Araber daten, aber bloß keine Asiaten. Die mögen es Vorliebe nennen, am Ende folgen sie aber einfach einem rassistischen Muster, das Hautfarbe oder Ethnien kategorisiert und ihnen im schlimmsten Fall noch bestimmte Wesensmerkmale zuschreibt. Rassistischen Mustern zu folgen, muss nicht vorsätzlich oder feindlich daherkommen.

Was ist das beste und stärkste Mittel gegen Rassismus?
Dominik: Aufgeschlossenheit mit einer starken Portion Selbstreflexion und Empathie. Ich glaube, wichtig ist, dass wir auch im Bezug auf Diskriminierung immer unsere eigenen Denkmuster und Haltungen zu Dingen hinterfragen. Mach dich schlau, wenn du etwas nicht kennst. Versuch mehr über andere Kulturen, die dich umgeben zu erfahren und dich in sie hineinzuversetzen.
Zuher: Genau! Und als weiße Person, solltest du verstehen, dass du in einer wirklich sehr privilegierten Position bist. Check deine Privilegien und höre Menschen, die diese nicht besitzen, einfach zu. Und setz’ dich aktiv gegen Rassismus ein – sei es in deiner Stadt, im Esstisch, in Alltagssituationen etc. Das stärkste Mittel gegen Rassismus, ist Rassist*innen in die Schranken zu weisen, nach dem Motto: “Make Racists Afraid Again”.

BBQ © Ridvan Cavus
BBQ © Ridvan Cavus

Rassismus hinterlässt ja einen riesigen Rattenschwanz. Welche Themen vergessen Menschen, die auch mit dem Thema Rassismus zu tun haben?
Zuher: Ich glaube, sehr oft vergessen wir darüber zu sprechen, wo wir eigentlich hinwollen und wie ein besseres Leben für Menschen, die auch von Rassismus betroffen sind, aussehen könnte. Da öffnet sich sehr oft ein Fächer an verschiedenen Themen, wo Rassismus eine, aber nicht die einzige Rolle spielt. Denn BIPoC sind eben nicht nur das eine, sondern können noch viel mehr sein und auch verschiedene Probleme mitbringen: Armut, Queerfeindlichkeit, Sexismus, etc. Wenn wir Rassismus ansprechen und abschaffen wollen, müssen wir auch immer das berücksichtigen, was uns sonst noch in der Gesellschaft belastet und wie wir auch davon loskommen. Genau das ist intersektionale Solidarität: dass ich meinen eigenen Struggle kenne und gleichzeitig den nicht vergesse, von dem ich nicht betroffen bin.

Mit wem würdet ihr gerne eine Folge BBQ aufnehmen und warum?
Dominik: Ich würde super gerne mal eine Folge mit Bruce Darnell aufnehmen. Ich glaube, wir hätten eine Menge Spaß und ich hätte super viele Fragen an ihn über seine Erfahrungen im Showbiz.
Zuher: Ich würde gerne mal einen dieser legendären Politiker*innen einladen: Gregor Gysi, Christian Ströbele oder Claudia Roth. Das waren große Inspirationen für mich als Jugendlicher.

© BBQ
© BBQ

Was ist das Außergewöhnliche an der LGBTI*-Community in Berlin?
Dominik: Ich glaube, dass die Szene hier im ständigen Wandel ist und sich weiter entwickelt und versucht, alle im queeren Alphabet mitzudenken. Es gibt ganz unterschiedliche LGBTI*Communitys hier und ganz sicher auch die, in die du passt.

Was sollten alle Menschen über Rassismus wissen?
Dominik: Rassismus ist durch langjährige Geschichte tief in unserer Gesellschaft verankert. Wir leben in einem rassistischen System, von dem vor allem weiße Menschen profitieren. Du kannst nichts dafür, genauso wenig, wie ich etwas dafür kann. Wichtig ist aber, dass wir uns das bewusst machen um das System zu erkennen und dann gemeinsam dagegen vorgehen.

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